Politbeben in Berlin – Politshow in London

Zu früh gefreut: Die Europawahl ist doch nicht so doll gelaufen, wie dies zunächst berichtet wurde. In London, Brüssel, Wien und Athen wackeln Regierungen – nun erreicht das EU-weite Politbeben auch Berlin.

Der Rücktritt von SPD-Chefin Andrea Nahles zeigt, wie schwankend der Boden geworden ist, auf dem die Europawahl ausgetragen wurde. Die SPD ist regelrecht abgeschmiert, die Genossen haben die Nerven verloren – und Nahles fallen lassen. Dass sie keinen Rückhalt mehr hatte, ist noch mild ausgedrückt!

Doch auch die CDU steht auf schwankendem Boden. Auch die Christdemokraten haben bei der Europawahl verloren, ein Weber-Effekt war nicht zu erkennen, ganz im Gegensatz zum Rezo-Effekt. Während der Spitzenkandidat einen Wohlfühl-Wahlkampf führte, setzte Rezo auf die “Zerstörung der CDU”.

Jetzt muß die Partei von Kanzlerin Angela Merkel auch noch die Zerstörung der GroKo fürchten – wegen der SPD, aber auch wegen der zunehmend aufgeheizten Debatte um die Klimapolitik. Die Grünen profitieren, die CDU leidet – erste Umfragen sehen die Ökopartei schon vor dem Kanzlerinnen-Club.

Und was bedeutet das alles für die EU? In Brüsseler Amtsstuben dürfte man sich Sorgen machen, schließlich galt Merkel und die GroKo doch bisher als Stabilitäts-Anker. In Wahrheit ist es aber gut, dass nun auch Berlin einmal kräftig durchgeschüttelt wird. In Paris, Den Haag und anderswo ist das längst passiert.

Diese GroKo und ihre Kanzlerin steht nur noch für den kleinsten gemeinsamen Nenner in Deutschland und für den Status Quo in EUropa, wie der Europawahlkampf bis zum Einschlafen gezeigt hat. Die EU muß sich jedoch neu aufstellen, wenn sie überleben will, Deutschland darf nicht länger auf der Bremse stehen.

Vielleicht geht die SPD ja jetzt mal aufs Ganze – und fordert das, was schon im Koalitionsvertrag steht: Einen “Aufbruch für Europa”, ergänzt durch die neue Botschaft der Europawahl: Vor allem beim Klima muss die Politik endlich liefern! Macht endlich mal Druck, liebe Genossen, bevor es zu spät ist…

Watchlist

  • US-Präsident Donald Trump wird am Montag in London erwartet. Neben einem Empfang durch Queen Elizabeth II. im Buckingham-Palast stehen auch Treffen mit Thronfolger Prinz Charles und Noch-Regierungschefin May an. Schon vor seinem Besuch sorgte Trump mit Äußerungen zum Brexit für Wirbel. Der Dealmaker aus dem Weißen Haus spricht sich für einen EU-Austritt ohne Deal aus – ein Alptraum-Szenario für die EU. Mehr dazu hier: “So wird der Brexit zum Alptraum”

Was fehlt

  • Das (etwas kleinere) Polit-Beben in Paris. Dort hat der Chef der konservativen Republikaner, Laurent Wauquiez, den Hut genommen. Auch er nennt das Debakel bei der Europawahl als Grund. Allerdings gibt es noch einen Hinter-Grund: Präsident Emmanuel Macron hat bei der Wahl vor allem bei den Republikanern abgesahnt, er spricht gezielt gemäßigte Konservative an. Wauquiez versuchte, mit einem harten Rechtskurs gegenzusteuern – und ist gescheitert.