Kanada ist raus, Schulz ist drin
Die Direktverhandlungen Kanada-Wallonie sind vorbei, doch das Ringen um CETA geht weiter. Nun bemüht sich EU-Parlamentspräsident Schulz um eine Lösung – wieso eigentlich?
Normalerweise wäre es Aufgabe der EU-Kommission, neue Kompromisse mit der Wallonie zu suchen. Doch Handelskommissarin Malmström hat schon am Donnerstag das Handtuch geworfen.
Nun hat überraschend Schulz die Führung übernommen, dabei hat er dafür kein Mandat. Offiziell befasst sich das Europaparlament erst nach Verabschiedung durch die 28 EU-Staaten mit CETA.
Viele EU-Abgeordnete sind unzufrieden und bemängeln, dass ihnen das Recht vorenthalten werde, CETA noch zu ändern. Eine Gruppe linker und grüner Abgeordneter unterstützt sogar offen die Wallonie.
Doch das zählt für Schulz nicht. Er hat sich mal wieder mit seinem Kumpel Juncker abgesprochen, dem Kommissionschef. Als Sozialdemokrat glaubt er wohl, den Sozialisten Magnette am besten “überzeugen” zu können.
Die belgische Zeitung “Le Soir” mutmasst noch ein anderes Motiv: Wenn es Schulz gelingen sollte, die Wallonen auf Linie zu bringen, dann könnte er wohl in Brüssel bleiben (und nicht nach Berlin wechseln).
Das Kalkül: Konservative und Liberale werden doch wohl keinen Parlamentspräsidenten absägen, der CETA “rettet”…
Regierungs4tel
23. Oktober 2016 @ 17:04
Um Verhandlungen im Namen der Union zu führen, benötigt Schulz in der Tat ein Mandat. Nicht zu verwechseln mit dem Mandat, das Schulz als Parlamentarier hat (andere Baustelle).
Peter Nemschak
23. Oktober 2016 @ 17:40
Hatte die Wallonie ein Mandat der Union für Verhandlungen mit Kanada? In jedem Fall muss das Ergebnis vom zuständigen Gremium abgesegnet werden.
Peter Nemschak
23. Oktober 2016 @ 09:33
Braucht man für alles ein Mandat, sprich einen Auftrag? Eigeninitiative ist gefragt. Nach wie vor gilt das freie Mandat, bei dem ein Abgeordneter nach seinem Gewissen handeln soll. Sonst wären wir schnell in der Räterepublik. In Sachen CETA dürften sich Linke, Linksgrüne und der rechte Rand einig sein: ein übles Amalgam, schlecht für ein Europa, das die Freiheit hoch hält. An CETA scheiden sich die Geister, die Ängstlichen und Frustrierten, welche der Vergangenheit nachtrauern und sich am liebsten die Decke über den Kopf ziehen wollen und jene, die jung und gebildet, weltoffen und mit Optimismus in die Zukunft schauen. Was erstere Einstellung betrifft, gibt es ein faszinierendes und sehr aufschlussreiches Interview mit Marine Le Pen in der aktuellen Ausgabe der Foreign Affairs. So mancher Linke könnte sich durchaus mit den wirtschaftspolitischen Vorstellungen von Le Pen anfreunden. Die Extreme Rechte hat den Linken voraus, dass sie zusätzlich zu einer protektionistischen Wirtschaftspolitik eine Fremde abwehrende Migrationspolitik anbietet. Mehr kann man von der Politik wohl nicht verlangen.
kaush
23. Oktober 2016 @ 11:37
@Nemschak
Sie stricken sich da eine extrem vereinfachte Sicht der Dinge zu recht. Anders bekommen sie die Realität mit ihrer Ideologie offensichtlich nicht mehr deckungsgleich.
Na ja, nicht verwunderlich.:)
Bezüglich FN: Wenn Sie sich nicht nur durch transatlantische Thinktanks ihre Meinung bilden lassen würden, wäre Ihnen das nicht neu.
Der FN besetzt die Felder “National” und “Sozial” recht erfolgreich.
Die Konservativen haben den Bereich “National” kampflos aufgegeben und sich auf eine transatlantisch / globalisierte Sicht einschwören lassen. Alternativlos.
Jetzt, im Wahlkampf, versucht man sich auch wieder stärker dem Thema National anzunehmen. Ob’s die Wähler dann noch glauben?
Und die Sozialisten haben – wie hier die SPD – vor der Wahl links geblinkt, um dann direkt scharf neoliberal abzubiegen.
Viele Wähler werden sich da auch Fragen: Wer hat uns verraten?
So kann der FN von beiden großen Lagern die Stimmen einsammeln.
Peter Nemschak
23. Oktober 2016 @ 17:48
Haben Sie das Interview mit Marine Le Pen in den Foreign Affairs überhaupt gelesen? Offenbar rasten Sie bereits aus, wenn Sie das Wort USA hören. Ich empfehle ihnen, das politische Geschehen sine ira et studio zu betrachten. Aus der Distanz eines interessierten Beobachters sehen Sie besser als mit den Augen eines blindwütigen Wutbürgers. Vergleichen Sie die wirtschaftspolitischen Positionen des FN mit jenen der Linken. Sie werden erstaunliche Übereinstimmungen finden.