Johnson gewinnt, Leyen verliert – und mein Zwischenruf bei Phoenix

Die Watchlist EUropa vom 01. Februar 2021 –

Der Brexit dürfe nicht zum Erfolg werden, erklärte der Chef der konservativen EVP-Fraktion, M. Weber, zum britischen EU-Austritt vor einem Jahr. „Wird der Brexit gefühlt ein Erfolg, ist er der Anfang vom Ende der EU“, sagte er der “Welt”.

Nun ist der Fall da. Bei der Corona-Impfung stehen Premier Johnson und seine Briten wesentlich besser da als die EUropäer. Am Wochenende hat Johnson sogar noch einen Punkt gegen EU-Kommissionschefin von der Leyen gemacht.

Die CDU-Politikerin machte es möglich, dass ihre Behörde mit einem Exportverbot von Impfstoffen von Nordirland nach England drohte. Die bloße Nennung der so genannten Nordirland-Klausel aus dem Austrittsvertrag löste einen Proteststurm aus.

“Kriegserklärung aus Brüssel”

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Das sei eine Kriegserklärung, hieß es in Nordirland. Dublin und London schalteten sich ein, von der Leyen mußte zurückrudern. Am Freitagabend um 23.45h zog sie die Notbrmese; die umstrittene Klausel wird nun nicht mehr erwähnt.

Damit wurde die Eskalation gestoppt, doch der Streit ist nicht beigelegt. Brüssel hält weiter an Exportbeschränkungen für Impfstoffe made in EU fest. Konkret heißt das, dass Astrazeneca nicht über Irland und Nordirland nach England liefern darf.

Und wenn doch? Dann muß die umstrittene Schutzklausel womöglich doch aktiviert werden. Die EU würde die Grenze zwischen Irland und Nordirland dicht machen und den brüchigen Frieden auf der irischen Insel gefährden.

Rücktritts-Forderungen

Für Kenner des Austrittsvertrags kommt das zwar nicht überraschend; die Nordirland-Klausel war schon immer ein wunder Punkt. Überraschend ist jedoch, wie rücksichtslos von der Leyen und ihre Kommission hier vorgehen.

In Großbrtannien werden schon Rufe nach Rücktritt der deutschen EU-Chefin laut, Nordirland fordert zudem eine Neuverhandlung des Brexit-Deals. Beides wird nicht passieren. Dennoch hat von der Leyen verloren – und die EU in die Defensive gebracht.

Jetzt stehen die EUropäer als Bösewichte da, die den Frieden in Nordirland gefährden und die Impfstoff-Versorgung in UK bedrohen. Und das ausgerechnet zu einem Zeitpunkt, da der Brexit zum Erfolg geworden ist – jedenfalls beim Impfen…

Siehe auch “AstraZeneca: Das Vertrauen ist futsch”

P.S. Die irische EU-Kommissarin McGuiness hat sich vom Vorgehen ihrer eigenen Behörde distanziert. Die Kommission habe einen “Fehler mit ernsten Konsequenzen” gemacht, sagte sie laut “Politico”. Derweil wollen die Liberalen im Europaparlament von der Leyen vorladen. Sie kritisieren das Mißmanagement in der Coronakrise…

Watchlist

Wegen der anhaltenden Impfstoff-Knappheit hat Kanzlerin Merkel einen nationalen Impfgipfel einberufen. Der soll Klarheit über das weitere Vorgehen bringen. Zuletzt hatten sich mehre Bundesländer über die schleppende Versorgung und mangelnde Transparenz beschwert. Derweil verkündet EU-Kommissionschefin von der Leyen, dass AstraZeneca nun doch mehr Impfstoff liefert – aber immer noch 50 Prozent weniger als vereinbart. Frau Leyen feiert es dennoch als großen Erfolg…

Hotlist

  • “Hoffnungsschimmer Impfstoff – Was läuft schief in Europa?” Über dieses Thema habe ich am Sonntag beim “Internationalen Frühschoppen” im Sender “Phoenix” diskutiert. Meine These: Es war richtig, nationale Alleingänge zu vermeiden und die Impfstoff-Bestellung gemeinsam vorzunehmen. Es war aber falsch, der EU nicht die nötigen Mittel zu geben. Nun muß alles auf den Prüfstand. Hier ein Ausschnitt aus der Sendung, in dem ich meine Haltung begründe und auf Aufklärung fordere:
  • Die europäische Arzneimittelbehörde empfiehlt den Impfstoff des Herstellers Astra-Zeneca für alle Erwachsenen. Der Vorsitzende der Ständigen Impfkommission reagiert mit Unverständnis. Auch Frankreichs Staatspräsident hat Bedenken. Der Beitrag in der FAZ macht deutlich, wieso das Vertrauen erschüttert ist – in den Impfstoff, aber auch in die EU-Behörde. Mehr hier
  • Mit der Offenlegung des Vertrags zwischen der EU-Kommission und AstraZeneca wollte Ursula von der Leyen eigentlich einen Befreiungsschlag wagen. Doch das Papier legt gnadenlos offen, dass die Kommission über ihre eigenen Regeln gestolpert ist. Besser also, von der Leyen lässt die Faust in der Tasche. Ein lesenswerter Gastbeitrag aus dem Cicero.