Mélenchon will Frankreichs Linke einen – gegen Brüssel
Bei der Präsidentschaftswahl lag Frankreichs Linksausleger Mélenchon nur knapp hinter der Nationalistin Le Pen. Nun will er Premierminister werden und die Linke einen – mit einem EU-skeptischen Programm für die Parlamentswahl im Juni.
Diese Wahl wird auch als “troisième tour” (“dritter Durchgang”) bezeichnet – nach den zwei Wahlgängen der Präsidentschaftswahl, die Amtsinhaber Macron gewonnen hat, geht es nun um Mehrheiten im Parlament.
Mélenchon rechnet sich gute Chancen aus, eine linke Mehrheit zu erringen. Zwar hat seine Partei “La France Insoumise” (LFI) bisher gerade mal 17 von 577 Abgeordnetensitzen und noch nicht einmal Fraktionsstatus.
Doch mit vereinten Kräften, so sein Kalkül, könne man es schaffen. Und da Sozialisten (PS), Grüne und Kommunisten bei der Präsidentschaftswahl weit abgeschlagen wurden, scheint Mélenchons Liebeswerben nicht aussichtslos.
„Eine Union ist möglich und notwendig“, sagte der Sprecher der PS, Pierre Jouvet, der die für die Gespräche zuständige Delegation leitet. Am Wochenende diskutierten die linken Parteien über ein mögliches Bündnis.
Ein zentraler Knackpunkt ist die Europapolitik. Mélenchon ist ein erklärter Feind der “neoliberalen EU”. Er will zwar nicht austreten, aber von Fall zu Fall Widerstand gegen Brüssel leisten, etwa in der Wirtschafts- und Sozialpolitik.
Es gehe um “zivilen Ungehorsam”, so Mélenchon, nicht um einen Frexit.
Demgegenüber haben sich der PS und weite Teile der französischen Grünen zur EU bekannt. Die EU-Freunde im PS lehnen ein Linksbündnis ab, manch einer spricht von Verrat am europapolitischen Erbe von Ex-Präsident Mitterrand.
Allerdings ist der PS schon lange vor Mélenchon in der Europapolitik gespalten. Zum Bruch kam es beim Referendum über die EU-Verfassung 2005. Seitdem leiden die Genossen an EUropa; der Streit brach letztlich auch Ex-Präsident Hollande das Genick.
Die Ironie der Geschichte will es nun, dass sich ausgerechnet unter dem europabegeisterten Präsidenten Macron eine EU-kritische Linke konstituieren könnte. Bei einem Wahlsieg könnte dies sogar in eine “Cohabitation” führen.
Macron müsste dann mit einer linken Regierung zusammenarbeiten. Allerdings kann er sich den Premier selbst aussuchen – eher unwahrscheinlich, dass er Mélenchon wählen würde…
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european
2. Mai 2022 @ 09:46
Ich bin froh, dass Macron die Wahl wieder gewonnen hat. Nach wie vor denke ich, dass es für alle besser gewesen wäre, wenn man bereits 2017 auf ihn gehört hätte. Bitter ist, dass man ihm VdL als Vorschlag auf’s Auge gedrückt hat. Merkel wollte sie loswerden, bevor sie das Verteidigungsministerium vollständig versenkt. Ich glaube nicht, dass er sie vorher überhaupt kannte.
Tragisch für Europa ist, dass man Mélenchon in weiten Teilen seiner Argumentation absolut Recht geben muss.
https://www.bpb.de/themen/europa/frankreich/505745/jean-luc-melenchon/
Reinhard Boest
2. Mai 2022 @ 09:07
Und wenn dann wieder alle Mitgliedstaaten ihr eigenes Ding machen (viel Erfolg!), gehen sie irgendwann auch wieder aufeinander los. Das Integrationsprojekt bleibt anscheinend auf zwei Generationen beschränkt. Toll, wie wir aus der Geschichte lernen. In Moskau, Peking und anderswo reibt man sich die Hände. Und btw: als ob VDL und Michel wirklich etwas zu entscheiden hätten. Das lassen sich die 27 “Ajatollahs” nicht nehmen.
Holly01
2. Mai 2022 @ 08:35
Da tragen die Milliarden die schon bei Obama und später noch viel stärker unter Trump und jetzt unter Biden ausgegeben wurden, um die “Rechten” also die Nationalisten zu “stärken” und die “Linken” zu zersplittern und thematisch fehlzuleiten Früchte.
Die EU ist nur die zivile Verlängerung der NATO.
Die NATO sichert auch Ressourcen, die man gerne hätte durch Krieg.
Die Linke jagt den eigenen Gender-, Nichtraucher-, LGBTQ+-, Klima-Schwanz.
Die Rechte zersplittert die EU durch Nationalismus ohne jede Grundlage, weil das Geld in Brüssel verteilt wird und die Parlamente nur EU Verordnungen abnicken.
Das sieht dann alles geschäftig und wichtig aus, ist aber nur Show für die Scheindemokratie.
Armin Christ
2. Mai 2022 @ 08:17
Ich war immer Befürworter einer europäischen Zusammenarbeit und Völkerverständigung, aber seit die EU immer eindeutiger am atlantischen Gängelband hängt und von State Departmet Leuten wie Michel, Borell, vdL geleitet wird wächst in mir die Skepsis gegenüber diesem EUropa.
ebo
2. Mai 2022 @ 08:36
Nun ja, das Personal wechselt. Ich habe hier in Brüssel schon Barroso und Juncker mitbekommen (neben VDL). Barroso war noch atlantischer als VDL, allerdings auch wesentlich schwächer. Juncker war ein unabhängiger Kopf, er hat Widerstand gegen Trump geleistet. Mit VDL, Scholz und Baerbock läuft die transatlantische Achse auf Hochtouren – VDL schließt sich direkt mit dem Weißen Haus kurz, Baerbock mit Blinken, und Scholz hechelt hinterher 🙂