Profit over people, Angst um die Konjunktur – und Putschgerüchte in Paris

Die Watchlist EUropa vom 12. Mai 2021 –

Die Impfstrategie der EU hatte von Anfang an drei Ziele: Die heimische Bevölkerung schützen, den Industriestandort EUropa stärken – und der ganzen Welt beweisen, dass Brüssel hilft.

Das erste Ziel wurde mittlerweile – nach vier Monaten “Impfdebakel” – erfüllt. 200 Millionen Impfdosen wurden an die EU-Bürger ausgegeben, meldet die EU-Kommission voller Stolz.

Ebenso viele Vakzine wurden exportiert. Der “Standort” hat sich also bewährt – wobei davon vor allem der deutsche Hersteller Biontech profitiert. Satte 6 Mrd. Euro Gewinn erwartet die Firma 2021, meldet das “Handelsblatt”.

Auch die Zukunft ist gesichert. Mit einem neuen Mega-Deal über bis zu 1,8 Mrd. weitere Impfdosen hat die deutsche Kommissionschefin von der Leyen dem deutschen Labor glänzende Geschäfte bis 2023 garantiert.

Ein französischer Mitbewerber ging leer aus. Und der britisch-schwedische Konzern AstraZeneca wurde ausgebootet. So viel zum Thema Industriepolitik. Deutschland beherrscht die Klaviatur mindestens ebenso gut wie Frankreich

Nicht erfüllt wurde hingegen das Heilsversprechen für den Rest der Welt. Die EU sträubt sich weiterhin, die Patente auf das BionTech-Vakzin freizugeben. Kanzlerin Merkel schließt dies kategorisch aus, von der Leyen redet ihr nach dem Mund.

Die EU stellt sich gegen die USA

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Damit stellen sich die EUropäer nicht nur gegen ihren neuen Wunschpartner Indien, der sich auf Generika spezialisiert hat – sondern auch gegen die USA, die auf eine aktive Impfstoff-Diplomatie setzen.

Der größte Skandal ist aber das Versagen von Covax. Die EU hatte versprochen, die Uno-Initative zu fördern und Impfstoff in bedürftige Länder zu liefern.

Doch während sich die EUropäer nun schon für die 3. und 4. Impfkampagne eindecken, haben sie ihr Solidaritätsversprechen nicht im Ansatz eingelöst.

Covax verfehlt sein Ziel für 2021

Bisher wurden nur knapp 60 Millionen Impfdosen an 122 Länder geliefert. Bis Ende 2021 sollen es eigentlich zwei Milliarden Vakzine sein. Covax fehlen noch etwa drei Milliarden Euro, um das Jahresziel zu erreichen.

Doch statt nachzuhelfen, protegiert die EU ihren neuen Quasi-Monopolisten BionTech – und setzt auf Exporte. Die Profite werden mit dieser Politik gefördert, das Solidaritätsversprechen wird gebrochen.

Profit over People nannte man das früher. Heute heißt es wohl “soziale Marktwirtschaft”, oder?

Siehe auch “Hilflos gegen Big Pharma”

Watchlist

Geht es endlich wieder aufwärts mit der Wirtschaft? Oder braucht die EU noch eine Konjunkturspritze, wie dies Frankreich fordert? Diese Fragen muß die EU-Kommission beantworten, wenn sie am Mittwoch ihre Frühjahrsprognose vorstellt. Durch die zweite und dritte Corona-Welle sind viele Länder in eine “double dip”-Rezession gerutscht. Im ersten Quartal ist auch das Wachstum in Deutschland überraschend stark eingebrochen. Frankreich fordert nun einen neuen “Investitionsplan”, der die strategische industrielle Zusammenarbeit fördern soll. Details hat Paris noch nicht genannt.

Hotlist

  • Unruhe in der französischen Armee: Ende April haben über tausend Generäle und Offiziere der französischen Armee ziemlich unverhohlen mit einem Putsch gedroht. Nun haben über 2.000 Offiziere nachgelegt und ihre Kameraden unterstützt, berichtet der “Anti-Spiegel”. – Hintergrund ist die Lage in den Banlieues und die Angst vor neuen islamistischen Morden. Mittlerweile werden auch immer öfter Polizisten angegriffen. Präsident Macron hat den Aufruf verurteilt, die Nationalistenführerin Le Pen unterstützt die Militärs.
  • EU-Parlament warnt vor Datenflüssen nach Großbritannien: EU-Abgeordnete appellieren an die Kommission, die geplanten Regeln zum Datenaustausch mit Großbritannien zu überarbeiten. Dabei müssten die weitreichenden Befugnisse britischer Ermittlungsbehörden und Geheimdienste berücksichtigt werden, heißt es auf “Netzpolitik”.Die EU-Kommission hatte das Niveau des Datenschutzes in UK für angemessen erklärt. In Wahrheit ist es feutlich niedriger als etwa in Deutschland.
  • Impfstoff für Kinder noch im Mai? In Europa könnte ein Coronaimpfstoff für Kinder und Jugendliche womöglich noch im Mai zugelassen werden. Die Chefin der europäischen Arzneimittelbehörde (EMA), Emer Cooke, sagte dem Handelsblatt, derzeit werde der Biontech/PfizerImpfstoff für Zwölf- bis 15-Jährige geprüft, berichtet das Ärzteblatt. – Wieder einmal folgt die EU den USA, wo bereits eine Zulassung erfolgt ist. Der größte Druck kommt aber aus Deutschland, wo man die Schulen länger als anderswo geschlossen hatte und nun auf Massenimpfungen setzt… – Mehr hier