Union der Unzufriedenen
Das war wohl nichts. Deutschland wollte beim Vierergipfel in Versailles zeigen, wo es langgeht in der EU. Doch es hagelt Kritik. Selbst Berlin ist unzufrieden.
Eine EU der “verschiedenen Geschwindigkeiten”. Dazu haben sich Kanzlerin Merkel, Frankreichs Hollande sowie die Regierungschefs aus Italien und Rom in Versailles bekannt.
Die Vier wollen in Bereichen wie Euro, Verteidigung oder Steuerpolitik “vorangehen”, erklärte Hollande. Doch wohin die Reise gehen soll, sagte er nicht. Die “immer engere Union” ist tot, ein neues Ziel gibt es nicht.
Doch selbst die vagen Erklärungen reichten, um die Ausgegrenzten und Abgehängten zu ärgern. Nach Finnland zeigte sich auch Österreich unzufrieden mit der Ansage aus Versailles. Die Visegrad-Staaten sind eh dagegen.
Beim EU-Gipfel am Donnerstag und Freitag dieser Woche könnte lustig werden. Und selbst der Sondergipfel in Rom Ende März, den die Vier in Versailles vorbereiten wollten, steht unter keinem guten Stern.
Denn nun ist auch noch Berlin verstimmt. “Ich bin mit dem derzeitigen Vorbereitungsstand alles andere als zufrieden”, sagte der Staatsminister im Auswärtigen Amt, M. Roth (SPD).
Aus Sicht der Bundesregierung sei die EU nicht nur ein Binnenmarkt, sondern eine “Wertegemeinschaft”. Das spiegelten die Vorbereitungen zum 60. Jubiläum der Romischen Verträge aber nicht hinreichend wider.
Dabei ist auch in der deutschen Europapolitik wenig von europäischen Werten zu erkennen. Neuerdings verhandelt Kanzlerin Merkel sogar mit dem Militärregime in Ägypten, um die Flucht nach EUropa zu verhindern.
Die Festung Europa wird weiter ausgebaut. Und gleichzeitig wird die EU zur Union der Unzufriedenen. Und das im Super-Wahljahr 2017…
Reinard
8. März 2017 @ 09:26
Wie muss ich diesen Satz verstehen?
»…Dazu haben sich Kanzlerin Merkel, Frankreichs Hollande sowie die Regierungschefs aus Italien und Rom in Versailles bekannt.«
ebo
8. März 2017 @ 09:28
Alle Vier wollen “verschiedene Geschwindigkeiten”. Ob sie in dieselbe Richtung fahren, haben sie nicht gesagt.
Peter Nemschak
8. März 2017 @ 15:16
Nicht auf allen Politikfeldern werden alle vier in die gleiche Richtung ziehen.
ebo
8. März 2017 @ 15:46
Genau. Es gibt weder richtung noch Ziel. Die EU ist erledigt – jedenfalls was die Union betrifft. Letztlich läuft es auf die Rückkehr der bilateralen Politik hinaus, wie im 19. Jhdt.
S.B.
7. März 2017 @ 20:48
Junckers fünfte “Vision” wird es wohl werden: Zurück zu Nationalstaaten, zwischen denen Warenverkehrsfreiheit vereinbart wird. Wenn es den europäischen Staaten tatsächlich ernst mit gemeinsamen Werten ist, lassen sich diese auch in einem solchen Rahmen umsetzen. Natürlich nicht grenzenlos und schrankenlos und damit der Beliebigkeit preisgegeben, wie in der EU.
DerDicke
8. März 2017 @ 08:03
Freier Warenverkehr, das wäre mal was…
Ich würde gerne meinen Atomstrom aus Frankreich beziehen, wie teuer ist der nochmal? 5ct, 6ct pro kWh? Außerdem würde ich gerne ein Mal im Jahr nach Tschechien fahren und mir meinen Jahresvorrat Zigaretten – also so 40 Stangen – mitbringen – im Rahmen eines Kurzurlaubes.
Warum reden alle vom freien Warenverkehr und als Konsument habe ich nicht einmal den?
Peter Nemschak
8. März 2017 @ 08:53
Sie können die 40 Stangen mitnehmen, vorausgesetzt, dass Sie die Tabaksteuer bei der Einreise abführen. Ob man aus Frankreich Atomstrom beziehen kann weiß ich nicht, in Österreich können Sie unter verschieden Anbietern problemlos und unbürokratisch wechseln. Der Verein für Konsumenteninformation sammelt Konsumentennnachfrage und kauft für mehrere zehntausend Konsumenten am Markt beim billigsten Anbieter zum Großhandelspreis Strom und Gas ein.
Claus
8. März 2017 @ 09:46
@DerDicke: Der reine Strompreis an den Strombörsen wie Leipzig bewegt sich allenfalls im marginalen, oft negativen Bereich. Dagegen steigt der Endverbraucherpreis aufgrund einer irrwitzigen Förder- und Subventionspolitik der grün-merkelschen sogenannten Energiewende ins Unermessliche, auch wenn er aus grenznahen schrottigen französischen Kernkraftwerken kommt. Fazit: Der Strom kommt bereits zum Teil aus Frankreich, preislich tut das aber nichts.
Interessanter Vergleich: Würde Milch mit den gleichen Steuern und Abgaben belegt werden wie Strom, würde der Liter 7,00 Euro kosten.
Peter Nemschak
7. März 2017 @ 18:15
Angesichts der sehr unterschiedlichen Standpunkte der 27 macht ein Europa unterschiedlicher Geschwindigkeiten durchaus Sinn. Unzufriedene wird es immer geben. Würde nicht Merkel, müssten andere mit Ägypten verhandeln. Eines scheint klar zu sein: niemand will viele Migranten aus der südlichen Hemisphäre in Europa haben. In diesem Punkt scheinen sich alle einig zu sein. Beim Rest wird man sehen. Die wirtschaftliche Integration wird in Teilen der Union sich vertiefen. Das ist doch schon etwas. Wir leben in unpathetischen Zeiten.
ebo
7. März 2017 @ 18:54
Sie irren. Der Rom-Gipfel war als krönender Abschluß des “Bratislava-Prozesses” gedacht, mit dem sich die EU auf die Zeit nach dem Brexit vorbereiten wollte. Herausgekommen ist nur heiße Luft – siehe Militär-Hauptquartier. Und keine Vision für die Zukunft, keine Richtung, kein Ziel. Deshalb sind alle unzufrieden. Wenn erst die Brexit-Verhandlungen beginnen, dürfte es noch “lustiger” werden.
Peter Nemschak
7. März 2017 @ 21:15
Die EU-Mitglieder sind eben integrationsmüde geworden. Was soll die zwingende Motivation sein, die Integration auf breiter Basis derzeit weiter voranzutreiben?