Germany’s next GroKo

Der Europawahlkampf hat Fahrt aufgenommen. SPD, CDU und CSU schimpfen wie die Rohrspatzen. Doch hinter den Kulissen basteln sie schon an einer großen Koalition für Brüssel. Genau wie in Berlin würde sie wohl von Kanzlerin Merkel angeführt.

Dieses Szenario für die Tage nach der Europawahl geht so: Die EU-Chefs nominieren einen Verhandlungsführer, der mit dem neu gewählten Parlament reden soll. Nach zähen Verhandlungen einigt man sich auf eine Art Regierungsprogramm.

Der Wahlsieger, also Schulz oder Juncker, müsste sich dann verpflichten, dieses Programm in den nächsten fünf Jahren umzusetzen. Erst danach würde er von den EU-Chefs für das Amt des Kommissionspräsidenten vorgeschlagen und vom Parlament bestätigt.

Vor allem in deutschen Ohren klingt dies wie ein ganz normales demokratisches Verfahren. Das ist nicht erstaunlich, es ist ja auch dem deutschen Modell nachempfunden.

Letztlich liefe es auf eine Brüsseler Kopie der großen Koalition in Berlin hinaus, mit dem Unterschied, dass vermutlich auch die Liberalen mitmachen dürften.

Grüne und Linke hingegen haben in diesem Modell keine Chance. Von den Rechtsradikalen, die in vielen EU-Ländern triumphieren könnten, ganz zu schweigen.

Die Wähler ahnen nichts

Doch auch dieses Szenario hat einen Schönheitsfehler. Niemand hat den Wählern gesagt, dass am Ende eine große Koalition hinauskommen könnte.

Im Gegenteil: Die Spitzenkandidaten Schulz und Juncker, aber auch ihre Konkurrenten bei Liberalen, Grünen und Linken tun so, als gehe es diesmal endlich um eine Richtungsentscheidung.

Schulz predigt sogar einen „Politikwechsel“ – weg von Merkels strenger Austeritätspolitik, hin zu „grünem Wachstum“ und einer digitalen Zukunftsökonomie.

In einer europäischen Koalitionsvereinbarung dürfte von diesem schönen Programm nicht viel übrig bleiben. Schließlich steht die Mehrheit der Chefs im Europäischen Rat hinter Merkel.

Schulz hätte kaum Spielraum

Selbst wenn Schulz gewählt würde – er hätte noch weniger Spielraum als Noch-Amtsinhaber José Manuel Barroso. Er wäre doppelt gebunden – an die große Koalition in Berlin und an die noch größere Koalition in Brüssel.

Vielleicht war SPD-Chef Gabriel auch deshalb so wütend. Dass er in der GroKo unter Merkel nicht viel durchsetzen kann, hat er ja schon lernen müssen.

Doch eine doppelte GroKo in Berlin und Brüssel? Nicht auszudenken…

Dies ist der dritte und letzte Teil meiner Analyse zur Europawahl. Siehe auch „Ganz große Koalition“ sowie meine aktuelle Umfrage.