„Auch in Europa ist Rassismus ein großes Problem“

Nicht nur die USA haben ein Rassismus-Problem. Auch in Europa haben es Schwarze schwer. In Frankreich gab es deswegen schon Demonstrationen und Krawalle, in Deutschland hingegen wird das Problem verdrängt. Das stößt auf Kritik.

Dienstagabend in Paris, Porte de Clichy: 20.000 Menschen gehen (verbotenerweise) auf die Straße, um ihre Solidarität mit George Floyd zu bekunden und an Adama Traoré erinnern, der vor vier Jahren nach seiner Verhaftung in Frankreich eines mysteriösen Todes gestorben war.

Mittwochabend in Berlin: Sandra Maischberger lässt ihre Gäste über Rassismus in den USA diskutieren – und lädt nur weiße Gäste ein. Ist das auch schon Rassismus? Hätte man nicht auch mal über die Diskriminierung von Schwarzen in Deutschland sprechen können?

Zwei europäische Hauptstädte, zwei völlig verschiedenen Lagen. In Frankreich leben viele Schwarze, es gibt bzw. gab auch schwarze Minister und Schauspieler. In Deutschland kennen wir Schwarze fast nur als Flüchtlinge, in Politik und Medien sind sie völlig unterrepräsentiert.

Ganz ähnlich ist es in UK und Polen, in Belgien und Kroatien. Europa zerfällt, wenn es um Schwarze geht, in zwei Hälften – eine gemischte, weltoffene, und eine weiße, abweisende. Gemeinsam ist ihnen allerdings, dass sie sich nur ungern mit Rassismus auseinandersetzen.

Dabei ist der auch in Europa ein Problem, wie der SPD-Abgeordnete D. Köster notiert:

Nicht nur in den USA gibt es rassistische Polizeigewalt, auch in der EU ist sie ein großes Problem. In Kroatien misshandeln Grenzschutzbeamte Flüchtlinge, die versuchen, in die EU zu gelangen. In Bulgarien und Rumänien terrorisieren Polizistinnen und Polizisten die ethnische Minderheit der Roma. Racial Profiling gibt es auch in Deutschland: Die Polizei kontrolliert vermeintlich ‚verdachtsunabhängig’ Menschen mit dunkler Hautfarbe. Hier ist auch an die Misshandlungen und Tötungen wie Oury Jallouh und Ahmed A. zu erinnern, die beide in einer deutschen Polizeizelle verbrannten.

Die Vizepräsidentin der EU-Parlaments, K. Barley, sieht es ähnlich:

Rassismus ist auch ein europäisches Problem. Damit wir glaubwürdig sind, brauchen wir eine europäische Debatte über unsere eigenen Verfehlungen. Rassismus muss auch in Europa stärker benannt und bekämpft werden.

Doch bisher steht das Thema nicht auf der Tagesordnung. In Brüssel tut man sich schon schwer, die Polizeigewalt in den USA zu verurteilen und klare Worte zu US-Präsident Trump zu finden. Noch weniger möchten die EU-Chefs vor der eigenen Haustüre kehren…

Siehe auch „Fall Floyd: Brüssel spricht von Machtmissbrauch“