Niedergang der Nahost-Politik, Kampf um Karlsruhe – und Scheuer fährt Bahn

Die Watchlist EUropa vom 18. Mai 2020 –

Die EU will sich am Dienstag auf einer Krisensitzung der Außenminister mit der Lage in Israel und Gaza befassen. Man werde über Möglichkeiten diskutieren, die Gewalt zu beenden, sagte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell.

In Brüssel rechnet jedoch kaum jemand mit einem Erfolg der Videokonferenz. Schon bei ihrem letzten regulären Treffen vor einer Woche konnten sich die EU-Außenminister nicht auf eine gemeinsame Position einigen.

Dies liegt auch an Deutschland, das bisher jede Kritik an Israel zurückweist. Bevor man über Frieden reden könne, müsse der „Raketenterror“ der Hamas enden, erklärte Außenminister Heiko Maas.

Demgegenüber setzen sich Frankreich, Belgien und Luxemburg für eine Waffenruhe ohne Vorbedingungen ein. Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn fordert sogar, sich auf die Seite der Palästinenser zu schlagen und den palästinensischen Staat anzuerkennen.

Zwischen diesen Positionen ist kaum eine Verständigung möglich. Der Spanier Borrell versucht es mit dem kleinsten gemeinsamen Nenner: Er fordert, das Blutvergehen auf beiden Seiten zu beenden und auch über die „tieferliegenden Ursachen“ des Konflikts zu sprechen.

Gemeint ist die Weigerung Israels, über eine Zwei-Staaten-Lösung zu sprechen und die aus EU-Sicht illegale Besatzung der palästinensischen Gebiete zu beenden.

Doch selbst diese Kompromissformel ist umstritten. Einige EU-Staaten wie Polen oder Tschechien glauben nicht einmal mehr an die Zwei-Staaten-Lösung.

Früher wurde die EU gehört und geachtet

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Vor der Osterweiterung der EU sah es besser aus. Damals haben die Europäer noch den Ton angegeben, wenn es um eine Friedenslösung im Nahen Osten ging.

Borrells Amtsvorgänger Javier Solana wurde gehört und geachtet. Dazu trugen auch die Milliardenhilfen für die Palästinenser bei, die den Aufbau eines eigenen Staates fördern sollten.

Doch Palästinenserführer Abbas, auf den die EU setzte, erwies sich als unfähig und korrupt. Als dann auch noch die Hamas in Gaza die Macht übernahm, verloren die Europäer erst die Kontrolle, dann das Interesse.

Heute ist sie kaum noch sprechfähig

Heute ist die EU kaum noch sprechfähig. Sie protestiert nicht einmal mehr, wenn Israel ein EU-finanziertes Projekt zerstört oder – wie in Gaza – die Büros von Nachrichtenagenturen angreift.

Ein Sprecher sagte auf Nachfrage ledigilich, die Zerstörung des AP-Büros sei äußerst besorgniserregend. “Medien müssen frei arbeiten können, damit sie unabhängig über das Geschehen berichten können”, so Borrells Sprecher.

Echter Protest sieht anders aus. Die EU könnte Israel mit Sanktionen drohen oder das Assoziierungsabkommen mit Israel aussetzen. Doch das kommt in Brüssel niemanden in den Sinn…

Siehe auch USA blockieren Uno-Resolution zu Israel

Watchlist

Erhebt sich das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe erneut über den Europäischen Gerichtshof und die EU? Dies wird sich am Dienstag zeigen, wenn die Karlsuher richter über eine sogenannte Vollstreckungsanordnung entscheiden müssen. Dabei geht es um die Frage, ob die Bundesregierung ein früheres Urteil zum Anleihenkauf der EZB berücksichtigt und korrekt umgesetzt hat. Wenn nein, dann droht neues Ungemach…

Hotlist

  • UNICEF kritisiert die EU: Unicef executive director Henrietta Fore urged the G7 countries and the EU to donate 150 million vaccines to the Covax vaccine-sharing scheme to bridge the gap in supplies caused by curbs imposed by Indian authorities, schreibt der EU Observer. – Brüssel hatte versprochen, den armen Länder über Covax zu helfen. Doch es kommt viel zu wenig an – nicht nur in Indien, sondern auch anderswo. Mehr dazu hier
  • Scheuer fordert Ausbau von Direktverbindungen per Bahn: Die Bahnverbindungen zwischen den Ländern in der EU könnten deutlich besser sein. Um Menschen vom Flugzeug in die Bahn zu bekommen, fordert Andreas Scheuer einen Ausbau, berichtet das ZDF. – Das ist reine Schaufensterpolitik. Scheuer sollte erst einmal anfangen, die Bahnstrecke von Köln nach Brüssel auszubauen – bis zur belgischen Grenze geht es nur im Schneckentempo voran.
  • Die EU kämpft gegen Verschlüsselung: Der portugiesische Ratsvorsitz fordert eine EU-weite Regelung für den Zugang zu verschlüsselten Inhalten durch Polizei und Justiz. Dies soll erstmals auch Gerätehersteller betreffen. Bei Nichtbefolgung könnte den Firmen das Geschäft in der EU untersagt werden, so die “Netzpolitik”. – Nun wird umgesetzt, was Innenminister Seehofer angestoßen hatte. Nach den Bankdaten werden auch private Nachrichten überwacht…