Merkel bremst, Morawiecki warnt – und Putin zieht ab

Die Watchlist EUropa vom 19. Oktober 2021 –

Kurz vor ihrem womöglich letzten EU-Gipfel hat Kanzlerin Merkel am Montagabend in Berlin ihre beste Freundin empfangen: Kommissionschefin von der Leyen. Der Termin war in Brüssel nicht angekündigt worden, vermutlich wollte man keine schlafenden Hande wecken 🙂

Von der Leyen steht gerade ‘mal wieder schwer unter Druck. Denn zum einen droht ihr eine Untätigkeitsklage des EU-Parlaments, weil sie nichts gegen die Rechtsverdreher in Ungarn und Polen unternimmt.

Zum anderen zeichnet die bald letzte prominente CDU-Politikerin für ein umstrittenes Video verantwortlich, beim dem Fußball-Begeisterte mit einem “Trick” für “Klimaschutz” werben. Ein klassisches Eigentor, zusammen mit der UEFA.

Beim Plausch im Kanzleramt dürfte es aber um andere Themen gegangen sein. Merkel steht, wie es ihre Art ist, mal wieder auf der Bremse. Wenn es nach ihr geht, wird der Gipfel am Donnerstag und Freitag fast nichts beschließen.

Im Streit um Rechtsstaat und EU-Recht hat sie von “übereilten” Sanktionen gegen Polen abgeraten; von der Leyen soll ein EuGH-Urteil abwarten, das frühestens im Dezrember kommt.

Im Ringen um die neue Energie(preis)krise steht sie staatlichen Hilfen für Verbraucher und Unternehmen skeptisch gegenüber – die Lage müsse erst noch ganz sorgfältig analysiert werden.

Die üblichen undurchsichtigen Merkeleyen

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Und von einer Reform des Stabilitätspakts, die nun sogar der finanzpolitische “Falke” K. Regling vom Eurorettungsfonds ESM fordert, rät die Kanzlerin natürlich auch ganz dringend ab.

Wie schön, dass sie das von der Leyen gerade noch rechtzeitig sagen konnte, bevor die EU-Kommission am Dienstag eine “Evaluierung” des Stabilitätspaktes startet – da dürfte der Ehrgeiz noch geringer ausfallen…

Summa summarum bleiben sich Merkel und von der Leyen treu. Sie üben sich in undurchsichtigen “Merkeleyen” und hoffen, dass das Publikum zu ihren “Tricks” begeistert Beifall klatscht, wie im Fußballstadion…

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Die Watchlist

Was wird der polnische Ministerpräsident Morawiecki am Dienstag bei seiner Rede im Europaparlament in Straßburg sagen? Am Montag gab er schon einmal einen Vorgeschmack – und warnte vor einem Wandel der EU zu einem “zentral gesteuerten Organismus” ohne demokratische Kontrolle. Dies sei ein “gefährliches Phänomen, das die Zukunft unserer Union bedroht”, schrieb Morawiecki in einem Brief an die Staats- und Regierungschefs der anderen Mitgliedstaaten. Gleichzeitig versicherte er, dass Polen ein “loyales Mitglied” der EU bleiben werde. Na dann…

Was fehlt

Putins Rückzug aus der Nato. Nach dem Auffliegen mutmaßlicher russischer Spione schließt Russland bis auf Weiteres seine ständige Vertretung bei dem Militärbündnis in Brüssel. Auch das Nato-Büro in Moskau werde vorerst geschlossen, erklärte der russische Außenminister Sergej Lawrow. Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) nannte den Schritt “mehr als bedauerlich”. Er werde “die Eiszeit” zwischen beiden Seiten “weiter verlängern“. Maas hat gut reden – hat er in seiner Amtszeit irgend etwas für bessere Beziehungen getan?