Null Bock auf Juncker

Die Medien spielen es zum Mega-Ereignis hoch. Doch in Wahrheit interessiert sich kaum jemand für den EU-Kandidaten Juncker und dessen Kür zum Kommissionschef. Das liegt nicht nur am Zickzack-Kurs von Kanzlerin Merkel – sondern auch an der Phantasielosigkeit der SPD.

Ich verrate jetzt ‘mal ein Betriebsgeheimnis. Für die Posts zum Thema Juncker interessiert sich kaum jemand. Immer, wenn ich über die nahende EU-Entscheidung schreibe, gehen die Klicks in den Keller.

Woran liegt das nur? Die Medien jubeln die Kür doch nach Kräften hoch. Mal ist von einer historischen Entscheidung die Rede, weil sich das Europaparlament durchsetze, mal von einem Duell Merkel-Cameron.

Doch es nützt alles nichts: Juncker gehört zur alten Garde der müden und ermüdenden EU-Politiker. Er steht, da hat Cameron Recht, nicht für einen Neuanfang. Die Leute haben null Bock auf Juncker.

Aber es gibt auch noch einen anderen Grund: Alle Entscheidungen fallen in Berlin, in den Hinterzimmern der GroKo. Merkel setzt nach einem chaotischen Zickzack auf ihre bewährte Demobilisierungstaktik.

Und von einer kontroversen Debatte, einer Opposition gar, ist nichts zu sehen. Die Grünen haben es immerhin mal kurz versucht (“Merkel verrät Europa”). Doch die Sozialdemokraten wagen nicht einmal Widerspruch.

Jede normale Partei hätte Merkels konservative EVP vorgeführt und abgewartet, bevor man sich auf Juncker festlegt. Sie hätte harte Bedingungen gestellt und ihren eigenen Spitzenkandidaten warm gehalten.

Das hätte Merkel in Zugzwang gesetzt. Sie hätte für ihren ungeliebten Kandidaten kämpfen müssen, um eigene Mehrheiten zu organisieren. Sie hätte ihre EU-Politik rechtfertigen müssen – nicht nur in London, sondern auch in Berlin.

Die SPD hat diese Chance verschlafen. Ohne Not hat sie Juncker von Anfang an gestützt – die Genossen wollen eben gute EUropäer sein. Noch vor dem EU-Gipfel haben sie ihren Vormann Schulz zurückgezogen.

Auch inhaltlich wagt sich SPD-Chef Gabriel nicht vor. Einmal, bei seinem Besuch in Toulouse, hat er am Stabilitätspakt gerüttelt. Danach ist er sofort zurückgerudert – der Koalitionsfriede geht vor.

Dass es auch anders geht, haben Frankreichs Hollande und Italiens Letta gezeigt. Sie fordern personalpolitische und inhaltliche Zugeständnisse von Merkel und Juncker.

Doch dafür ist es wohl zu spät. Im deutschen Europa fallen die Würfel in Berlin, und dort ist das Thema durch. Genau wie der neue Kommissionschef. Kein Wunder, dass Langeweile einkehrt…