Noch eine grün angemalte Wundertüte

Die neue Industriestrategie der EU-Kommission enthält für jeden etwas, die Wirtschaft ist ebenso zufrieden wie die Grünen. Doch dahinter verbirgt sich ein heftiger Grundsatzstreit.

Die europäische Industrie soll digitaler und grüner werden und ihren Energieverbrauch spürbar verringern. Dies fordert die EU-Kommission in ihrer neuen Industriestrategie (es ist schon die sechste in fünzehn Jahren).

Sie soll den geplanten „European Green Deal“ untermauern und Investitionen in schadstoffarme Technologien fördern. Das finden alle toll – sowohl von der Industrie als auch von den Grünen kam Zustimmung. Doch der Beifall täuscht.

Um die neue Strategie war bis zuletzt heftig gerungen worden. Obwohl die Ausrichtung auf den „Green Deal“ unumstritten war, gerieten Wettbewerbskommissarin Vestager und Binnenmarktkommissar Breton aneinander.

Der Franzose Breton fordert laxere EU-Regeln, um „europäische Champions“ zu schaffen. Hintergrund ist der Streit um die Fusion der Bahnunternehmen Siemens und Alstom, die am „Nein“ von Vestager gescheitert war.

Danach hatten sich Frankreich und Deutschland für eine stärkere Ausrichtung an industriepolitischen Zielen und dem internationalen Wettbewerb ausgesprochen. Die EU müsse China Paroli bieten, hieß es.

Die neue Strategie trägt dem Rechnung – zumindest auf dem Papier. Sie verspricht eine Reform der EU-Wettbewerbsregeln, einen besseren Urheberschutz und einen stärkeren Kampf gegen Wettbewerbsverzerrung durch staatliche Beihilfen – also China.

Der Schwerpunkt der neuen Strategie liegt aber auf „De-Karbonisierung“ und Digitalisierung. Hier kündigt die Kommission ein ganzes Maßnahmenpaket an.

So sollen energieintensive Industrien künftig klimafreundlicher produzieren. Der Verkehr soll „nachhaltig und smart“ werden. Außerdem will sich Brüssel um eine CO2-arme Energieversorgung und günstige Strompreise kümmern.

Wie das alles zusammenpasst, bleibt abzuwarten – denn eine Strategie ist noch kein Gesetz. Ähnlich wie beim „Green Deal“ und der Digitalstrategie sollen konkrete Maßnahmen in den nächsten Monaten nachgeliefert werden.

Erst dann dürfte sich zeigen, ob Brüssel nicht nur schöne Überschriften liefert, sondern auch entsprechend handelt…

Siehe auch “Große Worte, noch größere Krise”

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Watchlist

Was bleibt von der Videokonferenz, bei der die 27 EU-Chefs am Dienstag über die Coronavirus-Krise gesprochen haben? Das dürfte sich erst in den nächsten Tagen zeigen. Denn die offizielle Erklärung gibt nicht viel her. Man wolle den Kampf gegen das Virus besser koordinieren und alles tun, um die wirtschaftlichen Schäden zu begrenzen (“whatever it takes”). Außerdem sollen bis zu 25 Mrd. Euro mobilisiert werden. Doch das Geld wird von den EU-Strukturfonds abgezwackt. Und wann es wohin fließt, ist unklar. – Siehe auch “In der Coronavirus-Krise wächst Wut auf Merkel”

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