Noch ein Eigentor in China

Hat sich die EU-Vertretung in China “zensieren” lassen? Dies schreibt die “Süddeutsche” – und hat damit für einige Aufregung in Brüssel gesorgt. Die Affäre markiert ein neues Eigentor der EUDiplomaten.

Es geht um einen Gastbeitrag der 27 EU-Botschafter im Regierungsblatt “China Daily”. Die Führung in Peking stieß sich an der Aussage, das Coronavirus sei in China ausgebrochen. Nach einigem Hin und Her wurde diese Passage gestrichen.

Ein klarer Akt von Selbstzensur, heißt es nun in Brüssel. Der Auswärtige Dienst der EU habe vor dem kommunistischen Regime gekuscht. Nach dem Streit um die “Desinformation” aus China wäre dies schon der zweite Kniefall.

Doch ganz so einfach ist es wohl nicht. Denn der Gastbeitrag drehte sich gar nicht um COVID-19 – sondern um die bilateralen Beziehungen. Zum 45. Jahrestag diplomatischer Kontakte wollten die Botschafter diese Beziehungen würdigen – und wo möglich vertiefen.

Das ist ein wichtiges Anliegen. Denn auch wenn China von der EU neuerdings als “systemischer Rivale” betrachtet wird, so arbeitet man doch eng zusammen – beim Handel, beim Klimaschutz, und sogar beim Kampf gegen die Pandemie.

Das kommt in dem Beitrag (“EU-China ties vital amid global crisis”) auch zum Ausdruck. Die neuerdings politisch sehr aufgeheizte Frage, wo das Coronavirus seinen Ursprung nahm, war nur ein Nebenaspekt.

In diesem Fall würde ich daher Kommissionssprecher Mamer Recht geben, der auf die “besonderen Umstände” der Veröffentlichung hinweist – und auf die “komplexe Beziehung” zu China.

Ein Eigentor ist die ganze Angelegenheit trotzdem. Denn die erhoffte Wirkung – eine zumindest verbale Annäherung und Entspannung – geht nun im Geschrei über “chinesische Zensur” bzw. “europäische Selbstzensur” unter.

Und das nützt all jenen, die Sand ins Getriebe der Diplomatie streuen wollen – und die EU in Stellung gegen China bringen möchten…

Siehe auch “Eigentor bei “Fake News” aus China”

P.S.  China hat US-Außenminister Mike Pompeo der Lüge bezichtigt. Eine Sprecherin des Außenministeriums in Peking zeigt sich verwundert, dass Pompeo als Ausgangspunkt ein Labor in Wuhan ausgemacht habe, wo unter Wissenschaftler keine Einigkeit herrsche. Pompeo widerspreche sich selbst: “Der Grund, warum er sich selbst widerspricht, ist weil er immer eine Lüge erfindet um eine andere Lüge zu verbergen.” – Mich würde mal interessieren, was die EU-Botschafter zu Trumps und Pompeos Behauptungen sagen…