Merkel kann nicht gewinnen – Macron hat schon verloren
Alle blicken auf Kanzlerin Merkel. Wird sie es beim EU-Gipfel schaffen, eine Lösung für ihre nationalen Probleme zu finden, die man mit dem Stempel “europäisch” versehen kann? Sicher ist das nicht. Klar ist hingegen, dass ein anderer schon verloren hat.
Gemeint ist Frankreichs gefeierter Staatschef Macron. Erst musste er die “Neugründung der EU” aus seinem Programm streichen. Dann den EU-Finanzminister. Und nun auch noch das Eurozonen-Budget.
Sein Budget wird es wohl nicht einmal mehr in die Gipfel-Schlussfolgerungen schaffen. Es sei “zu früh”, um über ein Budget der Eurozone zu entscheiden, sagte ein hochrangiger EU-Vertreter. “Wir kommen darauf im Dezember zurück.”
Das ist eine Beerdigung zweiter Klasse. Denn eigentlich war die Reform der Eurozone der Kern der “Leader’s Agenda”, die Ratspräsident Tusk im Herbst vorgelegt hatte. Jetzt trägt Tusk sie zu Grabe, und Macron schaut zu.
Die Totengräber sind Holland und andere nordeuropäische Länder, die weder ein Eurozonen-Budget noch eine Erhöhung des EU-Haushalts wollen. Dass Kanzlerin Merkel das Budget bereits geschrumpft hatte, genügte ihnen nicht.
Das zeigt nicht nur, wie schwach Macron letztlich auf der EU-Bühne ist. Er hat sich ausschließlich auf Merkel gestützt, die ihn am langen Arm verhungern ließ. Es zeigt auch, dass diese EU derzeit nicht reformierbar ist.
Das sollte auch Merkel zu denken geben, die mit den Niederländern sympathisiert. Für ihren “Aufbruch für Europa” findet sie ebenso wenig Unterstützung wie für eine Reform der Flüchtlingspolitik, die “europäische Lösung”.
Hier stellen sich nicht nur die Osteuropäer quer, sondern auch Italien. Die neue Regierung in Rom will die Asylregeln im Dublin-Abkommen ersatzlos streichen, Seehofer will sie rücksichtslos durchsetzen, Merkel sitzt zwischen allen Stühlen.
Klar, man wird sich mit Mogelpackungen behelfen, wie immer. EU-Ratspräsident Tusk hat schon Formulierungshilfe geleistet. Doch ob das reicht, um Seehofer & Co. zufrieden zu stellen, bleibt abzuwarten.
Und selbst wenn: Dann dürfte das Gezerre um Dublin, Sammellager und Rücknahmeabkommen weiter gehen – bis Rom zufrieden und die Wahl in München gelaufen ist. Eigentlich kann Merkel nicht gewinnen…
Siehe auch “Der Streit um die Flüchtlingspolitik – kurz erklärt”
WATCHLIST:
- Wo treffen sich Merkel, Kurz und Juncker, um die “gemeinsamen Werte” zu beschwören? Richtig, beim EVP-Gipfel vor dem EU-Gipfel. Diesmal darf man sich auf spannende Debatten der konservativen Parteien zur Flüchtlingspolitik freuen. Und natürlich genau hinschauen, wer Merkel noch stützt und wer schon an ihrem Ast sägt…
WAS FEHLT:
- Ein Ort und Termin für den Gipfel zwischen US-Präsident Trump und Russlands Zar Putin. Beides werde am Donnerstag mitgeteilt, heißt es in Moskau. Super-Timing! Dann könnte also mitten in den EU-Gipfel die Meldung platzen, dass sich EUropas Lieblingsfeinde in Europa treffen! Dumm nur, dass die EU ihre Russland-Sanktionen schon verlängert hat…
kaush
28. Juni 2018 @ 16:15
“Die Grenzen zwischen nationalem Recht und EU-Recht verschwimmen – zulasten der Souveränität und der Sicherheit. Nicht einmal die EU-Kommisison mag die Frage beantworten, welches Recht für bereits registrierte Asylbewerber gilt”
Und mit so einer Haltung zerstört sich die EU selbst. Das erinnert mich an ein Interview von Marine Le Pen, dass ich vor den Wahlen in Frankreich gelesen habe.
Was sie denn gegen die EU unternehmen werde? Da hat sie sinngemäß geantwortet: Nichts. Wir stehen an der Seite und schauen zu, wie sie sich selbst zerlegt.
kaush
28. Juni 2018 @ 11:07
Sorry, aber Merkel hat wirklich nicht mehr alle Latten am Zaun. Für sie gilt das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland nicht.
Zitat: “Merkel betonte, an den deutschen Grenzen gelte wieder der Grundsatz: europäisches vor deutschem Recht. Sie verteidigte erneut ihre Entscheidung von 2015…”
https://www.welt.de/politik/deutschland/article178365906/Merkel-im-Bundestag-Migration-kann-zur-Schicksalsfrage-der-EU-werden.html
Mir ist nicht bekannt, dass das GG abgeschafft und durch eine europäische Verfassung ersetzt wurde.
Ich glaube wirklich, die Herrschaften im ZK (unter Mekels Vorsitz) haben den Verstand und den Bezug zur Realität vollständig verloren. Eine Ausnahme ist vielleicht Seehofer.
Gauland konfrontiert diese Regierung in einer sehr guten Rede mit der Realität.
Und die sieht bezüglich Migration so aus. „Doch die Europäer lassen sich nicht kujonieren. Und sie sind auch nicht bereit, Ihre Buntheit, die Morde und Messerattacken und sexuelle Belästigung einschließt, in ihre Länder zu integrieren…“
https://www.youtube.com/watch?v=pF3VMFNDbPo
ebo
28. Juni 2018 @ 12:55
Das klingt in der Tat absurd. Aber es zeigt das Problem: Die Grenzen zwischen nationalem Recht und EU-Recht verschwimmen – zulasten der Souveränität und der Sicherheit. Nicht einmal die EU-Kommisison mag die Frage beantworten, welches Recht für bereits registrierte Asylbewerber gilt – und ob man es an der Grenze durchsetzen kann, oder nicht…
Solveig Weise
28. Juni 2018 @ 13:04
@ebo: Haben Sie so etwas in ihrer Zeit als Beobachter Brüssels schon einmal erlebt? Ich habe den Eindruck man hat dort Lust und Freude am eigenen Untergang. Ich bin der Meinung die Idee Europas ist zu wertvoll um diese von den Merkels und Junkers dieser Welt zerstören zu lassen. Diese Politclowns haben keine Ahnung wie sehr sie die Menschen in Europa mit diesem Unsinn beleidigen.
ebo
28. Juni 2018 @ 15:55
@S.W. wir hatten hier shcon so viele Krisengipfel… Und immer hat sich Merkel als “Retterin” inszeniert. Neu ist nur, dass es diesmal um ihre eigene Rettung geht…
Peter Nemschak
28. Juni 2018 @ 10:47
Macron hat das Pech, dass sein Programm von der Flüchtlingsfrage überlagert wird und als solches auch nicht zwingend schlüssig und alternativlos ist (Beispiel: Eurofinanzminister).
Solveig Weise
28. Juni 2018 @ 10:35
Sollte sich Macron wirklich auf Merkel verlassen haben zeigt dies eine erschütternde Naivität. Hat er wirklich gedacht die Niederlande oder Österreich würden da mitgehen? Spannend wird es auch am Sonntag. Endet dann die Fraktionsgemeinschaft von CDU und CSU? Interessante Zeiten.