Mietmisere wird (k)ein Wahlkampf-Thema
Die Mietmisere erreicht endlich auch die EU-Politik. Allerdings nicht über die Spitzenkandidaten für die Europawahl – die haben die Krise verschlafen. Sondern über eine Europäische Bürgerinitiative. Sie will sich sogar mit dem Maastricht-Vertrag anlegen.
Unter dem Titel „Housing for All“ sollen in den nächsten Monaten in allen EU-Staaten Unterschriften gesammelt werden, meldet die “taz”. Kommen bis zum 18. März 2020 mehr als eine Million Unterzeichner zusammen, müssen sich die Europäische Kommission und das Europaparlament mit den Forderungen befassen.
Der 18. März 2020 ist allerdings weit nach der Europawahl, die ja bekanntlich Ende Mai stattfindet. Selbst wenn die Initiative erfolgreich endet, kommt sie also zu spät, um noch in die Wahlprogramme oder in das Arbeitsprogramm der nächsten EU-Kommission einzugehen. EVP-Spitzenkandidat Manfred Weber hat die Mietmisere bei einer Debatte in Brüssel heute nicht einmal erwähnt.
Dabei sind die Forderungen brisant. So sollen Investitionen in den sozialen Wohnungsbau künftig von der Anrechnung der Schuldenquote gemäß der Maastricht-Kriterien ausgenommen werden. Die Besteuerung von Ferienwohnungskonzernen wie “Airbnb” soll so verbessert werden, dass sie keinen Wettbewerbsvorteil gegenüber Hotels mehr haben.
Mit einem Kommissionschef Weber wäre das sicher nicht zu machen: Bei der Debatte im wirtschaftspolitischen Thinktank “Bruegel” bekannte er sich mehrfach zu den Maastricht-Kriterien und zum Schuldenabbau. Streng genommen ist das auch schon das ganze Wirtschafts-Programm des CSU-Politikers, sieht man einmal vom Ausbau des Binnenmarkts ab.
Das dieser Binnenmarkt im Bereich des Wohnungsbaus schon lange nicht mehr funktioniert, haben Weber & Co. offenbar nicht erkannt…
Siehe auch “Merkel läßt Weber hängen” sowie die Sonderseite zur Europawahl
Claus
11. April 2019 @ 09:05
Ich lese: „Das dieser Binnenmarkt im Bereich des Wohnungsbaus schon lange nicht mehr funktioniert, haben Weber & Co. offenbar nicht erkannt…“
Ich denke schon, dass Weber und Co. wie auch die Leute des rotgrünen Spektrums, die man jetzt „Enteignung“ schreien hört, die Hintergründe kennen, aber diese, weil politisch nicht korrekt, lieber ausblenden, wie dies auch seitens der Systemmedien zu beobachten ist.
Ein Blick auf die Verhältnisse in Deutschland:
1) Mietpreise werden bestimmt durch Angebot und Nachfrage.
2) Neubau von ca. 300.000 Wohnungen pro Jahr. Derzeit akute Bedarfserhöhung zur Unterbringung der seit 2015 zugewanderten ca. 1.5 – 2,0 Mio. Migranten (genaue Zahl unbekannt), die in nicht unerheblichem Maß auch durch Familienzusammenführung weitergeht.
3) Durch Draghi’s Nullzinspolitik zur Rettung von „Wasauchimmer“ sind Renditen nur noch in Aktien und Immobilien zu erzielen, südeuropäisches Euro-Fluchtgeld kauft komplette Straßenzüge in Großstädten auf, die Vorstände der Unternehmen, die die Tausende von den Kommunen zwecks Haushaltskosmetik verscherbelten Wohnungen gekauft haben, wollen auch ein paar Milliönchen Gehalt pro Jahr, und irrwitzige Bau- und Dämmvorschriften der Hysteriker des menschenverschuldeten Klimas treiben Bau- und Mietpreise weiter in die Höhe.
4) Und nicht zuletzt: Im Vergleich anderer EU-Länder hat Deutschland den geringsten Anteil an Wohnungseigentümern und höchsten an Mietern, und dieses Thema könnte man jetzt weiterspinnen hinsichtlich fehlgeleiteter Fördermaßnahmen oder auch des deutlichen Verlustes an realer Kaufkraft seit Einführung des Euros, der am meisten die trifft, die ohnehin am Monatsende nicht viel übrighaben, und die sich kein Wohnungseigentum mehr werden leisten können.
Also: Auf die Straße, und „HALTET DEN DIEB!“
ebo
11. April 2019 @ 10:14
Na ja, schauen Sie sich mal in London oder Paris um, da ist die Lage auch nicht besser. Da gibt es zwar mehr Eigentümer, aber die Preise sind auch explodiert. Eine plausible Erklärung ist in der Tat, dass die Zinsen so niedrig sind. Eine andere, dass zu wenig investiert wird. Und genau da setzt die Bürgerinitiative ja an.
Holly01
11. April 2019 @ 11:30
Die shareholder haben den Wohnmarkt einkassiert.
Das war eine Bewegung die über Jahrzehnte ging.
Erst hat man vermieten unattraktiv gemacht.
Dann hat man das ganze gesammelt und geparkt (meist bei öffentlichen Trägern).
Danach hat man es den Trägern abgekauft und zusammen geführt.
Jetzt wird wieder Rendite gemacht.
Jahrzehnte lang hat man von Betongold erzählt und die öffentliche Förderung systematisch gesenkt.
Genau genommen war es ein Programm zur Privatisierung. Denn die Banken haben auch 120% Finanzierungen raus gehauen. Also konnte bauen oder kaufen, wer auch immer es sich zugetraut hat.
Schade, dass die Banken meinten sie wären die Rendite Könige und die Industrie die Löhne seit den 1990ern (Inflations- und Kaufkraftbereinigt) stagnieren.
Stagnation bedeutet bei der Umverteilung zu den höheren und hohen Einkommen, dass 70% der Menschen von der Möglichkeit Eigentum zu bilden ausgeschlossen wurden.
Ja die konnten kaufen oder bauen, das wurde finanziert. Aber die konnten das nicht halten. Da haben die Banken dann doppelt kassiert. Restschulden und Neuerwerber.
Da hat die Politik schön weggeguckt.
Jetzt wo der Anlagenotstand erdrückend ist, jetzt wo alle Alles zu fast jedem Preis kaufen, um aus dem Giralgeld raus zu kommen. Da ist auf einmal das “Hallo” groß.
natürlich kaufen deutsche Anlegen nicht direkt. Das wäre ja dumm.
Gentrifizierung ist aggressiv und erzeugt Gegenbewegungen.
Nein, die spielen über die US Bande.
Kein deutscher Politiker enteignet eine Gesellschaft wo US Geld drin steckt.
Sackgasse.
Und das hat sich über Jahrzehnte aufgebaut.
Diese Energieausweise für Häuser machen quasi alle Häuser aus dem Bestand zu Bauruinen.
Vererben und selbst nutzen ok.
Verkaufen? Ja aber nicht mit den Werten. Da kommen Preise zu Stande, die liegen knapp über dem Wert für das erschlossene (leere) Grundstück.
Egal, die präkariatisierte Jugend wird ein haus sowieso nicht halten können, von sanieren ganz zu schweigen.
Das kommt also alles auf den Markt.
Das ist alles durch Gesetze so gelenkt worden.
Das sind keine Naturgewalten.
Das ist politischer Willen, der zu einer Realität gegossen wurde und nun haben wir dieses “Kunstwerk”.
Die Grünen waren da übrigens immer ganz vorne mit dabei.
Die Bestandsimmobilien sollen nach deren Meinung alle 20-30 jahre kernsaniert werden.
Das schafft Werte, beschäftigt und ermögliche eine ökologische “Entwicklung”.
Schade das diese Herrschaften nicht für Einkommen sorgen, die es der masse der Besitzer ermöglich dem nach zu kommen.
Nun ja.
Die Mieten sorgen jedenfalls dafür, das Eigentum auf lange Sicht wieder günstiger ist, als Mieter zu bleiben.
Zumindest diese Relation wird wieder zurecht gerückt.
Eigentum ist wieder Altersvorsorge.
Warum spricht eigentlich niemand von der Enteignung durch Pflegebedürftigkeit?
In dieser Enteignungsindustrie werden jedes Jahr Milliarden umgesetzt.
Komisch. Enteignung von Schwachen ist nicht amoralisch.
warum ist Enteignung von shareholdern eigentlich nicht moralisch ok?
vlg
Peter Nemschak
10. April 2019 @ 16:34
Die EU ist dafür nicht die richtige Entscheidungsebene: mehr kommunaler und gemeinnütziger Wohnbau in Kombination mit intelligenter Flächenwidmung wäre sinnvoll. Die Probleme sind letztlich national oder kommunal anzugehen, auch wenn viele EU-Mitglieder unter ihnen leiden.
Baer
10. April 2019 @ 10:04
Die Politik sollte sich komplett aus wirtschaftlichen Angelegenheiten heraushalten,denn es führt nur zur Verschwendung von Steuergeldern und Spaltung der Gesellschaft.
BER, Stuttgart 21 ,Elbphilharmonie etc.
Wer glaubt, dass Sanktionen,oder Subventionen die freien Marktkräfte ersetzen können,hat die ökonomischen Grundsätze nicht verstanden.
Frau Merkel müsste es doch aus 40 Jahren DDR doch bestens wissen, aber sie verfolgt diese Politik mit einer Konsequenz ,die erschüttert.
Aber niemand unternimmt etwas dagegen,dass gäbe es schon einmal,und am Ende hat keiner etwas gewusst.
Es wird Zeit diesem gesetzeswidrigen Tr eiben ein Ende zu bereiten.
Holly01
10. April 2019 @ 11:30
Dann sollen Privatfirmen also Großprojekte eigenständig finanzieren?
Wasserstraßen?
Kraftwerke?
Autobahnen?
Forschung?
Hochschule?
Oder sollen “Investoren” sich Großprojekte “aussuchen” und dann nach eigenem “Gusto” Firmen beauftragen?
In einem Dorf kann man von einem Wirtschaften sprechen, welches von Einzelnen bewältigt werden kann.
In einer Stadt gehört es zur Aufgabenteilung, die notwendige Infrastruktur gemeinsam zu bearbeiten.
Oberhalb der Stadt ist es absolut notwendig die Finanzierung und die Haftung zu verallgemeinern, weil sonst niemand in das Risiko geht.
International?
Dieser Fusionsreaktor in Frankreich ist komplett öffentlich finanziert.
Der wird nie wirtschaftlich sein, das ist ein Versuch !!
Gravitationswellen? Natürlich öffentliche Mittel.
Teilchenbeschleuniger? natürlich öffentliche Mittel.
Lehrstühle zur Kernkraft? Klar öffentlich Mittel.
Lehrstühle für jegliche Grundlagenforschung?
…
Wenn sich der Staat zurück zieht, fällt alles zusammen wie ein Soufflé .
Wir nennen das Subventionen, aber es ist natürlich eine wirtschaftliche Steuerung.
Wir nennen es Forschung aber .. s.o.
“Der Staat sollte sich raus halten” ist nur das Synonym für “Gewinne privatisieren und Verluste sozialisieren”.
vlg
Holly01
10. April 2019 @ 08:56
Da könnte eine gute Presse doch einmal eine lesenswerte Geschichte aufbauen.
Vom WK II, nach dem Firmen für ihre Arbeiter Wohnungen gebaut haben, über die neue Heimat, die für 1 € verscherbelt wurde bis hin zu den Mietgeiern von heute die durch staatliche Verkäufe aufgebaut wurden.
Da kann man die Vorhersagen der elitären Geldverwalter und ihr (nicht) Eintreten über einen Zeitraum von 70 Jahren schön aufzeigen …..
Erinnert sich noch jemand an die gewerkschaftlichen Versuche im Lebensmittelhandel?
Die können alle nur froh sein, das die Leute nur von jetzt bis gleich denken …
vlg