Grenzöffnung sorgt für neuen Ärger
Deutschland und Österreich preschen vor – und heben die in der Coronakrise erlassenen Reisewarnungen auf. Das sollte ein Grund zu Freude sein, der Sommerurlaub rückt in greifbare Nähe. Doch Italien fühlt sich diskriminiert.
Die EU-Kommission hatte ein koordiniertes und nicht-diskriminierendes Vorgehen bei der Öffnung der Grenzen gefordert. Nur so lasse sich das Schengen-System wiederherstellen und die Freizügigkeit sichern.
Doch Deutschland und Österreich scheren sich wenig um die Empfehlungen aus Brüssel.
Bundesaußenminister Maas hat im Alleingang die Reisewarnung für alle EU-Länder aufgehoben – aber erst ab dem 15. Juni.
Das passt schlecht zu den Plänen der italienischen Regierung in Rom. Sie hat die Grenzen bereits am Mittwoch wieder geöffnet.
Deutsche Touristen dürften wegen der deutschen Einschränkungen nun aber erst in zehn Tagen kommen, wenn überhaupt.
Auch Österreich hat seine eigenen Regeln. Die Regierung in Wien macht die Grenzen am Donnerstag wieder auf – außer zu Italien.
Dies führt nun zu Unmut in Rom. Zitat aus “Politico”:
Foreign Minister Luigi Di Maio said Italy was being treated “like a leper colony” and warned the EU “will collapse” if countries don’t make decisions together. “The border reopening question requires a European response, because if you countries act alone and in different ways, it will damage the spirit of the EU,” he said in a video on Facebook.
Das ist starker Tobak. Eine “Lepra-Kolonie” möchte natürlich niemand sein, und den “Kollaps der EU” will wohl auch keiner riskieren.
Doch die EU-Kommission ist hilflos. Die Grenzöffnung sei eine nationale Entscheidung, heißt es in Brüssel.
Und gegen einen Verstoß gegen ihre Empfehlungen könne sie leider nichts unternehmen. Es sind eben nur unverbindliche Empfehlungen…
Siehe auch “Schweden und Italien werden ausgegrenzt” und “Fromme Wünsche für den Sommerurlaub“
P.S. Italien ist nicht der einzige Problemfall. Es gibt auch Ärger mit Großbritannien, Norwegen und Spanien – denn diese Länder haben noch Einreisesperren oder eine 14-tägige Quarantäne verhängt. Von einem koordinierten Vorgehen kann keine Rede sein…
Kleopatra
5. Juni 2020 @ 08:20
Naja. Großbritannien und Norwegen gehören überhaupt nicht zur EU; und letztlich sind die Grenzschließungen zeitlich eingeschränkte Abweichungen vom verbindlich vereinbarten EU-Normalzustand. Das heißt, hier haben die Mitgliedstaaten jeweils für sich entschieden, dass eine Ausnahmesituation es rechtfertigt, vom Unionsrecht abzuweichen. Dann gibt es aber auch keine Notwendigkeit, dass die Rücknahme gleichzeitig erfolgt. Im Gegenteil: Wenn eine Ausnahmesituation etwa die Schließung einer einzigen Grenze rechtfertigen würde, wäre das doch nie ein Grund, andere Grenzen ebenfalls geschlossen zu halten.
Was man unausgesprochen aber sieht: die Position, dass bis zur Verfügbarkeit eines Impfstoffes alles der Verhinderung der Ausbreitung untergeordnet werden muss, ist nicht durchzuhalten. Das können sich nur reiche Länder und Individuen leisten, die eine Weile von der Substanz leben können. In diesem Zusammenhang ist es einseitig, eine möglichst rigorose Quarantänepolitik als wissenschaftlich fundiert und vorbildlich hinzustellen, als ob die Hinweise auf ihre massiven Kollateralschäden nicht auch wissenschaftliche Fundierung ins Feld führen könnten. Das Risiko kann mittlerweile grob abgeschätzt werden und scheint etwas über dem einer schweren Grippe zu liegen. Der Hauptunterschied zur Grippe liegt darin, dass gegen Grippe Impfstoffe produziert werden, die (jedenfalls in Deutschland und Österreich) Ladenhüter sind, obwohl in Deutschland im Jahr geschätzt eine fünfstellige Zahl von Menschen an der Grippe stirbt. Dieses Massensterben nimmt man so indifferent hin, dass man sich noch nicht einmal die Mühe einer genauen Statistik macht.
ebo
5. Juni 2020 @ 09:10
“Kein Land darf über Nacht seine Grenzen schließen” – lesenswertes Interview https://www.sueddeutsche.de/politik/frankreich-europaministerin-amelie-de-montchalin-1.4927795
Barbara Dedié
4. Juni 2020 @ 16:26
Was mir auffällt, wenn ich TV gucke,ist dass immer von Italien, Spanien und anderen Ländern geredet wird – kein einziges Mal von Griechenland, das bisher gut weggekommen ist mit seinen Coronazahlen. Auch GR lebt vom Tourismus, nicht nur die anderen.