Merkel setzt auf einen Satz
Wozu die Aufregung? Es gibt gar keinen Asylstreit! Das verlautete kurz vor dem EU-Gipfel aus Berliner Regierungskreisen. Die Lage sei unter Kontrolle, Kanzlerin Merkel habe keine eigene Agenda und müsse nichts beweisen.
Die Migration steht nun zwar ganz offiziell auf der Tagesordnung – nachdem ein inoffizieller EU-Gipfel, der auf Drängen Merkels zustande gekommen war, am Sonntag ohne Beschlüsse auseinander gegangen war.
Doch Streit erwartet die Bundesregierung angeblich nicht. Denn das Thema, mit dem die CSU die Kanzlerin unter Druck setzt – die sogenannte Sekundärmigration – ist nur ein Tagesordnungspunkt unter vielen.
Die meisten Debatten dürften sich um die Abschottung und neue Auffanglager (“Ausschiffungsplattformen”) drehen. Zur Sekundärmigration hingegen, auch als “Asyltourismus” bekannt, hat EU-Gipfelchef Tusk vorgesorgt.
Die Mitgliedstaaten müssten “alle notwendigen internen gesetzlichen und verwaltungstechnischen Maßnahmen” ergreifen, um dies zu verhindern “und bei diesem Ziel eng zusammenzuarbeiten”, heißt es in seinem Beschlussentwurf.
Es gebe unter den 28 Staats- und Regierungschefs der EU keinen, der diesen Satz unbedingt streichen wolle, gibt man sich in Merkels Lager sicher. Was will man mehr? Dann ist ja alle paletti!
Wenn es tatsächlich bei diesem Text bleibt, kann Merkel ihrem lieben Parteifreund Seehofer sagen, sie habe alles getan. Der Rest sei ohnehin nur Verwaltungskram, heißt es in Berlin. Damit habe Merkel nichts zu tun.
Ganz entspannt geben sich auch die Christdemokraten im Europaparlament. Bei einem Empfang in Brüssel sprachen sie am Dienstagabend alle möglichen Themen an. Doch der Asylstreit, der keiner sein darf, kam nicht vor.
Dass es doch ein Problem geben könnte, wurde nur an einem Umstand deutlich: Fraktionschef M. Weber (CSU) blieb der lockeren Runde fern. Er hatte wohl wichtigeres zu tun, denn an diesem Abend tagte der Koalitionsausschuss.
“Die Lage ist sehr ernst”, hieß es hinterher in Berlin. Die Lage ist ganz entspannt, will man nun vor dem EU-Gipfel suggerieren…
Solveig Weise
27. Juni 2018 @ 22:31
Wir dürfen gespannt sein wie lange sich das Publikum im Land von diesen Politdarstellern noch für dumm verkaufen lassen wird. Man ist da in unserem Land ja einiges gewöhnt. Die europäischen Staaten wären damit einverstanden wenn 90% der Migration nach Deutschland stattfindet. Vor allem Frankreich sieht jedoch, dass dies so nicht klappen wird. Die Asylantragszahlen dort sind aktuell, bereinigt um die kleinere Bevölkerungszahl, fast auf deutschem Niveau. Spannende Zeiten. Erneut beweist Merkel was sie am besten kann. Durch Untätigkeit die EU Schritt für Schritt an den Abgrund und darüber hinaus zu führen.
Peter Nemschak
28. Juni 2018 @ 10:45
Antwort: noch sehr lange … “für dumm verkaufen”. Merkel hat es geschafft den Diskurs zu bestimmen, und er wurde hegemonial, d.h.von allen Akteuren als alternativlos akzeptiert. Trump hat durch sein alternatives Verhalten den Merkelschen Diskurs verstärkt. Bald wird es unter der Schirmherrschaft des UNHCR und mit Finanzierung der EU mehrere Flüchtlingslager in den Herkunftsländern der unerwünschten Migranten geben. Dort werden Asylanträge verwaltungstechnisch schneller behandelt – wie bisher großteils abgelehnt – werden als an der lebensgefährlichen in Zukunft besser gesicherten Außengrenze sowie in den Nachbarstaaten (Libyen, Ägypten etc.) der EU. Das wird sich in Asylantenkreisen und ihrer Schlepperindustrie sehr rasch herumsprechen. Dann wird auch das perfide organisierte Ausnützen humanitärer Gefühle und Konventionen in der EU ein Ende finden.
Solveig Weise
28. Juni 2018 @ 13:17
@Peter Nemschak: Bitte verzeihen Sie mir die direkte und sehr offene Frage. Glauben Sie diese Sache wirklich? Glauben Sie wirklich, dass diese “Zentren” im Ausland irgendeinen Effekt haben werden? Personen, die dort nicht den Status bekommen, den sie sich erwünschen werden nach wie vor die Dienste der Schlepper einkaufen. Dies ändert sich erst dann wenn es unmöglich ist in Europa selbst einen Antrag zu stellen sondern dies nur “exterritorial”möglich ist und eine sofortige Abschiebung in diese Zentren erfolgt. Der Magnet Deutschland ist viel zu stark und selbst wenn alle anderen Länder in Europa diese Linie konsequent verfolgen würden sehe ich dies in Deutschland nicht. Wieso? Abschiebungen sind Ländersache und selbst die Bayern kriegen das nicht hin, im Gegenteil. Ein “Modell Australien” ist in Deutschland nicht umsetzbar. Zum Leidwesen aller.
Peter Nemschak
27. Juni 2018 @ 17:19
Nicht sein kann, was nicht sein darf.