Deutsche Spitzen gegen Macron – “Weber-Effekt gleich Null”

Die etablierten Parteien in Deutschland haben ihre Schlappe bei der der Europawahl immer noch nicht verdaut. Nun werden Sündenböcke gesucht – mal in Paris, mal in Berlin oder München. 

Für die meisten deutschen Europaabgeordneten ist der Fall klar: Frankreichs Präsident Emmanuel Macron ist schuld, wenn es nach der Europawahl nicht schnell zu einer Einigung auf den nächsten EU-Kommissionschef kommt.

Aus purer Machtgier wolle der Pariser „Sonnenkönig“ die Nominierung eines Spitzenkandidaten für die Nachfolge von Jean-Claude Juncker verhindern, beschwerten sich die EU-Parlamentarier nach dem Sondergipfel am Dienstag in Brüssel.

Das Vorgehen von Macron und seinen Liberalen sei abenteuerlich, sagte der Chef der CDU/CSU-Gruppe, Daniel Caspary. Auch SPD-Gruppenchef Jens Geier kritisierte Macrons Vorgehen und warnte: “Wir werden jeden Kandidaten durchfallen lassen, der sich nicht als Spitzenkandidat zur Wahl gestellt hat.“

Dabei denkt Geier wohl vor allem an die dänische Liberale Margrethe Vestager. Sie wird von Macron unterstützt, trat jedoch in einem mehrköpfigen „Europa-Team“ an – und nicht als einsame „Spitze“.

Doch die Sache ist nicht so einfach, wie es die Deutschen gern darstellen. Das fängt schon damit an, dass die Spitzenkandidaten eine Erfindung des früheren EU-Parlamentspräsidenten Martin Schulz (SPD) sind, der sie aus dem deutschen Wahlsystem nach Brüssel verpflanzt hat.

Im EU-Vertrag werden die „Spitzen“ aber mit keinem Wort erwähnt – sie existieren dort einfach nicht. Zudem gibt es bis heute keine Definition, was überhaupt ein europäischer Spitzenkandidat sein soll. Selbst das Europaparlament hat damit seine liebe Mühe.

Muß man wochen- oder monatelang eine Wahl-Liste anführen – oder reicht es, an ein-zwei TV-Shows des Europaparlaments teilzunehmen, wie Vestager? Muß es eine einzige Spitze sein – oder dürfen es auch zwei sein, wie bei Grünen und Linken?

Das Europaparlament legt sich nicht fest. In einer am Dienstag (nach der Wahl!) veröffentlichten Erklärung heißt es lediglich, dass „der nächste Kommissionschef sein Programm und seine Persönlichkeit vor den Wahlen bekannt gemacht“ haben und sich „in einer europaweiten Kampagne engagiert“ haben muß.  

Dieser Gummiparagraph paßt sogar auf Vestager…

Im Wahrheit geht es bei dem Streit denn auch gar nicht um die „Spitzen“, sondern um einen doppelten Machtkampf: Zwischen Deutschland und Frankreich einerseits, und zwischen dem Europaparlament und dem Rat – der Vertretung der 28 EU-Länder – andererseits.

Der Affront geht dabei ursprünglich gar nicht von Macron aus, sondern von Kanzlerin Angela Merkel, die mit „ihrem“ Spitzenkandidaten Manfred Weber nun auch noch den wichtigsten Chefposten in Brüssel übernehmen will.

Dabei besetzt Deutschland schon jede Menge Schlüsselpositionen in der EU. Doch Merkel unterstellt niemand Machtgier…

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Watchlist

  • Läuft die Registrierung der neuen Europaabgeordneten aus dem Ruder? Am Mittwoch hat das Europaparlament dem katalanischen Separatistenführer und frisch gewählten EU-Parlamentarier Carles Puigdemont den Zugang zum Parlamentsgebäude in Brüssel verweigert. Angeblich fehlte eine offizielle Bestätigung aus Madrid. Nach Protesten wurde alle spanischen EU-Abgeordneten gesperrt. Es ist das erste Mal, das das Parlament eine Art nationaler Zulassung fordert. Da bahnt sich ein handfester Streit an…

Was fehlt

  • Der Frust der CDU-Europaabgeordneten über ihren Spitzenkandidaten Manfred Weber und die Wahlkampa von CDU/CSU. In einer WhatsApp-Gruppe, zu der sich einige Europaabgeordnete der Union zusammengeschlossen haben, kam der Ärger nach Angaben von SPON ungefiltert zum Ausdruck. Der Weber-Effekt auf Wahl sei “gleich Null”, soll ein CDU-Mann gepostet haben. Auch beim Klimaschutz hätten die Wahlkämpfer aus Berlin und München versagt. Das Wahlergebnis bestätigt diese Einschätzungen…