Nichts für Italien
Wer kurz nach der Regierungsbildung in Rom ein EU-Reformprogramm vorstellt, sollte auch Antworten auf die Krise in Italien parat haben. Doch Kanzlerin Merkel präsentiert – nichts.
„In den heutigen unsicheren Zeiten muss Europa zu jedem Zeitpunkt handlungsfähig sein.“ Das sagte Merkel der „FAS“. Wen sie damit wohl meinte? Den neuen Wackelkandidaten Italien offenbar nicht.
Obwohl das Land mit dem zweigrößten Schuldenberg der Eurozone auf Konfliktkurs mit Brüssel und den „deutschen Regeln“ für den Euro gehen will, präsentiert Merkel keine Lösung für die nächste Krise.
Am deutschen Fiskalpakt wird ebenso wenig gerüttelt wie an den Maastricht-Kriterien. Der Euro-Rettungsfonds ESM soll zwar zum Währungsfonds aufgerüstet werden – doch von mehr Geld ist auch keine Rede.
Da Merkel keine Aufstockung vorschlägt, wäre der ESM wohl auch künftig nicht in der Lage, eine (hypothetische) finanzielle Schieflage in Italien aufzufangen.
Selbst vorbeugende Hilfen sollen an strikte Reformauflagen gebunden werden – ein rotes Tuch für die Lega und die Fünf-Sterne-Bewegung in Rom.
Auch der Merkel’sche „Investiv-Haushalt“ verspricht keine Hilfe für Italien. Dafür ist er nämlich viel zu klein. Und neu ist er auch nicht – die Kanzlerin hat ihn schon einmal 2012 vorgeschlagen.
Ihre „Reformideen“ antworten also nicht auf die Krise des Jahres 2018. Sie bieten wenig für Frankreichs Macron, nichts für Italien, und schon gar nichts für Griechenland, das im August den Rettungsschirm verlassen soll.
Anders gesagt: Sie stehen nicht für den versprochenen „Aufbruch für Europa“, sondern für ein entschiedenes „Weiter so!“…
Siehe auch „EUropa schützt“ – nicht in Italien
Peter Nemschak
5. Juni 2018 @ 10:28
Merkel ist, wie Sie ausführen, ohne Vision und Esprit…..Und das ist gut so, wie Sie schreiben. Sie kennt das Wirken der gesellschaftlichen und politischen Kräfte nur allzu gut. Ihre Ruhe und Gelassenheit zeigt, dass Frauen Männern ebenbürtig sind. Welche Visionen schweben Ihnen für unsere von Abstiegs- und kulturellen Identitätsängsten getriebene hedonistische Gesellschaft vor ? Hinsichtlich Italien stimme ich Ihnen voll zu. Korrupten Gesellschaften, die sich nicht selbst aus dem Dreck ziehen können, ist von außen nicht zu helfen. EU-Paternalismus wäre falsch am Platz. Der gesellschaftliche Leidensdruck innerhalb Italiens muss weiter steigen, bevor ein Wandel, ob mit oder ohne Gewalt, zu erwarten ist.
Solveig Weise
5. Juni 2018 @ 07:50
Lassen wir die letzten Wochen in Italien noch einmal Revue passieren. Nach der Wahl Anfang März und langer schwieriger Regierungsbildung bilden die Fünf Sterne zusammen mit der rassistischen Lega, in der man auch gerne mal über Rassentrennung in öffentlichen Verkehrsmitteln diskutiert, eine Regierung.
Was planen nun die beiden Lichtgestalten Salvini und Di Maio zur Lösung der italienischen Krise?
Die größte Steuersenkung für Millionäre in der Geschichte des Landes auf 20% sowie die Reduktion des Renteneintrittsalters im Land mit der schlechtesten Demographie Europas. Man kann diese Politik durchaus als autoaggressiv bezeichnen.
Wieso? Weil dann das Geld fehlt um in Bildung Forschung und Innovation zu investieren. Einfache Rechnung. Und da kommt dann natürlich das bei den beiden Protagonisten in Rom verhasste Europa ins Spiel. Da diese Politik relativ schnell dazu führen kann und wird, dass die Refinanzierung der Schulden nicht mehr zu langfristig tragbaren Konditionen gelingt soll also der ESM aufgestockt werden oder „vorbeugende Hilfen“ ohne Auflagen vergeben werden und die Gelder für die nötigen Investitionen dann natürlich aus Brüssel kommen (wie es der Autor dieses Artikels wohl vorschlagen würde).
Und jetzt überlegen wir uns einmal wie diese Ideen bei Ländern wie den Niederlanden, Österreich, Finnland oder den, im Vergleich mit Italien, viel ärmeren Staaten wie Estland, Lettland, Litauen, Portugal oder der Slowakei ankommen würden.
Die finanziell beschränkte Handlungsfähigkeit des italienischen Staates trifft auf einen immensen privaten Reichtum im Land. Diese Tatsache in Kombination mit einer Steuermoral, die in weiten Teilen des Landes nicht existent ist, zeigt auf was zu tun ist. Italien ist eines der reichsten Länder der Welt und sehr wohl in der Lage seine Probleme selbst zu lösen. Dies wird aber sicher nicht gelingen indem man ein Steuerregime aufsetzt, dass Berlusconis Medienimperium die Steuerlast drittelt und sich dann bitter beklagt wieso denn so wenig Geld für Investitionen vorhanden ist.
Merkel ist eine Politikerin ohne Vision und Esprit, deren Zeit sich dem Ende zuneigt. Was die Dame hier vorgelegt hat ist aus Sicht Macrons natürlich viel zu wenig aber selbst diesen „Minimalkonsens“ werden die Niederlande im Verbund mit Österreich und den Balten und Finnen nicht akzeptieren. Und das ist gut so.
Dixie Chique
5. Juni 2018 @ 10:58
Deutschland, „die Niederlande im Verbund mit Österreich und den Balten und Finnen“, und noch einige mehr, darunter Macron mit seinem Billionaire’s Club, haben schon im Umgang mit Griechenland ihren zutiefst reaktionären undemokratischen Ungeist, ihr verwahrlostes Menschenbild und ihre skurrilen ökonomischen Fehlideologien offenbart. Diese Länder sind in demokratischen Belangen seitdem komplett diskreditiert und beileibe keine Vorbilder oder gar Zugpferde für ein zukunftsgerichtetes Europa.
Forza Beppe! Merkel Fankulen!
Winston
5. Juni 2018 @ 13:44
Italien braucht das Geld Deutschland, Niederlande, Österreich, Finnlands nicht. Italien wird das machen was alle machen wenn sie in einer Depression sind, nämlich pro-Zyklische Wirtschaftsmassnahmen durchführen ob das Deutschland, den Niederlanden oder Österreich passt oder nicht. Merkels Reformen haben auf ganzer linie versagt und Italien ist nicht Griechenland.
Italien ist übrigens immer noch netto-Zahler und muss sich von den Balten nix sagen lassen.