Recovery-Plan: Der Lack blättert schon (II)
Was bleibt vom „historischen“ Wiederaufbau-Plan der EU–Kommission? Nach einer ersten Beratungsrunde der Finanzminister blättert der Lack weiter. Deutschland könnte das Programm sogar um ein Drittel zusammenkürzen.
Dies deutete der deutsche Finanzminister Scholz bei einer Videokonferenz an. Der Betrag von 500 Mrd. Euro für den Wiederaufbau, den Berlin und Paris vorgeschlagen haben, sei mit Bedacht gewählt, sagte er, und stelle eine Kompromißlinie dar.
Indirekt stellte er damit den Kommissionsvorschlag infrage, der von 750 Mrd. Euro ausgeht. Allerdings liegen Brüssel und Berlin bei den Zuschüssen (500 Mrd.) auf einer Linie. Daneben will die Kommisison noch 250 Mrd. Euro Kredite vergeben.
Ein weiteres Problem ist die Vergabe der Gelder. Die EU–Kommission will sie nicht an die Schwere der Coronakrise knüpfen, sondern auch sozioökonomische Kriterien einbeziehen. Dies führt zu einer EU-weiten Förderung mit der Gießkanne.
So würde sogar Deutschland einen zweistelligen Milliardenbetrag erhalten, obwohl die Krise mild verlief und Berlin selbst genug Geld für ein Konjunkturprogramm hat. Belgien hingegen, wo es besonders viele Coronatote gab, könnte zu kurz kommen.
Und dann wäre da noch die EU–Bürokratie: Sie dürfte dazu führen, dass die Hilfsgelder erst in drei oer mehr Jahren in den Krisenregionen ankommen – und damit viel zu spät, um die schwere Rezession abzuwehren.
Darauf weist der Thinktank „Bruegel“ hin. Rund drei Viertel der Gelder könnten erst ab 2023 ausgezahlt werden, heißt es in einer neuen Studie. Schuld ist u.a. das EU-Budget – eine „slow-moving machine“, wie der Autor schreibt.
Das bestätigt meine Einschätzung, dass es ein Fehler ist, in einer akuten Krise auf den EU-Haushalt zu setzen – und dass der Sieben-Jahres-Plan endlich zugunsten einer modernen und demokratischen Budgetpolitik ersetzt werden sollte…
Siehe auch „Recovery-Plan: Der Lack blättert schon (I)“ und „Unbequeme Fakten zum EU-Budget“
European
11. Juni 2020 @ 10:55
Der Hinweis auf die Patente ist völliger Blödsinn. Passt in die Kategorie Deutschland, das Land der Dichter und Denker. Der Spruch kommt auch immer von Leuten, die im Leben noch nie gedichtet oder gedacht haben.
Ein italienischer Ingenieur arbeitet in den Niederlanden bei einem amerikanischen Konzern. Auf seinen Namen werden Patente angemeldet. Welches Land ist der Gewinner?
Seit der Finanzkrise haben hunderttausende junge Leute ihre südeuropäischen Heimatländer verlassen, um der Aussichtslosigkeit zu entfliehen. Hat direkt etwas mit der Zwangsjacke zu tun, in die man diese Länder gesteckt hat. Keine Investitionen, Sparprogramme, aber dafür Billigprodukte aus dem Norden. Die Portugiesen haben das daraus resultierende gesellschaftliche Problem vor ein paar Jahren erkannt und – gegen den Willen aus Brüssel – in ihr Land investiert. Man drohte mit Defizitverfahren, aber dann zeigte sich, dass wirtschaftlicher Erfolg an Investitionen geknüpft ist. IWF-Kredite wurden sogar vorzeitig getilgt. Sieh an. Heute bescheinigt man ihnen „gutes Wirtschaften“
Man wird sehen, was von den Programmen übrig bleibt. Bezüglich Deutschland habe ich da wenig Hoffnung auf Einsicht. Die CDU ist auf Höhenflug und die Töne, die aus dieser Ecke kommen, lassen nichts gutes erahnen. Ob Ursula von der Leyen rechtzeitig ein Beraterteam zusammengestellt hat, um Entscheidungen zu treffen, wage ich zu bezweifeln. Anrechnen muss man ihr allerdings, dass sie sich bei den Italienern entschuldigt hat.
Peter Nemschak
10. Juni 2020 @ 21:18
Wenn man die Anzahl der Patente pro 100.000 Einwohner eines Landes als Maßgröße heranzieht, gibt es einen mehr als deutlichen Unterschied zwischen den Ländern des Nordens und des Südens in Europa. Daran werden auch die Corona-Hilfspakete nichts ändern. Es sind historisch gewachsene gesellschaftliche, nicht notwendigerweise individuelle Mentalitäten und institutionelle Unterschiede, die sich, wenn überhaupt, nicht ändern lassen. Europa muss mit Ungleichheit auf Dauer leben. Individuen haben die Wahl dorthin zu migrieren, wo sie für sich die besten Chancen sehen.
ebo
10. Juni 2020 @ 23:15
Was hat das mit dem Vorschlag zum Recovery Instrument zu tun? Und was haben die Patente aus dem Norden gebracht? In der Coronakrise hat sich die EU mehr denn je von Amazon, Google & co. abhängig gemacht – und es nicht einmal gemerkt…