Johnsons Coup
Der britische Premier Johnson will das Parlament in eine Zwangspause schicken – um einen “No Deal”-Brexit zu erleichtern. Doch sein Coup könnte nach hinten losgehen.
Bis zum 14. Oktober sollen die britischen Abgeordneten ihre Sommerpause verlängern. Danach bleibe noch “reichlich” Zeit, um über den Brexit zu debattieren, sagte Johnson dem Sender Sky News.
Doch das stimmt nicht. Bereits am 17. und 18. Oktober tagt der Europäische Rat, der die Weichen vor dem Brexit-Termin am 31. Oktober stellen dürfte. Das Unterhaus könnte nicht mehr mitreden – oder nur zwei Tage lang.
Dabei versuchen die Abgeordneten der Opposition gerade mit aller Macht, einen “No Deal” zu verhindern. Johnsons Coup sehen sie als Anschlag auf die Demokratie. Parlamentssprecher Bercow sprach von einem “Frevel gegen die Verfassung”.
Das Problem ist allerdings, dass sich das Unterhaus seit bald einem Jahr auf keine gemeinsame Position zum Brexit einigen konnte, schon gar keine konstruktive. Nur in der Ablehnung eines “No Deal” war man sich einig.
Ein weiteres Problem ist, dass auch die EU das Unterhaus ignoriert. Die Forderung aus London, den Austrittsvertrag neu zu verhandeln und den Backstop zu ändert, hat Brüssel stets abgelehnt. Nicht erst seit Johnson, sondern auch schon unter May.
Die Lage ist, wenn man die Regeln einer parlamentarischen Demokratie zugrunde legt, völlig verfahren – aber nicht hoffnungslos. Johnsons Coup dürfte nicht nur das Parlament in London, sondern auch die britische Öffentlichkeit aufrütteln.
Plötzlich wird nicht nur der Brexit, sondern auch die Demokratie zum Thema. Plötzlich stellt sich nicht nur die Frage, ob das Parlament noch die Briten repräsentiert (die mehrheitlich zu einem “No Deal” neigen) – sondern auch, ob Johnson überhaupt ein legitimer Premier ist.
Schließlich ist der Mann ohne Wahl an die Macht gekommen. Eine kleine radikale Minderheit bei den Tories hat ihn in die Downing Street Number 10 befördert. Wenn sich die Briten das klar machen und entsprechend reagieren, könnte sich das Blatt noch wenden…
Mehr zum Brexit hier. Siehe auch “Ketzerische Gedanken zu Johnson und zum Brexit”
Gerhard Halder
29. August 2019 @ 10:15
“Ein weiteres Problem ist, dass auch die EU das Unterhaus ignoriert.”
Diese Behauptung ist meines Erachtens schärfstens zurückzuweisen! Es ist ja genau Johnsons Strategie, die Schuld den “Freunden in Brüssel” umzuhängen.
Nicht die EU ist der NEIN-Sager, Johnson selbst ist es: NO backstop!
Aber ohne Backstop geht es nicht bzw. ist der Backstop ja eh nur eine Übergangslösung, solange, bis eine bessere Lösung gefunden wird.
Warum ist das für Johnson ein Problem?
So wie er redet, hat er (einige) Lösungen für die irisch/nordirische Grenze im Ärmel. Wenn dem so wäre, braucht er nur den jetzt verhandelten Vertrag unterschreiben und am 1.11.2019 die bessere Lösung zeigen und sein “Freunde in Brüssel” werden zustimmen, weil sie zustimmen müssen!
ABER Johnson weiß genau, dass es keine Lösung für die Grenzfrage gibt. Die EU muss sein Mitglied Irland schützen und muss auch alles daransetzen, den Frieden in Belfast zu erhalten.
Ich bitte Sie daher, in Ihrem Blog, den ich regelmäßig und gerne lese, mit deutlichen Worten in dieser Frage die EU als fairen und umsichtigen Partner und Johnson als inkompetent darzustellen.
Ein Europäer
29. August 2019 @ 10:04
Das war ein ein genialer Schachzug von BoJo. British Politics at its best. Die EU will nicht verhandeln und die Remainers und die Corbynisten ziehen die Brexit Sache ad absurdum. BoJo zieht und schafft klare Linien und ich wage es zu sagen ,er hat gewonnen.
Peter Nemschak
29. August 2019 @ 16:59
Niemand hindert die Abgeordneten daran sich in der Parlamentspause untereinander abzustimmen. Man wird sehen, ob BJ oder das Parlament die stärkere Kraft ist.