Fake News und Desinformation: Berlin eifert Brüssel nach

Der Kampf gegen Desinformation geht in eine neue Phase. Obwohl es bei der Bundestagswahl keine ernste “Fake News”-Kampagne gab, baut die EU ihre Medien-Aufsicht aus. Auch die Ampel-Koalition in Berlin will aufrüsten.

“Wir befähigen die liberalen Demokratien Europas dazu, Desinformation, Fake-News-Kampagnen, Propaganda sowie Manipulationen aus dem In- und Ausland besser abwehren zu können.” So heißt es im Sondierungspapier der Ampel.

Das ist bemerkenswert. Denn es legt nahe, dass die neue Bundesregierung nicht nur in Deutschland, sondern in ganz EUropa gegen unerwünschte Informationen vorgehen will. Dabei ist die EU schon aktiv, sie weitet ihre Aktion sogar ständig aus.

Was 2015 als Aktionsplan der EU für die „Strategische Kommunikation“ (das neue Wort für Propaganda) rund um den Ukraine-Konflikt mit Russland begann, hat in kaum mehr als fünf Jahren einen völlig anderen Charakter angenommen.

Aufsicht über ganz Europa

Nunmehr werden „Fake News“, Cyberangriffe und andere “böswillige” Einmischungs-Versuche in der gesamten EU, aber auch bei den östlichen Partnern, den südlichen Mittlemeeranrainern und auf dem Balkan erfasst.

Es geht längst nicht mehr nur um Außenpolitik und “strategische Kommunikation”, sondern auch um brisante innenpolitische Fragen wie die Gesundheitspolitik (Corona), die Klimapolitik oder die innere Sicherheit.

Zu all diesen Themen, die oftmals kontrovers diskutiert werden und Wahlen entscheiden können, maßen sich die “Faktenchecker” im Auswärtigen Dienst ein Urteil an – auch wenn es oft nicht um Fakten, sondern um Meinungen geht.

Einäugig und intransparent

Dabei lassen sie sich jedoch nicht in die Karten blicken. Während die EU eine umfassende Medien-Aufsicht aufbaut, die sogar mit Sanktionen bewehrt werden soll, nimmt sie es mit Transparenz nicht so genau. Mit Vielfalt leider auch nicht.

Der Infodienst “EUvsDisinfo” spießt Falschmeldungen aus Russland auf. “Fake News” aus dem Weißen Haus in Washington, von den Brexiters in London oder vom Sultan in Istanbul sind kein Thema. Die Lügen der Nato zu Afghanistan auch nicht.

Es wäre eine dankbare Aufgabe für eine wahrhaft “progressive” Ampel-Koalition in Berlin, diese eklatante Einäugigkeit zu beenden und dafür zu sorgen, dass die EU sich nicht noch mehr in die Meinungs- und Pressefreiheit einmischt.

Content-Kontrolle im Inland?

Stattdessen sieht es so aus, als solle die Content-Kontrolle nun auch noch ausgeweitet werden, sogar auf das Inland. Auch die neue Regierung in Berlin will die Medien an die Kandarre nehmen. Dabei gibt es dafür keinen nachvollziehbaren Grund.

Weder die Bundesregierung noch der Bundeswahlleiter haben bei der Bundestagswahl von ernsten Problemen berichtet. Das 2019 geschaffene EU-weite Schnellwarnsystem gegen Desinformation wurde nicht ausgelöst – offenbar gab es keinen Anlaß.

Nur die grüne Kanzlerkandidatin Baerbock wurde Ziel von Fakes – doch auch sie hat die Wahl nicht beanstandet. Warum also wollen Berlin und Brüssel den Kampf gegen Desinformation ausgerechnet jetzt forcieren?

Mehr zu Fake News und Desinformation hier

Zu diesem Thema habe ich eine aktuelle Studie angefertigt. Sie wurde vom “Institut für Medienverantwortung” in Berlin veröffentlicht, der Text (PDF) steht hier

P.S. Die Bekämpfung von Desinformation kann leicht in Zensur umschlagen. “telepolis” liefert ein Beispiel aus Singapur, ähnliche Sorgen wurden auch in Griechenland laut…