Am Europatag bleiben die Grenzen dicht

Der Ruf nach einem Ende der Grenzkontrollen und Reisebeschränkungen wird immer lauter. Doch Innenminister Seehofer kümmert das nicht. Er hält die Grenzen dicht – sogar am Europatag. Auch die EU-Kommission setzt auf Abschottung.

“Ein Highlight der diesjährigen Europawoche ist der virtuelle Europatag am 9. Mai.” So verkündet es die Bundesregierung stolz auf ihrer Website. Unter dem Motto “Europa lebt Solidarität” finden Diskussionen über Prioritäten der EU in und nach der Corona-Pandemie statt, heißt es da.

Offene Grenzen sind offenbar keine Priorität Deutschlands in der EU. Denn Bundesinnenminister Seehofer hat klargestellt, dass er die Grenzen dichthalten will. “Europa lebt Solidarität?” – Nicht mit diesem CSU-Politiker, und auch nicht mit dieser Bundeskanzerin Merkel.

Zur Begründung verweist Berlin auf die Erfolge im Kampf gegen das Coronavirus. Sie seien auch auf die Grenzschließungen zurückzuführen, heißt es. Doch das kann nicht überzeugen. Denn die Grenze zu Belgien war nie zu – dabei ist das Land ein Corona-Hotspot. Ein Problem war das nie.

Als die Schotten im März dicht gemacht wurden, wurde dies vor allem mit Shopping-Tourismus etwa aus Frankreich begründet. Doch nun machen die Geschäfte wieder auf – auch dieses Argument zieht nun nicht mehr. Und die Infektionsraten haben sich ohnehin angeglichen.

“Schluss mit Gitterzäunen und Schlagbäumen”

Seehofer schafft es nicht einmal, seine eigenen Parteifreunde zu überzeugen. Zwölf Bundestags- und Europaabgeordnete der Union forderten ihn zu einem sofortigen Ende der Kontrollen auf: “Nach über sieben Wochen muss Schluss sein mit Gitterzäunen und Schlagbäumen im Herzen Europas.”

Doch der Innenminister bleibt hart. Er will die Kontrollen zunächst bis 15. Mai fortsetzen. Von EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen muß er keinen Widerstand erwarten: Die CDU-Politikerin hält sich vornehm aus der Debatte heraus, sie hat den 15. Mai schon “eingepreist”.

Dabei wäre es ihr Job, Seehofer Beine zu machen – und auf eine Öffnung aller Binnengrenzen im Schengen-Raum zu drängen…

Siehe auch “Deutsches Recht über alles?” und “Der vergessene Europatag”

P.S. Nun hat auch Frankreich angekündigt, die Grenzen bis zum 15. Mai dicht zu halten – mindestens. Immerhin müssen Bürger aus den Schengen-Ländern bei der Einreise nicht zwei Wochen in Quarantäne, wie in Deutschland… – Siehe auch “Deutschland sperrt Deutsche aus”

P.P.S Auch die EU-Kommission setzt auf Abschottung: Sie will den Einreisestopp nach Europa bis 15. Juni verlängern. Ursprünglich sollte dieser Reisebann die Binnngrenzen im Schengenraum überflüssig machen. Davon ist nun keine Rede mehr…

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Watchlist

Sprengt die Coronakrise den Binnenmarkt und die Währungsunion? Das ist wohl das wichtigste Thema, wenn sich die Euro-Finanzminister am Freitag per Videokonferenz beraten. Am Mittwoch hatte die EU-Kommisison die größte Rezession der Geschichte prognostiziert, zugleich aber ein neues Hilfspaket auf die lange Bank geschoben. Nun müssen die Minister gegensteuern – aber wie? – Mehr hier

Was fehlt

Die neue Weltunordnung. Die Corona-Pandemie habe der multilateralen Ordnung den Rest gegeben und eine neue “multipolare Unordnung” geschaffen, sagte der EU-Außenbeauftragte Borrell. Das sei gefährlich, berge aber auch Chancen für die EU – wenn sie einig auftrete. Zunächst müssen die Europäer aber ihr Verhältnis zu China klären, scheint mir nach dem jüngsten Eigentor…

Das Letzte

Auf “Sophia” folgt “Irini”: Die EU hat ihre neue Marinemission zur Überwachung des Waffenembargos gegen Libyen gestartet. Anders als bei “Sophia” soll es diesmal nur um Waffenschmugel gehen, und nicht um die Rettung von Flüchtlingen. Dummerweise kommt “Irini” aber viel zu spät: Die Waffen sind längst da, in Libyen tobt ein neuer Stellvertreterkrieg. Die Berliner Libyen-Konferenz hat daran nichts geändert…


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