AstraZeneca: Das Vertrauen ist futsch

Was bleibt von der Europapolitik der vergangenen Woche? Die EU hat den Impfstoff von AstraZeneca ohne Alters-Beschränkungen zugelassen. Trotzdem geht der Streit mit dem Pharmakonzern weiter. Und dann gab es auch noch einen Eklat um Nordirland.

Hier die passenden Beiträge aus “Lost in EUrope” und anderen Quellen.

Zur Zulassung von AstraZeneca schreibt die Tagesschau:

Der Corona-Impfstoff des britisch-schwedischen Herstellers AstraZeneca darf nun auch in der Europäischen Union genutzt werden. Die EU-Kommission erteilte eine Zulassung. Diese gilt für Personen ab 18 Jahren. Anders als die Ständige Impfkommission in Deutschland, die eine Vergabe des Wirkstoffs nur an Erwachsene unter 65 Jahren empfiehlt, entschieden sich die Experten gegen eine Altersobergrenze. Für Deutschland bleibt die Ständige Impfkommission trotzdem bei ihrer Empfehlung, den AstraZeneca-Impfstoff nur unter 65-Jährigen zu verabreichen.

Damit weicht Deutschland von der EU-Empfehlung ab. Das Hickhack weckt Zweifel an der Verlässlichkeit des neuen Vakzins und schwächt das Vertrauen in die Europäische Arzneimittelbehörde, die wieder einmal besonders lange brauchte.

Der Streit um die Bestellung und Lieferung hat die EU veranlasst, eine “Exportbremse” einzurichten. Dazu schrieben wir:

Brüssel will verhindern, dass Impfstoff aus EU-Produktion in Drittländer exportiert wird, solange bestehende Verträge nicht honoriert werden (wie bei AstraZeneca). Doch diese Art von Protektionismus hilft nicht aus der Misere (…) Die Weltgesundheitsorganisation hat die Ausfuhrbeschränkungen für Corona-Impfstoffe kritisiert. “Das ist ein Besorgnis erregender Trend”, sagte Mariangela Simao, zuständig für Medikamente und Impfstoffe. “Das ist weder der öffentlichen Gesundheit noch irgendeinem Land zuträglich.”

Noch vor wenigen Wochen hatte sich die EU selbst gegen Exportbeschränkungen ausgesprochen. Nun prescht sie vor – und stößt die WHO vor den Kopf. Doch das bringt uns keine einzige zusätzliche Impfdose…

Zum Eklat um Nordirland heißt es in der “Welt”:

Der Zwist mit AstraZeneca wegen Lieferkürzungen beim Corona-Impfstoff droht Exportkontrollen der EU nach sich zu ziehen, die London und Belfast gar nicht schmecken. In einer aufkeimenden diplomatischen Auseinandersetzung mit Großbritannien hat Brüssel nun eingelenkt. (…) In einer ersten Erklärung klang es jedoch, als wollte Brüssel für dieses Vorhaben an der irisch-nordirischen Grenze Kontrollen durchführen und damit einen Notfallmechanismus des sogenannten Nordirland-Protokolls aktivieren.

Dies war ein ernster Patzer der EU-Kommission. Er zerstört das Vertrauen, das nach dem Brexit ohnehin angenackst ist. Kommissionschefin von der Leyen muß sich fragen lassen, ob sie ihren Laden im Griff hat!

Und hier die besten Lesetipps von der Hotlist der vergangenen Woche:

  • Europa darf die Produktion der Impfstoffe nicht länger den Entwicklern überlassen. Es ist höchste Zeit, dass die Lizenzen zum Gemeingut werden. Dies fordert der grüne Europaabgeordete S. Giegold in einem Gastbeitrag für die “Zeit”. Ähnliche Forderungen erheben die Linken und die Sozialdemokraten. Allerdings hat die EU rechtlich (noch) keinen Hebel, die Patente freizugeben – bisher hat sich Brüssel immer hinter die Rechte-Inhaber gestellt…
  • Die EU hat eine wichtige Hürde auf dem Weg zu einem verbindlichen Lieferketten-Gesetz genommen. Der Rechtsausschuss des Europaparlaments nahm am Mittwoch einen Initiativbericht an, der strikte Sorgfaltspflichten für Unternehmen fordert. In meinem Bericht für die taz wird deutlich, dass damit auch die deutsche Bundesregierung unter Druck gerät. Sie sträubt sich bisher gegen verpflichtende Auflagen für Unternehmen…
  • In vielen europäischen Ländern haben die Menschen lange Lockdown-Monate hinter sich – gleichzeitig sehen sie schleppende Impfkampagnen und neue Corona-Mutanten. Die Folge: Frust, Flucht ins Partyleben – und Gewalt. Der Corona-Unmut in Europa wächst, fasst “Euractiv” die Lage zusammen. Leider gibt es niemanden, der auf die Unzufriedenen hört – die EU-Kommission hat sich aus ihrer Wächterrolle verabschiedet…