Letzte Warnung an Merkel
Verkehrte Welt bei der Karlspreis-Verleihung in Aachen: Während Preisträger Macron das Publikum im Handumdrehen für sich einnahm, musste sich Kanzlerin Merkel rechtfertigen. Würde sie endlich etwas zum „Aufbruch für EUropa“ sagen?
Sogar das Preiskomitee hatte Merkel gebeten, nicht nur eine klassische Laudatio auf den „lieben Emmanuel“ zu halten, sondern endlich „Butter bei die Fische“ zu geben – und konkret auf Macrons Reformideen zu antworten.
Doch das tat sie nicht. „Angesichts der großen globalen Herausforderung sind wir Europäer nur zusammen in der Lage, unseren Einfluss geltend zu machen“, sagte Merkel. Und das war’s auch schon – der Rest ist Schweigen.
Keine eigene Idee, kein einziger Vorschlag, nur das übliche Geschwurbel – Merkel hat an diesem Tag eindeutig versagt. Sie hat bestätigt, was in diesem Blog schon oft beklagt wurde: sie steht für den Status Quo, für das „Weiter so“ im deutschen Europa.
Umso agiler und angriffslustiger trat Macron auf. Er wiederholte nicht nur seine bekannten Forderungen zur EU- und Euro-Reform. Er sprach auch unbequeme Wahrheiten aus, die sich direkt an die Kanzlerin wenden.
So hat er der neuen Merkel-Regierung einen zu strikten Sparkurs und mangelnden Mut bei der Reform Europas vorgeworfen. Zudem kritisierte er den deutschen „Fetischismus“ für Budget- und Handelsüberschüsse.
Das ist neu. In der (mit Merkel vorab abgestimmten) Sorbonne-Rede hat Macron die Überschüsse noch mit keinem Wort erwähnt. Dass er sie nun sogar als „Fetisch“ bezeichnet – und das mitten im Handelsstreit mit den USA – ist ein Warnsignal.
Es zeigt, dass Macrons Geduld mit der egoistischen und kurzsichtigen deutschen Wirtschaftspolitik zu Ende geht. Macron ist es offenbar leid, von Merkel immer nur belehrende Phrasen zur „Wettbewerbsfähigkeit“ zu hören – er will einen Kurswechsel.
Wenn sich Merkel bis zum EU-Gipfel Ende Juni nicht doch noch bewegt, könnte sich Macron vom (Traum-)Partner zum Gegner der Kanzlerin und ihrer GroKo verwandeln. Ob die SPD begreift, was sie nun tun muss?
Siehe auch „So endet der Aufbruch für EUropa“ und „Es geht nicht nur um Macron“
WATCHLIST:
- Eskaliert die Lage in Nahost? Wie in diesem Blog mehrfach beschrieben, droht ein Krieg zwischen Israel und Iran. Die Feindseligkeiten haben bereits begonnen – ausgerechnet auf den von Israel besetzen Golanhöhen. Wenn Israel seine Drohungen wahrmacht und Iran direkt angreift, wird der Streit um das Atomabkommen bald Schnee von gestern sein…
Siehe auch „Der GAU der Außenpolitik“ und „Die Kriegsvorbereitungen gehen weiter“
WAS FEHLT:
- Eine klare Antwort der EU auf US-Präsident Trump. Obwohl Trump den Europäern den Fehdehandschuh hingeworfen hat und sogar mit Sanktionen gegen europäische Firmen droht, hält die EU still. In Brüssel hat man nicht einmal Gegenmaßnahmen vorbereitet; Merkel und die anderen EU-Chefs wollen erst am 16. Mai über die schwere Krise reden. Der Rahmen sagt (fast) alles: Man trifft sich zum „Leader’s Dinner“ in Sofia, Hauptthema: der Beitritts des Westbalkans…
Wie die EU reagieren sollte (nämlich mit harten Gegen-Sanktionen), steht ausgerechnet in der britischen FT. Zitat:
The attempt to penalise European companies should be met also with offsetting penalties on US corporations. There would be a danger of tit-for-tat escalation, but if Europe is serious it will have to take risks.
Gerhard
12. Mai 2018 @ 11:56
Ich war mal ein „glühender“ Europäer, wobei die Betonung auf WAR liegt.
Sag mir mal EINER was die EU – ausser unendlich viel Geld zu verbrennen – wirklich macht.
Peter Nemschak
11. Mai 2018 @ 08:13
Was passiert, wenn Deutschland keinen fundamentalen Kurswechsel will? Gibt es dafür überhaupt eine Mehrheit?
ebo
11. Mai 2018 @ 11:18
Große Mehrheit für Macrons EU-Engagement – https://www.tagesschau.de/inland/deutschlandtrend-1221.html
Claus
11. Mai 2018 @ 14:57
Zur Tagesschau-Erhebung mit Ellen Ehni vom WDR: „Telefonische Befragung in der Relation Festnetz zu Mobilfunknummern im Verhältnis 70:30“ (!) Bereits hier liegen seriöse Meinungsforscher vor Lachen unter dem Tisch. Vermutlich Anrufzeit zwischen 11:00 Uhr und 15:00 Uhr, da können die prekär verdingten Telefon-Interviewer ziemlich sicher sein, wen sie ans Telefon bekommen und wer Zeit hat und gewillt ist, sich 15 Minuten am Telefon festhalten zu lassen.
Das einzig erbauliche an diesem Tagesschau-Traktat sind die 20 Kommentare dazu.
hintermbusch
11. Mai 2018 @ 05:45
Merkel muss weg, denn sie ist am Ende ihres Lateins.
„Wir müssen eine gemeinsame Lösung finden“ sagt sie immerfort wie in den besten Gags von Volker Pispers.
Zu Trump:
Als erstes sollte Deutschland die Bundeswehr aus Afghanistan heimholen, denn der Einsatz hat schon lange keinen Sinn mehr und hält die wenigen einsatzfähigen Kräfte fern der Heimat, wo die Freiheit vielleicht wirklich bald verteidigt werden muss.
Als zweites sollte die EU die VISA-Freiheit für Georgien aufheben, denn die sorgt für zusätzliche Kriminalität auf dem Kontinent.
Beide Maßnahmen hätten nicht direkt mit Trumps Entscheidung zu tun, sondern wären in sich gut begründet.
Peter Nemschak
11. Mai 2018 @ 10:43
Inzwischen drohen die USA die Visafreiheit für Ungarn aufzuheben. Wer soll her, wenn Merkel Ihrem Wunsch gemäß weg ist?