Die Schieflage wird noch größer

Die Bundesregierung und die EZB stützen die Wirtschaft, Berlin und Paris planen die europäische Cloud – und Ratspräsident Michel macht Journalisten Konkurrenz: die Watchlist EUropa vom 5. Juni 2020.

Es ist ein Programm der Superlative: Mit 130 Mrd. Euro nimmt Deutschland rund ein Viertel der Summe in die Hand, die die Eurogruppe in ihrem Rettungsplan für die gesamte Eurozone bereitstellt (540 Mrd. Euro). Auch den Vergleich mit dem neuen Recovery-Plan der EU muss Berlin nicht scheuen. 750 Mrd. sieht Brüssel für die nächsten drei Jahre vor – für 27 EU-Staaten. Deutschland liegt weit über dem rechnerischen Durchschnitt.

Das ist auch gut so, werden viele sagen. Wenn die deutsche Wirtschaft brummt, geht es auch Europa und dem Euro besser. Doch ganz so einfach ist es nicht. Denn zum einen kommt das deutsche Programm aus EU-Sicht zu spät.

Schon vor Corona war die deutsche Wirtschaft zurückgefallen, schon vor der Krise hat Brüssel eine deutsche Investitions-Offensive gefordert. Doch vor allem Kanzlerin Merkel hat gezögert und gebremst.

Zum anderen plant Berlin nun vor allem konsumptive Ausgaben, bis hin zum Helikoptergeld für Kinder. Das ist nicht exakt das, was die europäische Wirtschaft braucht, die Investitionen kommen zu kurz.

Zudem dürfte das neue Programm die Schieflage in der EU vergrößern. Deutschland gibt am meisten Staatsbeihilfen, Deutschland hat das größte Konjunkturprogramm – und die mildeste Rezession.

Dagegen drohen schwer getroffene Länder wie Italien oder Frankreich zurückzufallen. Diese Sorge treibt offenbar auch die EZB in Frankfurt um. Sie hat ihre umstrittenen Anleihenkäufe fast verdoppelt – auf 1,35 Billionen Euro.

Und das trotz der deutschen Bedenken, die das Bundesverfassungsgericht ultimativ vorgetragen hat, und die die Bundesbank zum Ausstieg aus dem Kaufprogramm zwingen könnten.

Zur Begründung verweist EZB-Chefin Lagarde auf die sich verschlimmernde Krise: Das Bruttoinlandsprodukt in der Euro-Zone dürfte in diesem Jahr um 8,7 Prozent einbrechen, so Lagarde.

Anders gesagt: Mit der Eurozone geht es rasant bergab. Doch ausgerechnet das Land, das am wenigsten betroffen ist, stemmt sich am stärksten gegen den Abschwung – und beschwert sich dann auch noch am lautesten über Anleihekäufe…

Siehe auch: Wie deutsche Corona-Hilfen der EU schaden und “Deutsches Recht über alles?

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Watchlist

Sind sich London und Brüssel näher gekommen – oder droht wieder ein No-Deal-Drama? Dies ist die bange Frage, wenn EU-Chefunterhändler M. Barnier am Freitag um 13h in Brüssel vor die Presse tritt. Bisher gab es keine Anzeichen einer Annäherung bei den Gesprächen über ein Freihandels-abkommen – aber auch keinen Antrag auf eine Verlängerung… Mehr hier

Was fehlt

Die europäische Cloud. Das deutsch-französische Projekt Gaia-X soll europäisch werden, kündigen Bundeswirtschaftsminister Altmaier und sein französischer Kollege Le Maire an. Es gehe auch um „techno-logische Souveränität“, sagte der Franzose. Während der Coronakrise ist uns unsere Abhängigkeit von den USA nochmal schmerzlich bewußt geworden…

Das Letzte

Werden die Bürger schlecht über die EU informiert? Dieser Meinung ist Ratspräsident Michel. Um gegenzusteuern und das Image von „Brüssel“ aufzubessern, hat er nun seinen eigenen Newsletter gestartet. Wenn Sie also eine „objektive“ oder „positive“ Alternative zu „Lost in EUrope“ suchen, lesen Sie nach bei Michel. Leider nur auf Englisch und Französisch…


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