Letzte Ausfahrt Marrakesch – Letzte Hoffnung Luxemburg?
Nach Großbritannien und Frankreich rutscht nun auch noch Belgien in die Krise. Der Streit um den UN-Migrationspakt lässt die Regierungskoalition platzen. Premier Michel will den Pakt trotzdem mittragen.
Fährt er nach Marrakesch, oder fährt er nicht? An dieser auf den ersten Blick harmlosen Frage ist die rechtsliberale Regierungskoalition in Belgien zerbrochen.
Premierminister Michel will am Montag nach Marrakesch fliegen, um den UN-Migrationspakt zu billigen. Die nationalistische flämische Partei N-VA war strikt dagegen – und drohte mit Rückzug aus der Regierung.
Tagelang zog sich der Machtkampf hin, noch am Samstag schien der Ausgang völlig offen. Doch gegen Mitternacht gab Premier Michel bekannt, dass die N-VA den Rückzug angetreten habe.
Wenige Stunden später erklärten Innenminister Jambon und der für seinen provokanten Stil bekannte Migrationsminister Franken (beide N-VA) tatsächlich den Rücktritt. König Philippe nahm ihre Demission ohne Zögern an.
Noch am Sonntag ernannte Michel die Nachfolger für die N-VA-Minister. Der Christdemokrat Pieter de Crem soll Innenminister werden, der erfahrene liberale Politiker Didier Reynders soll das Verteidigungsressort übernehmen.
Die Regierungskrise ist damit beendet – zumindest auf dem Papier. Die Verfassung schreibe nicht vor, dass er für sein neues Kabinett ein Vertrauensvotum im Parlament einhole, erklärte Michel.
Allerdings bleibt abzuwarten, ob dies alle Parteien so sehen. Dass die Regierung „Michel II“ bis zur Wahl durchhält, ist keineswegs sicher. Vor allem die Verabschiedung des Haushalts könnte zum Problem werden.
Brüssel wackelt, London bangt, Paris brennt – nur ein Jahr, nachdem EU-Kommissionschef Juncker “wieder Wind in den Segeln” verspürte, rutscht Westeuropa in die Krise.
Ein Trauerspiel – denn den Neustart, den Juncker wagen wollte, hat die EU komplett in den Sand gesetzt. Jetzt ist jeder nur noch mit sich beschäftigt – Motto: Rette sich, wer kann!
Siehe auch “UN-Migrationspakt spaltet die EU” und “Der verhinderte Neustart” (E-Book)
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WATCHLIST:
- Es ist die letzte Hoffnung für viele Pro-EUropäer: Am Montag entscheidet der EuGH in Luxemburg, ob die Regierung in London den Brexit noch zurückziehen kann. Der Generalanwalt hatte sich am Freitag bereits überzeugt gezeigt, dass die Rücknahme bis zum Zeitpunkt des Abschlusses des Austrittsabkommens möglich sei. In Brüssel hoffen viele, dass es sich die Briten noch einmal anders überlegen – zur Not würden sie sogar die Uhr anhalten, um den Austritt zu verhindern …
WAS FEHLT:
- Die neuen sozialdemokratischen Spitzenkandidaten. Am Wochenende ließ sich der Niederländer F. Timmermans in Lissabon ohne Gegenkandidaten zur “Spitze” für die Europawahl küren. Kurz darauf nominierte die SPD in Berlin die bisherige Justizministerin Barley als deutsche Nr. 1. “Bei diesen Wahlen geht es um die Seele Europas”, sagte Timmermans. Und Barely? Sie will einen “geilen” Wahlkampf!
FLASHBACK:
- Kanzlerin Merkel werde den CSU-Mann Weber bei der EVP durchsetzen und ihre Vertraute AKK bei der CDU, schrieb ich im November in diesem Blog (“Mein Tipp: Weber und AKK – und dann weiter so”) Genau so ist es nun tatsächlich gekommen. In Deutschland und EUropa soll alles so weitergehen, wie bisher – unter Merkels Regie. Und wenn die Europawahl in die Hose geht? Dann sind natürlich AKK und Weber schuld…
Erich Ganspöck
10. Dezember 2018 @ 15:40
Was soll diese Regierungskrise? Die Belgier können froh sein, dass der Pakt doch völlig unverbindlich ist. Satire Ende.
Peter Nemschak
10. Dezember 2018 @ 16:03
Unverbindlich ist der Pakt, was seinen Inhalt betrifft, in der Auswirkung hingegen, hat er in Europa die Ressentiments gegenüber Migration verstärkt. Daher fragt man sich cui bono er geschrieben wurde. Die Auswanderungsländer hatten zweifellos mehr Interesse als die Einwanderungsländer, dass er zustande kommt.
Claus
10. Dezember 2018 @ 08:51
„Fährt er nach Marrakesch, oder fährt er nicht? An dieser auf den ersten Blick harmlosen Frage ist die rechtsliberale Regierungskoalition in Belgien zerbrochen.“
Ob jemand nach Marakesch fährt oder nicht, ist in der Tat auf den ersten Blick harmlos. Wenn er oder sie dort einen Vertrag unterscheibt, der 45 mal das Wort „verpflichtet“ enthält, aber trotzdem zu nichts verpflichtet und irgendwie auch rechtlich nicht bindend ist , da man ja in der EU bereits alle Verpflichtungen mehr als erfüllt und deshalb der „Pakt“ unverzüglich unterschrieben werden muss, und man den Menschen dies aufgrund schlechter Kommunikation nur noch nicht richtig erklärt hat – ja nee, is klar. Und Schuld an allem sind mal wieder die üblichen Verdächtigen, die Rechtspopulisten oder Nationalisten. Wie jetzt in Belgien. Da möchte die Neu-Flämische Allianz (N-VA) wohl nicht noch mehr Gegengesellschaften in Anderlecht und Molenbeek und kein weiteres Erstarken islamischer Parteien, die das Ziel ausgegeben haben, bis 2030 die Macht in Belgien zu übernehmen. Die N-VA befürchtet, dass der „Pakt“ zu diesen Entwicklungen beitragen könnte. Wie dies eine ganze Reihe anderer Länder tun, die den „Pakt“ ebenfalls ablehnen.
ebo
10. Dezember 2018 @ 09:05
@Claus Die N-VA hatte keine Probleme, als der Migrationspakt im Kabinett gebilligt wurde. Erst als es um Marrakesch ging, hat sie sich quergestellt. Der “Vlams Belang” lässt grüßen – er setzt die N-VA unter Druck, und die Wahl im Mai wirft ihre Schatten voraus!