Protektionsmus à la Merkel – Update
Der EU-Gipfel hat die Russland-Sanktionen wie erwartet verlängert. Doch anders als erwartet wird diese Entscheidung von kritischen Presseberichten zu Merkels Russland-(Industrie-)Politik begleitet.
So kommentiert die liberale slowakische Tageszeitung “Dennik N” die Verlängerung der EU-Sanktionen gegen Russland:
“Die Sanktionen wären um Vieles effektiver, wenn sie konsequent wären. Dafür aber müssten manche westliche Staaten und Firmen ihre umstrittenen Eigeninteressen aufgeben. Gerade die nützt Russland nämlich sofort aus. Im Dezember 2015 unterschrieben die Minister von sieben östlichen EU-Staaten einen Brief an Brüssel, in dem sie gegen den deutsch-russischen Bau der Gaspipline Nordstream 2 protestierten. Die Pipeline ist ein Riesengeschäft für deutsche Firmen und würde Deutschland ermöglichen, gemeinsam mit Russland die Gasversorgung Ostmitteleuropas zu kontrollieren. Vor allem, wenn Moskau dafür die Leitung durch die Ukraine kappen würde – was für Russland das Hauptziel von Nordstream ist.”
Ungeachtet der gestrigen Verlängerung der EU-Russland-Sanktionen befindet sich das deutsche Russland-Geschäft erstmals seit Jahren in einem spürbaren Aufschwung. Wie aus aktuellen Daten des Statistischen Bundesamts hervorgeht, sind die deutschen Russland-Exporte im ersten Quartal 2017 um fast ein Drittel gestiegen; mit einem Jahreswachstum um mindestens zehn Prozent wird gerechnet. Gleichzeitig nehmen die Investitionen in Russland deutlich zu; der Daimler-Konzern hat am Dienstag den Grundstein für ein etwa 250 Millionen Euro teures Werk in der Nähe von Moskau gelegt. Umgekehrt hat der russische Erdölkonzern Rosneft Investitionen in Höhe von 600 Millionen Euro in Deutschland angekündigt.
The Trump administration is on a diplomatic offensive against Russia’s Nord Stream 2 pipeline, lobbying across Europe to kill off the project while also boosting its own gas sales to Europe. The geopolitical rationale behind the U.S. position is to keep Russia from dominating European gas markets. There is also a growing commercial imperative as the U.S. starts to sell liquified natural gas to the EU and Russia’s Gazprom becomes a competitor.
Zu all dem findet sich in den großen deutschen Medien kein Wort. Zum Glück haben wir schon gestern berichtet...
Reinard Schmitz
23. Juni 2017 @ 18:55
Wenn es je meine Zustimmung zur Arbeit der GroKo gab, dann gehört dieses Projekt fraglos dazu. Dem Versuch der USA, die sichere Belieferung Europa mit nun mal eben russisches Gas zu verhindern, ist zu widerstehen. Langfristig ist dieser Irrsinn sowieso kein Öko-Projekt, politisch wäre es der Offenbarungseid Europas schlechthin. Zur Normalisierung der Beziehungen gegenüber Russland gibt es keine Alternative, um wiederum die Kanzlerin zu erwähnen…
ebo
23. Juni 2017 @ 19:34
Man kann Northstream durchaus verteidigen. Dann sollte man es aber offen tun und auch Southstream zulassen. Zudem müsste man dann auch die Sanktionen infrage stellen
Peter Nemschak
23. Juni 2017 @ 16:03
Der Protest der Ostmitteleuropäer und das Verhalten der USA bestätigen, dass es um Machtinteressen geht. Gegen die deutschen Interessen werden die Ostmitteleuropäer wohl den Kürzeren ziehen. Im übrigen ist die Pipeline ein Langfristprojekt, das es geben wird, wenn die Sanktionen gegen Russland längst Geschichte sind. Wenn die USA mit den Europäern ins Geschäft kommen wollen, müssen sie wettbewerbsfähige Preise anbieten. Nachdem die Ukraine politisch unsicher ist und eine gesicherte Versorgung Westeuropas schon einmal in Gefahr war, weil die Ukraine Streit über den Gaspreis, den sie bezahlen sollte, mit Russland hatte, verbessert die Northstream Pipeline die Versorgungssicherheit Westeuropas. Deutsche Interessen decken sich durchaus mit europäischen Interessen. Die Aufregung scheint daher übertrieben.