Schweden und Italien werden ausgegrenzt
Die Coronakrise sorgt für neuen Ärger in der EU, diesmal im Tourismus: Schweden und Italien werden bei Urlaubsreisen ausgegrenzt, auch Belgien steht auf einer Negativliste. Dabei wollte die EU-Kommission genau das vermeiden.
Den Ärger hat ausgerechnet Griechenland verursacht – ein beliebtes Reiseland mit sehr wenigen Coronafällen. Die Regierung in Athen gab bekannt, dass ab 15. Juni wieder Touristen aus Deutschland und 28 weiteren Ländern willkommen sind, nicht jedoch aus Italien und Belgien.
Begründet wird dies mit höheren Infektionsraten in diesen Ländern – dabei flaut Corona auch in Italien und Belgien ab. Belgien hat sogar überraschend wieder die Grenzen für Familienbesuche geöffnet, Italien will ab Anfang Juni selbst Touristen empfangen.
Italiens Außenminister Luigi di Maio reagierte verärgert. Wenn Regierungen in der EU Italiener wegen der Corona-Pandemie wie Aussätzige behandeten, werde der europäische Geist verloren gehen und die EU zusammenbrechen, erklärte er auf Facebook.
Doch nicht nur Italien wird ausgegrenzt. Auch Schweden wird bestraft. Zypern und Dänemark haben die Einreise für schwedische Touristen untersagt. Selbst in der nordischen Nachbarschaft zögert man, Schweden einreisen zu lassen, meldet die “NZZ”. Stockholm fühle sich diskriminiert.
Dabei wollte die EU-Kommission genau solche Diskriminierung verhindern. Schon vor Wochen hat die Brüsseler Behörde Empfehlungen für Urlaubsreisen vorgelegt und gefordert, niemanden auszugrenzen. Allerdings waren es nur unverbindliche Empfehlungen.
Und nun hält sich niemand dran…
Siehe auch “Fromme Wünsche für den Sommerurlaub”
Ute Plass
2. Juni 2020 @ 22:20
„Jonas Ludvigsson ist seit mehr als 20 Jahren Kinderarzt in Schweden. Außerdem forscht er zu Infektionskrankheiten wie Grippe und Schweinegrippe bei Kindern. Oft wurde er in der Anfangszeit der Coronakrise gefragt, wie ansteckend Kinder seien. Als in anderen Ländern Schulen und Kindergärten geschlossen wurden, entschied er sich, diese Frage systematisch zu untersuchen. Er analysierte 47 Studien, die sich mit COVID-19 bei Kindern beschäftigt haben.“
Lesenswerter Beitrag: https://www.deutschlandfunk.de/kinder-und-covid-19-schwedischer-forscher-ich-denke-dass.676.de.html?dram:article_id=477836
Kleopatra
1. Juni 2020 @ 07:54
Ein Einreisebeamter auf einem griechischen Flughafen kann zwar sehen, welche Staatsangehörigkeit ich habe, aber nicht, ob ich in Schweden, Belgien etc. wohne. Deshalb ist eine selektive Einreisesperre für Bürger bestimmter Länder wenig sinnvoll, denn z.B. ein in Brüssel ansässiger Deutscher dürfte unter dem Radar durchrutschen (erst recht, wenn er einen Zweitwohnsitz in Deutschland hat und seinen Ausweis über den bezieht).
Das panische Starren auf Kennzahlen wie den R-Wert bringt wenig. Da alle Zahlen über Infektionsfälle nur einen Teil der tatsächlich durchgeführten Tests betreffen, sagen sie über das jeweilige Land an sich nur aus, ob viel oder wenig getestet wurde. Halbwegs zuverlässig sind immer nur die Zahlen der Todesfälle. Und da gab es offenbar soeben den ersten Tag seit dem 11.März ohne einen Covid-19-Todesfall in Schweden. (Die Sache scheint offenbar in den meisten Ländern ca. 80 Tage zu dauern).
@Fidas: Unionsrecht schon und gut, aber auf Menschen würde ich Bestimmungen über den freien Warenverkehr (Cassis de Dijon) lieber nicht anwenden, auch nicht analog.
Fidas
1. Juni 2020 @ 11:48
Die Analogie besteht in der hoheitlichen Bewertung von Sachverhalten und Ereignissen. Eine verschiedene Bewertung durch einen anderen EU-Staat egal ob es um Waren ( z.B. Alkoholgehalt) oder Menschen ( z.B Wahrscheinlichkeit einer Infektion),darf keine diskriminierende Rechtswirkung haben.
Fidas
31. Mai 2020 @ 15:26
Die Behinderung der Migration durch bestimmte EU-Länder für Reisende aus Schweden ist Europarechts widrig :
Schweden hat, wie die anderen EU-Staaten, das souveräne Recht zu bestimmen unter welchen Voraussetzungen die Freizügigkeit in seinem Staatsgebiet eingeschränkt wird. Dabei hat es während der gesamten sog. Covid-19 Krise keine Sondermaßnahmen gegen Migranten aus anderen EU-Staaten vorgenommen. Unter Beachtung des Cassis-de-Dijon Prinzips, entsprechend des freien Warenhandels, muss nun auch die Personenfreizügigkeit von Migranten aus Schweden durch die anderen EU-Staaten akzeptiert werden auch wenn sie nicht deren einzelstaatlichen Covd-19 Sicherheitsvorgaben entsprechen. Die EU-Kommission ist am Zug, sie müsste gegebenenfalls auch rechtlich einschreiten.
Ute Plass
31. Mai 2020 @ 10:40
@Adrian Engler “Es wäre im Gegenteil vollkommen verantwortungslos, wenn Länder, die es geschafft haben, dass die Anzahl der aktiven COVID-19-Fälle stark zurückgegangen ist, den ganzen Fortschritt aufs Spiel setzen würden, indem sie Menschen aus Schweden frei einreisen ließen.”
Differenzierung ist angesagt.
“Welche Verfahren und Strategien auf lange Sicht erfolgreicher sind, werden Wissenschaftler vermutlich erst rückblickend vollständig beurteilen können.”
https://www.quarks.de/gesundheit/medizin/wie-sinnvoll-ist-der-schwedische-corona-sonderweg/
European
31. Mai 2020 @ 08:15
Ich bin mir nicht sicher, ob das wirklich bewusste Diskriminierung ist oder aber einfach Resignation vor einem zusammengebrochenen Gesundheitssystem. Durch die extremen Sparauflagen wurden mWn die Ausgaben dafür um ca. die Hälfte gekürzt, weshalb es an allem mangelt – von Personal bis Verbandsmaterial. Viele Griechen konnten die Beiträge nicht mehr leisten, weshalb nun die Gesundheitsversorgung kostenlos ist.
Bisher sind die Griechen bezüglich Corona relativ glimpflich davongekommen, aber eine neue Welle könnte eine Katastrophe bedeuten.
ebo
31. Mai 2020 @ 10:31
Da ist was dran. Ich spreche ja auch von Ausgrenzung, das Wort Diskriminierung hat die EU-Kommission eingeführt.
The principle of non-discrimination is of particular importance: when a Member State decides to allow travel into its territory or to specific regions and areas within its territory, it should do so in a non-discriminatory manner – allowing travel from all areas, regions or countries in the EU with similar epidemiological conditions. In the same vein, any restrictions must be lifted without discrimination, to all EU citizens and to all residents of that Member State regardless of their nationality, and should be applied to all parts of the Union in a similar epidemiological situation.
Aldi Golbach
31. Mai 2020 @ 22:47
Der vom RKI ermittelte R-Wert ist nichts wert. Auch ohne einen einzigen neuen Infizierten würden allein aufgrund der Fehlerquote des Tests tausende neue „Fälle“ gemeldet. Werden die derzeit verwendeten Kriterien nicht geändert, kann die Pandemie – scheinbar – endlos anhalten. https://multipolar-magazin.de/artikel/warum-die-pandemie-nicht-endet
Adrian Engler
30. Mai 2020 @ 20:26
Aktuell ist die Zahl der neuen COVID-19-Todesfälle im Verhältnis zur Bevölkerungsgröße (im Wochendurchschnitt) in keinem Land so hoch wie in Schweden, und Schweden ist auch bei der Anzahl der Neuinfektionen im Verhältnis zur Bevölkerungsgröße ganz vorne. Wenn Schweden anders behandelt wird als Länder, welche die Pandemie stärker unter Kontrolle gebracht haben, ist das sicher keine Diskriminierung, sondern eine vernünftige Unterscheidung aufgrund der großen Unterschiede zwischen verschiedenen Ländern. Es wäre im Gegenteil vollkommen verantwortungslos, wenn Länder, die es geschafft haben, dass die Anzahl der aktiven COVID-19-Fälle stark zurückgegangen ist, den ganzen Fortschritt aufs Spiel setzen würden, indem sie Menschen aus Schweden frei einreisen ließen. Bezüglich Italien und Belgien muss man vielleicht noch etwas warten, aber so wie sich die Fallzahlen entwickeln, geht es vielleicht nicht mehr so lange, bis die Grenzen zu diesen Ländern wieder geöffnet werden können. Im Fall von Schweden ist die Entwicklung der Fallzahlen hingegen so, dass das wahrscheinlich noch lange Zeit nicht verantwortbar ist, und es ist sehr zu hoffen, dass die PolitikerInnen im Rest Europas nicht politischem Druck nachgeben, die Grenzen gegenüber Schweden zu öffnen, obwohl es bei einer sachlichen Betrachtung der Fallzahlen in Schweden sicher nicht gerechtfertigt ist, ein solches Risiko einzugehen.
ebo
30. Mai 2020 @ 21:46
Für Schweden haben Sie Recht. Für Belgien und Italien trifft dies jedoch nicht zu, die Zahlen sehen dort viel besser aus. In diesen beiden Fällen kann man also sehr wohl von Diksriminierung sprechen…
Peter Nemschak
31. Mai 2020 @ 13:32
Diskriminieren heißt unterscheiden. Was ist daran so schlecht ? Belgien und Italien stehen nach wie vor relativ schlecht da, was Neuinfektionen betrifft.
ebo
31. Mai 2020 @ 13:50
Da wäre ich vorsichtig. In Deutschland ist der R-Wert wieder über eins, in Belgien nicht
Peter Nemschak
30. Mai 2020 @ 17:45
Die Anzahl der Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnern kann als Orientierungshilfe dienen. Warum immer alles gleich machen, wenn Differenzierung vielleicht Sinn macht. Die Entwicklung von Corona läuft sehr unterschiedlich in Europa. Innerhalb der Nationalstaaten überlegt man sogar regional zu differenzieren. Eine verpflichtende Tracing App, um Hot Spots frühzeitig zu erkennen, wäre sinnvoll.
dixie chique
2. Juni 2020 @ 11:34
Eine v e r p f l i c h t e n d e Tracing App wäre sinnvoll für Stasis und Gestapos und solche, die es werden möchten. Und sonst für niemand.
Wäre ich Verfassungsschutz, ich würde Sie und Ihre unterirdischen Postulate beobachten!