Macron und Le Pen Kopf an Kopf
Nach einem Zwischenhoch verliert Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron wieder an Zustimmung. Eine Umfrage zur Europawahl sieht ihn sogar Kopf an Kopf mit der Rechten um Marine Le Pen.
Laut dem Umfrage-Institut IPSOS kämen Macrons “La République en marche” (LREM) et die liberale MoDem auf 21,5 Prozent der Stimmen. Le Pens “Rassemblement national” (RN) liegt bei 22 Prozent.
Der Vorsprung ist marginal – hat aber dennoch eine große Signalwirkung. Schließlich hat sich Macron ja selbst zum Champion der offenen und liberalen EU erklärt, der gegen Populisten und Nationalisten kämpft.
Doch seine Bewegung und ihre Spitzenkandidatin Nathalie Loiseau kommen nicht in die Puschen. Loiseau hat massiv an Glaubwürdigkeit eingebüsst, seit herauskam, dass sie sich in ihrer Studentenzeit für eine rechtsradikale Liste engagiert hat.
Auch auf EU-Ebene geht es nicht voran. Die von Macron ursprünglich geplante Ausweitung von LREM auf mehrere EU-Länder ist gescheitert. Auch einen Zusammenschluss mit der liberalen Parteienfamilie ALDE wird es nicht geben.
Stattdessen hat ALDE-Chef Guy Verhofstadt eine Neugründung angekündigt – nach der Europawahl. Doch was passiert, wenn Macron weiter schwächelt und Ende Mai gegen Le Pen verliert?
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Kleopatra
7. Mai 2019 @ 17:11
Generell muss man beim Vergleich von Wahlergebnissen beachten, dass die Entscheidungen der Wähler vom Wahlsystem abhängen können. Die Wahl zum EP ist in allen Staaten im Prinzip eine Verhältniswahl, in Frankreich ist die Parlamentswahl eine Mehrheitswahl, und die Präsidentschaftswahl ist eine Personenwahl, bei der im zweiten Wahlgang nur zwei Kandidaten gegeneinander antreten. Die Stimmenanteile, die unter so unterschiedlichen Voraussetzungen erzielt wurden, kann man nicht miteinander vergleichen, und der zweite Wahlgang der Präsidentschaftswahl taugt als Vergleichsobjekt erst recht nicht.
ebo
7. Mai 2019 @ 17:25
Da haben Sie völlig Recht. Doch in Frankreich wird die Europawahl so betrachtet, als sei sie eine Präsidentschaftswahl zweiter Ordnung. Le Pen will daraus sogar ein Referendum über bzw. gegen Macron machen. Hätten wir EU-weite Liste, wie sie Macron (vergeblich) gefordert hat, wäre das so nicht möglich…
Baer
7. Mai 2019 @ 09:57
@kleopatra,
der Analyse kann man zustimmen.
Kleopatra
6. Mai 2019 @ 21:40
Im ersten Wahlgang der Präsidentschaftswahl hatte Macron zwar mehr Stimmen als Le Pen, aber der Vorsprung war nicht sehr groß. Erst im zweiten Wahlgang bekam er wirklich viele Stimmen, aber man muss annehmen, dass viele davon weniger für Macron als gegen Le Pen waren; so dass eine reine Listenwahl eher ein realistisches Bild davon gibt, wieviel – oder wie wenige – Anhänger eine Partei wirklich hat. 22% für die Le Pen-Liste wären nebenbei bemerkt noch etwas weniger als bei der letzten Wahl zum EP…
Es geht jetzt eben nicht um die Präsidentschaft, sondern um das EP, und das ist bekanntlich die „second order election“, bei der man genussvoll der eigenen Regierung einen Tritt versetzt. Womit Macron freilich bereits weitgehend gescheitert ist, ist die echte Anbindung an eine gesamteuropäische Partei. Und darüber braucht er sich nicht zu wundern, nachdem seine wichtigste Leistung bei der Präsidentschaftswahl darin bestand, die sozialistische Partei, die ihn zum Minister gemacht hatte, zu pulverisieren und die Republikanische Partei zu demütigen. Wie könnte er danach Anschluss an die größten Fraktionen des EP finden? Als eine Art Anti-Parteien-Politiker (und darin letztlich Trump ähnlicher, als einem lieb sein kann) wird er bzw. werden „seine“ Abgeordneten es in der strikt parlamentarischen, das heißt parteipolitisch strukturierten, Landschaft des EP nicht leicht haben.