Völlig uneinsichtig
Wer ist für die Fehler der Troika verantwortlich? In einem Anhörungs-Marathon versucht das EU-Parlament, diese Frage zu klären. Doch gleich der erste Gast, Währungskommissar Rehn, wies jede Schuld von sich. Selbstkritik? Fehlanzeige. Und dieser Mann will Kommissionschef werden.
Wir erinnern uns: Rehn ist der Mann, der auf Zypern einen Enteignung aller Sparer – auch der Kleinsparer – durchboxen wollte. Erst ein europaweiter Proteststurm hat ihn gestoppt.
Rehn ist der Mann, der die Debatte über die “fiskalischen Multiplikatoren” – also die fatale Wirkung der Spardiktate auf die Konjunktur – abwürgen wollte. Erst der IWF brachte ihn zur Räson.
Und er ist der Mann, der – nach Kommissisonchef Barroso – über die größte Macht in der Brüsseler Behörde verfügt. Was würde dieser Mann, der die deutsche Gunst genießt wohl zur Troika sagen?
Die Troika habe schwere und harte Entscheidungen getroffen, räumte Rehn zunächst ein. Die Verantwortung liege aber vor allem bei jenen, die wirtschaftliche Ungleichgewichte ermöglicht hätten.
“Ownership is key”, betonte Rehn. Als positive Beispiele nannte er Irland und Portugal. Demgegenüber habe es in Griechenland Probleme gegeben, doch mittlerweile liege die Regierung im Plan.
Mit keinem Wort ging Rehn auf die drastischen Fehlprognosen der Troika ein, die Griechenland jedes Jahr eine rosige Zukunft prognostizierten, während es in Wahrheit immer schlimmer wurde.
Auf Nachfrage erklärte er, alle Ökonomen hätten falsche Vorhersagen geliefert. Dies zeige die Schranken der ökonomischen Wissenschaft auf. Schon Marx habe sich darüber mokiert.
Außerdem habe die Krise in Italien so viel Verunsicherung an den Märkten geschaffen, dass dies zu ökonomischer Unsicherheit und damit zu fehlerhaften Prognosen geführt habe.
Auch die sozialen Folgen der Troika-Entscheidungen lassen den liberalen Finnen offenbar kalt. Dass die Spardiktate gegen EU-Recht verstoßen können, wie der Europarat monierte, erwähnte er nicht.
Auf die Frage nach der Verantwortung der Troika antwortete Rehn gebetsmühlenartig mit Verweis auf den ESM-Vertrag und die einschlägigen Regeln der beteiligten Instanzen EU-Kommission, EZB und IWF.
Nicht einmal die (von Deutschland diktierte) Konditionalität der Hilfen – also der Zwang zu Kürzungen und Reformen – sieht Rehn als Problem. Die Krisenländer hätten ihr ja zugestimmt.
Offenbar ist Rehn völlig uneinsichtig und unwillig, für mehr Transparenz und Demokratie bei den “Eurorettern” zu sorgen. Und dieser Mann will Nachfolger von EU-Kommisssionschef Barroso werden…
Johannes
15. Januar 2014 @ 07:30
“Rehn ist der Mann, der auf Zypern einen Enteignung aller Sparer – auch der Kleinsparer – durchboxen wollte.” Wir erinnern uns, diese Sparer kamen oft aus dem Ausland und kassierten übermäßig hohe Zinsen. Wir normalen Bürger ließen das Geld bei Sparkasse und Co. Und jetzt sollten wir die Gier der anderen Sparer bezahlen. Ebo ergreift Partei für ein Steuerparadies, was solll das?
Peter Nemschak
15. Januar 2014 @ 09:39
Da haben Sie ebo sichtlich missverstanden. Rehn lancierte die abstruse Idee, alle Sparer, auch Kleinsparer, am Verlust einer in Insolvenz befindlichen Bank zu beteiligen, nicht nur in Zypern, sondern in Zukunft generell in der EU. Dies zeigt, dass Rehn entweder nicht die geringste Ahnung vom Funktionieren einer Geldwirtschaft hat oder provozieren wollte, um eine breite Diskussion in Gang zu bringen. Immerhin ist die Beteiligung von Gläubigern bei Bankeninsolvenzen heute politisch gegessen. Ich frage mich, was Rehn beruflich gemacht hat, bevor er nach Brüssel kam. Ich werde den Eindruck nicht los, dass so mancher Kommissar von den Mitgliedsländern nach Brüssel geschickt wird, weil er politisch daheim im Weg steht und “versorgt” werden muss, vergleichbar mit ehemaligen Außenministern, die nach ihrer politischen Karriere auf prominente Botschafterposten gesetzt werden.
MacPaul
14. Januar 2014 @ 13:07
Was habt ihr denn? Der Mann ist doch super geeignet!
Peter Nemschak
14. Januar 2014 @ 14:56
wofür?
fufu
14. Januar 2014 @ 11:32
Die Strategie ist alt. Erst mit der EU ein Problem schaffen, dann das Problem mit noch mehr EU loesen. Aehnlich wie mit den Schulden.
Jeder normal denkende Mensch weiss doch, dass es ohne EU und Euro all die Probleme die hier im Blog diskutiert werden nicht gaebe. Es ist doch so einfach. Man will keine Probleme loesen sondern einfach noch mehr EU.
Baer
14. Januar 2014 @ 10:58
Wer glaubt denn wirklich an eine Weltmacht USA? dieses Land ist bei einem Privatbankenkonsortium( FED) so hoch verschuldet ,wie kein anderes Land auf diesem Planeten, und rettet sich durch dubiose Anleiheverkäufe Monat für Monat über die Runden.Mit dem Ergebnis ,dass die Schuldenlast stündlich um 100 Mio.$ steigt.
Amerika ist so bankrott wie man es nur sein kann.Nein ,die Gefahr einer menschenverachtenden Weltmacht geht von ganz anderen Akteuren aus….
Peter Nemschak
14. Januar 2014 @ 12:54
Das Fed ist kein Privatbankenkonsortium sondern die Notenbank der USA.
Offenbar gibt es noch immer ausreichend Investoren, welche die Anleihen der USA kaufen – alles ist relativ auf dieser Welt. Daher sollte die relative Macht Europas im Konzert der Mächte gestärkt werden, in unserem ureigenen Sicherheitsinteresse. Die Interessen der USA haben sich seit Ende des Kalten Krieges von Europa Richtung Asiens verschoben.
Peter Nemschak
14. Januar 2014 @ 08:29
In einer nationalen Demokratie unseres Verständnisses müsste sich ein Politiker wie Rehn vor dem Parlament verantworten und gegebenenfalls einem Misstrauensantrag aussetzen. Dies könnte bis zu einem Rücktritt führen. Gibt es derzeit einen solchen Mechanismus auf europäischer Ebene? Der Umstand, dass die Mitgliedsländer einen Anspruch auf Kommissarsbesetzungen haben, ist der Verantwortung nicht gerade förderlich: “schlägst Du meinen, schlag ich Deinen”. Der lachende Dritte ist der betroffene Kommissar. Der Fall Rehn ist wieder einmal Wasser auf die Mühlen derer, die von der EU nichts wissen wollen. Lachende Dritte sind die Amerikaner, die keine Sorge zu haben brauchen, dass es jemanden gibt, der ihren Weltmachtanspruch je ernsthaft in Frage stellen könnte.