Lindner nennt sich “freundlicher Falke”, Macron hofiert Metsola – und Erdogan kauft Albanien

Die Watchlist EUropa vom 19. Januar 2022 –

Fehlstart für Finanzminister Christian Lindner (FDP) in Brüssel: Bei seinem ersten Arbeitstreffen auf EU-Ebene musste Lindner sofort auf die Bremse treten. Während sich Frankreich, Italien und die Europäische Zentralbank für eine Lockerung der strikten EU-Schuldenregeln aussprachen, erteilte Lindner einer großen Reform eine Absage.

Die bestehenden Regeln seien hinreichend flexibel, sagte Lindner beim Treffen der Eurogruppe. Jetzt gehe es darum, die Schulden zu reduzieren und Puffer aufzubauen, um auch in Zukunft handlungsfähig zu sein. Er sei jedoch kein Hardliner, betonte der FDP-Chef. “Ich bin kein furchteinflößender Falke, ich bin ein freundlicher Falke.”

Infolge der Lockdowns und anderer Corona-Maßnahmen war die Konjunktur in Deutschland und den anderen Euroländern 2020 massiv eingebrochen. Gleichzeitig hatten die Staaten neue Schulden aufgenommen, was die Schuldenquote in die Höhe treibt. Um die Krise zu bewältigen, wurden die EU-Regeln ausgesetzt; ab 2023 sollen sie wieder gelten.

EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni sagte, es gehe nicht darum, alte Diskussionen zu wiederholen. Die Schulden seien wegen der Pandemie deutlich höher als früher. Zugleich gebe es einen enormen Bedarf an öffentlichen Investitionen, etwa für das Klima. Die EU-Kommission will in den nächsten Monaten Vorschläge auf den Tisch legen.

Selbst die Niederlande sind weiter

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Lindner ist in der Defensive. In der EU hat er kaum noch Gleichgesinnte. Selbst die Niederlande, die früher die „Gruppe der Geizigen“ anführten und strenge Haushaltsdisziplin forderten, zeigen sich für Reformen offen. Frankreich, das derzeit den EU-Vorsitz führt, will nicht locker lassen und den Druck auf Deutschland erhöhen.

Mehr Gemeinsamkeit gibt es bei der Reform der Unternehmenssteuern. Er sei sich mit seinem französischen Amtskollegen Bruno Le Maire einig, dass die neue globale Mindeststeuer so schnell wie möglich greifen soll, sagte Lindner. “Wir wollen die effektive, globale Mindestbesteuerung zum 1. Januar 2023 umsetzen.“

Auch die EU-Kommission wirbt für eine schnelle Umsetzung. Geplant ist ein Steuersatz von mindestens 15 Prozent. Die Mindeststeuer soll bei internationalen Unternehmen mit einem Jahresumsatz von über 750 Millionen Euro kommen. Im Gegenzug verzichtet die EU auf die lange versprochene Digitalsteuer…

Siehe auch “Lindner sieht Griechenland als Vorbild

Watchlist

Was plant Präsident Macron für den französischen EU-Vorsitz – und wie wird er sich mit der neuen Parlamentspräsidentin Metsola verstehen? Das dürfte sich am Mittwoch in Straßburg zeigen, wo Macron eine Rede hält und anschließend die erzkonservative Malteserin trifft. Gewählt wurde sie mithilfe der liberalen Renew-Fraktion im Europaparlament, die Macron eigentlich zum Gegengewicht der konservativen EVP aufbauen wollte. Nun muß er mit einer EVP-Kandidatin zurechtkommen, die zu allem Überfluß auch noch mit den Stimmen der polnischen PiS-Partei gewählt wurde… – Mehr hier

Was fehlt

Der Besuch von Sultan Erdogan in Albanien. Die Türkei und Albanien unterzeichneten am Dienstag sieben Vereinbarungen in unterschiedlichen Bereichen, darunter Medien, Strafverfolgung, Kultur und Notfallmanagement. Die Türkei ist einer der größten Handelspartner und Investoren in Albanien und investiert etwa in Infrastruktur und Entwicklung. Erdogan sagte, die Verbindungen mit Albanien bewegten sich auf dem Niveau einer “strategischen Partnerschaft”. Er will den türkischen Einfluß auf dem Balkan weiter ausbauen – auch die USA, China und Russland sind im Hinterhof der EU engagiert!