Neues vom Wirtschaftskrieg (224): Mehr Flüssiggas aus Russland
Die EU bereitet eigene Sanktionen gegen die Putschisten im Niger vor. Hilfsorganisationen protestieren scharf gegen die bereits verhängten ECOWAS-Sanktionen. Und die EU importiert mehr Flüssiggas aus Russland.
- EU importiert mehr Flüssiggas aus Russland. The EU is set to import record volumes of liquefied natural gas from Russia this year, despite aiming for the bloc to wean itself off Russian fossil fuels by 2027. In the first seven months of this year, Belgium and Spain were the second and third-biggest buyers of Russian LNG behind China, according to analysis of industry data by Global Witness, a nongovernment organisation. Overall, EU imports of the super-chilled gas were up 40 per cent between January and July this year compared with the same period in 2021, before Russia’s full-scale invasion of Ukraine. The jump comes from a low base as the EU did not import significant amounts of LNG before the war in Ukraine due to its reliance on piped gas from Russia. But the rise is much sharper than the global average increase in imports of Russian LNG, which was 6 per cent over the same period, Global Witness said. (Financial Times) Anspruch und Wirklichkeit klaffen weit auseinander…
- Hilfsorganisationen protestieren scharf gegen die ECOWAS-Sanktionen gegen Niger. Die westafrikanische Regionalorganisation ECOWAS hat unter deutsch-europäischem Beifall scharfe Sanktionen verhängt, um die Putschisten in Niamey zur Aufgabe zu zwingen. Seither stecken Dutzende Container des UN-Kinderhilfswerks UNICEF mit dringend benötigten Medikamenten an der Grenze zu Niger fest; das UN-Welternährungsprogramm WFP klagt, es könne rund 6.000 Tonnen Lebensmittel nicht ins Land bringen. In Niger leiden schon heute fast 20 Prozent der Bevölkerung an Unterernährung. (German Foreign Policy)
- Die EU bereitet eigene Sanktionen gegen die Putschisten im westafrikanischen Niger vor. Man werde versuchen, die gleiche Art von Strafmaßnahmen zu verhängen, die die westafrikanische Staatengemeinschaft Ecowas beschlossen habe, erklärte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell am Mittwoch nach einem Verteidigungsministertreffen im spanischen Toledo. Die Vorbereitungen dafür liefen bereits. Bei einem Außenministertreffen an diesem Donnerstag sollten sie weiter vorangetrieben werden. Insbesondere Deutschland und Frankreich hatten im Vorfeld der EU-Treffen für Sanktionen geworben. (dpa) Diese Sanktionen treffen die Ärmsten der Armen, die jetzt schon leiden (siehe oben). Doch wenn es um “europäische Werte” geht, kennt die EU offenbar kein Mitleid….
Mehr zum Wirtschaftskrieg hier
KK
31. August 2023 @ 12:42
@ european:
“Nie WiederAuschwitz Joschka Fischer …”
Mein Wunsch: Nie wieder bigotte Heuchelei! Nie wieder Kriegstreiberei! Nie wieder Selbstaufgabe im Dienste Washingtons!
Also: Nie wieder GRÜN!
Thomas Damrau
31. August 2023 @ 16:45
@European und KK
Bei Fischer bedarf es – wie bei allen Ex-PolitikerInnen, die sich als BeraterIn andienen – einer Netzwerkanalyse.
Als Fischer 2005 sein Ministeramt verlor, wollte er es sich anfangs als Hinterbänkler im Bundestag gemütlich machen. Das war ihm bald zu langweilig und er begann eine Karriere als Berater und Lobbyist ( https://de.wikipedia.org/wiki/Joschka_Fischer#T%C3%A4tigkeit_als_Berater_und_Lobbyist_nach_der_politischen_Karriere ).
Fischers eigene Consulting-Firma ( https://jfandc.de/das-machen-wir ) klingt in der Selbst-Beschreibung relativ harmlos, aber Fischer ist natürlich immer noch mit seiner alten Freundin Albright verbandelt ( als einziger Partner gelistet https://jfandc.de/das-macht-uns-aus#partner ). Albrights Firma dreht schon ein größeres Rad ( https://www.albrightstonebridge.com/global-reach ) und kommentiert das Thema NATO-Strategie (Beispiel https://www.albrightstonebridge.com/files/DGA-ASG%20Analysis%20-%20Vilnius%20NATO%20Summit.pdf ).
Die Älteren unter uns werden sich erinnern: Der Kosovo-Krieg war eine Co-Produktion zwischen Albright ( https://de.wikipedia.org/wiki/Kosovokrieg#%E2%80%9EMadeleines_Krieg%E2%80%9C ) und Fischer ( https://de.wikipedia.org/wiki/Kosovokrieg#Kritik_des_Auschwitz-Vergleichs_Joschka_Fischers ).
Fischer wird von Albright als Berater geführt ( https://www.albrightstonebridge.com/team/joschka-fischer ) – was die deutsche Wikipedia nicht erwähnt.
Natürlich mischt Fischer auch beim ECFR ( https://ecfr.eu/ ) mit, dessen Finanzierung ( https://de.wikipedia.org/wiki/European_Council_on_Foreign_Relations#Finanzierung ) ich immer noch nicht ganz durchschaue. In jedem Fall ist das ECFR keine Graswurzel-NGO, sondern ein Think-Tank hinter dem Big-Money steckt und der sich in den letzten Monaten als Scharfmacher in der Ukraine-Frage hervorgetan hat. Aber das war auch nicht anders zu erwarten: https://de.wikipedia.org/wiki/European_Council_on_Foreign_Relations#Kritik .
Langer Rede kurzer Sinn: Wir werden im Augenblick mit den Meinungen von allerlei “ExpertInnen” – bekannten und weniger bekannten) geflutet, deren Geldgeber meist nicht genannt werden. Dabei wäre es für die Leser-, Zuhörer- und Zuseher-Innen schon interessant zu wissen, von wessen finanzieller Zuwendung der Job der Fachfrau / des Fachmanns abhängt, um abschätzen zu können, wie objektiv die Person überhaupt sein kann. Siehe auch: https://redfirefrog.wordpress.com/2023/04/28/des-lied-ich-sing/
Da finde ich übrigens Sportler vorbildlich: Bei SportlerInnen stehen die Logos der Sponsoren auf dem Trikot – nachahmenswert.
ebo
31. August 2023 @ 17:29
Bin heute zufällig darauf gestoßen, dass der ECFR viele Sponsoren hat, darunter auch die Soros-Stiftung “Open Society Foundation”
Helmut Höft
31. August 2023 @ 20:00
@ Thomas Damrau
Saubere Arbeit, vielen Dank! Der Kaiser würde sagen: „Ausspreche Anerkennung“! und „Lob, Lob, Lob“!
Jaja, das beliebte Netzwörking, oder wie man hier im Rheinland sagt: „Merr kennt sich, merr hilft sich“!
Btw.: Der Tipp mit den Logos ist geradezu … äh … brilliant!
KK
31. August 2023 @ 12:39
@ Armin Christ:
“Den Menschen im Niger geht es sowieso schon verdammt schlecht dank der jahrzehntelangen westlichen Fürsorge (Kolonialismus und Neokolonialismus) und nun sollen sie von den westlichen Vasallen von ECOWAS und dem Westen noch mehr ausgehungert werden ?”
Da stelle ich mir unweigerlich die Frage, wann und womit ein GENOZID denn anfängt… die Sanktionen jedenfalls sind mE ein “guter” Anfang, ganz im Sinne westlicher “Werte”.
Stef
31. August 2023 @ 09:17
Die “Erfolge” das Sanktionitis waren nicht gering, sie waren extrem negativ, wie man gerade am Thema Gas sieht. Insbesondere für die Grünen ist dies eine Bestätigung des kompletten Versagens:
Unabhängigkeit von russischem Gas: Fehlanzeige
Unabhängigkeit von fossilen Brennstoffen: Fehlanzeige
Nachhaltige Energieversorgung: Fehlanzeige
Klimaschonende Energieversorgung: Fehlanzeige
Versorgungssicherheit: Fehlanzeige
Kosteneffiziente Energieversorgung: Fehlanzeige
Sozial verträgliche Energieversorgung: Fehlanzeige
Industrieverträgliche Energieversorgung: Fehlanzeige
Kollaps der russischen Wirtschaft: Fehlanzeige
Diplomatische Erfolge: Fehlanzeige
Den ukrainischen Bürgern irgendwie damit geholfen: Fehlanzeige
Und haben wir dafür wenigstens Erfolge im Krieg? Ebenfalls Fehlanzeige
Spätestens jetzt kann man einfach nicht mehr darüber hinwegsehen, dass die Sanktionen von vornherein so konzipiert waren, den maximalen Schaden in Zentraleuropa und Deutschland anzurichten und Europa strategisch von russischen Rohstoffen trennen. Nicht das das schon genügen würde, auch noch hält sich Deutschland und teilweise Europa wie der Klassenstreber auf Punkt und Komma an die Sanktionen, während andere Teile der Welt (zuallererst die USA) das wesentlich entspannter sehen. Kein Wunder, ging es ja bei den Sanktionen zuallererst um die Schädigung Europas. Sie waren doch gar nicht für die USA gemeint…
Misst man den Erfolg der Bundesregierung an ihren Zielen, müsste sie geschlossen zurücktreten. Aber die Grünen, als die militantesten Verfechter dieser Selbstmordpolitik, müssten inzwischen pulversisiert sein. Dies ist erkennbar nicht der Fall. Offensichtlich gibt es noch zu viel Potenzial, sich selbst und die Wähler hinter die Fichte zu führen. Das wird im schlechtesten Fall noch Jahre dauern und gibt dann einen umso härteren Aufschlag.
Mein Benchmark für eine politische Trendwende ist folgender: Besserung wird erst kommen, wenn sich die Bundesregierung wieder aktiv um russisches Pipelinegas bemüht. Durchaus möglich, dass die Russen dann schon nichts mehr von Deutschland wissen wollen. Aber dann ist zumindest soviel Ehrlichkeit und Realismus in die politische Debatte zurückgekehrt, dass man darauf etwas aufbauen kann, das nicht bei erster Gelegenheit kollabiert.
Und rein vorsorglich @Kleopatra: Ja, wir kaufen auch Gas von Kriegsverbrechern und völkerrechtswidrigen Invasoren, siehe USA, Aserbaidschan und Saudi-Arabien.
european
31. August 2023 @ 10:41
@Stef
Volle Zustimmung.
Interessant war die WELT heute morgen. Nie WiederAuschwitz Joschka Fischer (Gruen) plaediert in einem Vortrag fuer mehr Geld fuer die Aufruestung der Bundeswehr und gross angelegte Investitionen in Deutschland und Ignoranz der Schuldenbremse. Er bemueht Putin’s angebliche Grossmachtsphantasien. Der Frieden in Europa sei eine Illusion gewesen. Der Ukrainekrieg wuerde das bestaetigen.
Und wieder einmal wird die Vorgeschichte des Krieges voellig ausgeblendet. Ebenso wie die persoenlichen Verstrickungen der Biden-Familie und deren ureigenes Interesse an diesem Krieg.
Gleichzeitig plaediert Kretschmer (CDU) fuer mehr Diplomatie, Kooperation mit Russland und dafuer, die pipelines zu reparieren.
Man reibt sich die Augen.
Armin Christ
31. August 2023 @ 08:32
Den Menschen im Niger geht es sowieso schon verdammt schlecht dank der jahrzehntelangen westlichen Fürsorge (Kolonialismus und Neokolonialismus) und nun sollen sie von den westlichen Vasallen von ECOWAS und dem Westen noch mehr ausgehungert werden ?
Die Leute brauchen ESSEN und da ist „westliche Demokratie“ zweitrangig.
„westliche Werte“ ? das will doch in der Welt kaum noch jemand hören; schon gar nicht von einer Analena Bigotta Doppelmoralika Baerbock und Co.
Thomas Damrau
31. August 2023 @ 06:19
Es lebe die Sanktionitis – auch wenn die Erfolge in der Vergangenheit eher gering waren.
Die Grundannahme „wenn wir den Stecker ziehen, gehen die Lichter aus“, hat sich in vielen Fällen als falsch erwiesen: Es gibt noch andere Steckdosen (um im Bild zu bleiben). Und gerade für den augenblicklichen strategischen Brennpunkt Westafrika werden sich schnell andere Stromversorger finden.
Wirtschaftliche Verflechtungen sind Kommunikationskanäle, über die man mit anderen Ländern im Gespräch bleibt. Wer diesen Kanal kappt, muss sich nicht wundern, wenn er an Einfluss verliert.