Die Zerreißprobe
Die Rezession bedroht den Zusammenhalt der EU, das Europaparlament will offene Grenzen, der Westbalkan soll dankbar sein: Die Watchlist EUropa vom 07.05.20.
Die Europäische Union steuert auf ihre bisher tiefste Rezession zu – und auf eine politische Zerreißprobe. „Europa erlebt einen ökonomischen Schock, wie es ihn seit der großen Depression nicht mehr gegeben hat“, sagte EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni.
Wegen der Coronakrise dürfte die Wirtschaftsleistung der 27 Mitgliedsländer in diesem Jahr um 7,5 Prozent einbrechen, sagt Gentiloni voraus. Das wäre deutlich mehr als in der Finanzkrise 2009 und könne zu Spannungen in der Eurozone führen, warnte der Italiener.
Der Corona-Schock erschüttert Europa nämlich nicht gleichmäßig. Am schlimmsten dürfte es Italien und Spanien treffen. Weil COVID-10 dort besonders hart zugeschlagen hat und der Lockdown länger dauert, soll die Wirtschaft in beiden Ländern um mehr als neun Prozent schrumpfen.
Deutschland steht mit minus 6,5 Prozent vergleichsweise gut da. Auch Polen kommt mit minus 4,3 Prozent glimpflich davon – genau wie Luxemburg, wo die Wirtschaft um 5,5 Prozent einbricht. Generell sieht es in Osteuropa besser aus als im Westen, und im Norden besser als im Süden.
„Diese Unterschiede sind eine Bedrohung für den gemein-samen Markt und die Eurozone“, sagte Gentiloni. Denn nicht nur der wirtschaftliche Absturz verläuft unterschiedlich. Auch die für 2021 erwartete konjunkturelle Erholung ist ungleich verteilt.
Während Deutschland die Verluste im kommenden Jahr fast wieder ausgleichen dürfte (plus 5,9 Prozent), fallen Italien, Spanien und Frankreich zurück. Hier schlägt der Tourismus zu Buche – wegen der Grenzschliessungen und Flugverbote droht eine verlorene Urlaubssaison.
Auch die Niederlande dürften sich nicht so schnell wieder erholen, da sie stark vom Welthandel abhängig sind. Dabei ist Den Haag bisher – neben Paris – der wichtigste Partner Deutschlands in der Eurozone.
Spannungen in der Eurozone
Wenn nun Frankreich und Holland als Zugpferde ausfallen und Italien und Spanien noch mehr Schulden anhäufen, könnte dies zu massiven Spannungen in der Eurozone führen.
Auch der Binnenmarkt ist gefährdet. Der Wettbewerb auf dem EU-Marktplatz wird durch staatliche Beihilfen und Rettungsprogramme immer mehr verzerrt. Während Deutschland ein Programm nach dem anderen auflegt, können die anderen EU-Länder nicht mithalten.
Schon jetzt entfielen mehr als 50 Prozent aller gemeldeten Beihilfen auf das größte EU-Land, heißt es in Brüssel. Zudem starten die großen deutschen Unternehmen schon wieder durch, während die Wirtschaft in Südeuropa, aber auch in Großbritannien, noch am Boden liegt…
Siehe auch „So rechnet Gentiloni den Corona-Schock schön“
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Watchlist
Wann gehen die Schengen-Grenzen wieder auf, und was wird aus der Asylpolitik? Darüber debattiert am Donnerstag das Europaparlament. Die Abgeordneten wollen ein Ende der Grenzschließungen fordern, vor allem von Deutschland. Denn mittlerweile hat sich das „Infektions-Geschehen“ in Frankreich oder Österreich an deutsche Verhältnisse angenähert. – Mehr hier
Was fehlt
Der Eiertanz um den Westbalkan. Bei einem Videogipfel hat die EU einerseits neue Hilfen zugesagt, andererseits aber einen schnellen Beitritt ausgeschlossen. Zugleich setzte es eine Rüge – Serbien und andere Balkanländr hätten sich nicht ordentlich für EU-Unterstützung in der Coronakrise bedankt, sondern China und Russland gehuldigt… Siehe auch „Der Balkan und die Glaubwürdigkeit„
Das Letzte
Die „Lockerung“ in Belgien nimmt surreale Züge an. Nun hat die Regierung in Brüssel erlaubt, dass sich Familien und Freunde wiedersehen – aber erst ab Sonntag und auch nur vier Personen. Und diese vier müssen immer dieselben sein, nicht 4+4+4 etc. Nun stehen die Belgier vor der schweren Wahl, wem sie den Vorzug geben – dem Opa oder der Schwiegermutter… – Mehr hier
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Claus Hiller
7. Mai 2020 @ 10:56
Ich halte den von Paolo Gentiloni prognostizierten Einbruch der Wirtschaftsleistung, besonders für Deutschland mit minus 6,5%, für zu optimistisch. Die Automobilindustrie und ihre Zulieferer werden im Krisenmodus bleiben, da sind viele gutbezahlte Jobs mit Kaufkraft auf Dauer perdu. Für das Thema E-Mobilität kommt trotz Planwirtschaft und Staatsknete keine Freude auf, die Leute erkennen zunehmend, dass dieser Irrweg, den es ohne die EU-Ideologie garnicht gäbe, floppt und nur noch versucht wird, sich möglichst unter Gesichtswahrung daraus zu verabschieden. Die einen haben kein Geld für derartige Späße, und die, die Geld in der Tasche haben, warten bis demnächst die Lager geräumt werden und der große KfZ-Ausverkauf beginnt. Am Kfz-Thema hängen Maschinenbau und Industrierobotik als weitere Schlüsselbereiche. Auch Mobilität, Reisen und Freizeit werden nicht mehr wie früher sein. Ein Einbruch der Wirtschaftsleistung um bis zu 10% in 2020 dürfte realistischer sein.
Aber halten wir uns zunächst mal an Herrn Altmeier vom 19. März: „Kein Arbeitsplatz muss wegen Corona verloren gehen.“ Nun denn.
Holly01
7. Mai 2020 @ 08:58
Die Euro-Länder erinnern sich eben an 1992, als der europäische Wechselkurs System zusammen gebrochen ist, weil die Deutsche Bundesbank verkündet hat, dieses System nicht mehr zu verteidigen.
In der Folge hat eine „Investoren“-Gruppe unter der Führung eines gewissen Hr.Soros, das britische Pfund angegriffen und zum Austritt aus dem Wechselkurssystem gezwungen.
Das deutsche Verhalten hat da gewissen Wiederholungscharakter………..
Deutsche Bank, das sind die wo der Chef von dem Laden, den Amis garantiert hat, die Goldreserven in den USA zu belassen. Eine Zusage die die USA bis heute als bindend betrachten…..
vlg