Juncker “kann” mit Populisten
Alle reden von Italien. Dabei sind auch in Österreich Populisten an der Regierung beteiligt, sogar besonders radikale. Doch damit hat die EU-Kommission offenbar keine Probleme – ganz im Gegenteil.
Nach Gesprächen mit Bundeskanzler Kurz und Vizekanzler Strache von der rechten FPÖ in Brüssel zeigte sich Kommissionschef Juncker überaus zufrieden. Der österreichische EU-Vorsitz, der am 1. Juli beginnt, werde ein Erfolg.
Dabei warnen die österreichischen Grünen vor einer “antieuropäischen Ratspräsidentschaft”. Mit der FPÖ sei kein Staat und schon gar keine konstruktive Europapolitik zu machen.
FPÖ-Chef Strache provoziert gern. Vor seinem Besuch in Brüssel hatte er mit der Forderung nach einer Aufhebung der Russland-Sanktionen für Wirbel gesorgt. Außerdem hat er die Freizügigkeit in der EU infrage gestellt.
Für Juncker ist dies aber scheinbar kein Problem. „Manches wurde etwas überspitzt dargestellt“, sagte Juncker. Von Strache habe er nach dem Treffen in der Kommission einen „guten Eindruck“.
Zufrieden zeigte sich der Luxemburger auch mit der Abschottungs-Agenda aus Wien. Der Schutz der Außengrenzen vor “illegalen Flüchtlingen” habe Priorität, sagte er. Alles andere sei zweitrangig.
Österreich will die Schließung der Außengrenzen in den Mittelpunkt stellen und die EU-Grenzschutzbehörde Frontex massiv ausbauen. Statt in die EU einzureisen, könnten Flüchtlinge künftig in ein Asylzentrum außerhalb Europas gebracht werden.
Die Solidarität – etwa über eine neue Quote zur Umverteilung von Asylbewerbern – soll dagegen kein Thema sein. Am Dienstag war ein Treffen der EU-Innenminister in Luxemburg ohne Ergebnis zu Ende gegangen.
Italien fordert eine verbindliche Quote, Polen und andere Osteuropäer lehnen sie strikt ab. Kurz sieht offenbar kaum noch Einigungschancen – das Wort „Quote“ nahm er auch auf Nachfrage nicht in den Mund.
Früher wäre das in Brüssel ein schwerer Faux-pas gewesen. Heute ist es hoffähig. Bleibt die Frage, ob Juncker auch mit den italienischen Populisten so verständnisvoll und zuvorkommend umgeht?
WATCHLIST:
- Nach seinem Besuch in Brüssel spricht Kurz bei der EVP-Klausur in München. Werden CDU/CSU seiner Abschottungs-Agenda Beifall klatschen – oder doch noch ein wenig Solidarität in der Flüchtlingspolitik fordern?
- Wie geht es weiter mit der EU-Handelspolitik? Darüber diskutieren die Grünen ab 18 Uhr mit P. Eberhardt von den Lobbywatchern bei CEO. Motto: Wewr fair noch frei! – Mehr Infos auf Facebook
WAS FEHLT:
- Eine klare Haltung im Zollstreit mit den USA. Die EU-Kommission will ab Juli Gegenmaßnahmen verhängen. Doch Kanzlerin Merkel hätte lieber neue Handelsgespräche, um eine Eskalation zu vermeiden. Sie widerspricht auch Frankreichs Macron, der neue Verhandlungen vom Klimaabkommen von Paris abhängig machen will.
- Eine klare Haltung im Rechtsstaats-Verfahren gegen Polen. Kommissionschef Juncker und sein getreuer Helfer Selmayr wollen das Verfahren nicht weiter treiben, Kommissionsvize Timmermans hingegen will hart bleiben, berichtet “Politico”. Die beiden Erstgenannten stehen der CDU nahe, Timmermans ist Sozialdemokrat und ziemlich allein…
- Saubere Dieselfahrzeuge. Auch Fahrzeuge mit Euro-6-Norm überschreiten die EU-Grenzwerte; vielfach sind sie sogar schmutziger als in Euro-5. Dies hat eine neue Studie nachgewiesen. “EU failed to clean up diesel cars”, schreibt der EU Observer. Unterdessen fordert die deutsche Umweltministerin Schulze schärfere CO2-Grenzwerte für Pkw…
Peter Nemschak
7. Juni 2018 @ 12:50
Der stärkste Verbündete der EU im Trumpschen-Handelsstreit mit dem Rest der Welt könnte der amerikanische Senat werden, dessen beide Parteien und deren Großspender mehrheitlich vom Freihandel überzeugt sind. Ein diesbezügliches Gesetz, das Trump beschränkt, unter Hinweis auf die nationale Sicherheit eigenmächtig Handelsbeschränkungen zu erlassen, befindet sich im Werden. Vielleicht funktionieren die checks and balances der amerikanischen Demokratie doch.