Mauer des Schweigens, Rechtsruck in Schweden – und Schweigen für die Queen

Die Watchlist EUropa vom 13. September 2022 –

Die Beschaffung mit Corona-Impfstoffen in der EU lässt immer noch zu wünschen übrig. Zu diesem Schluß kommt der Europäische Rechnungshof in einem am Montag in Luxemburg veröffentlichten Sonderbericht, der die teils bitteren Erfahrungen der Corona-Jahre 2020 und 201 aufarbeitet.

Die EU-Kommission habe es zwar wie versprochen geschafft, eine breite Palette von Corona-Impfstoffen aufzubauen und sich eine ausreichende Menge an Impfdosen zu sichern. Bei der Beschaffung sei sie aber hinter Großbritannien und den USA hinterher gehinkt, monieren die Rechnungsprüfer.

Zudem gab es im ersten Halbjahr 2021 erhebliche Lieferengpässe. Dabei zeigte sich, dass in den meisten von der Kommission geschlossenen Verträgen nicht klar geregelt war, wie mit Lieferausfällen umzugehen sei. Deshalb kam es zum Rechtsstreit mit dem Hersteller AstraZeneca.

Die Probleme und Streitigkeiten seien bis heute nicht richtig aufgearbeitet worden. „Die Kommission hat keinerlei Evaluierung oder Folgenabschätzung vorgelegt“, sagte Joelle Elvinger, das für die Prüfung zuständige Mitglied des Rechnungshofs.

Die Prüferin klagte auch über mangelnde Transparenz. So würden die Verträge mit den Herstellern unter Verschluss gehalten. Der Rechnungshof habe sich daher kein Bild über die umstrittenen Verhandlungen zwischen Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Pfizer/Biontech machen können.

Von der Leyens SMS-Deal

„Wir bekamen keine Informationen, obwohl wir danach gefragt haben“, sagte Elvinger. Ähnlich war es zuvor der Europäischen Bürgerbeauftragten ergangen. Nach einer eingehenden Prüfung klagte sie über Intransparenz und „Verwaltungsfehler“ beim Umgang mit den Kurznachrichten der Kommissionschefin.

Von der Leyen soll einen Deal über bis zu 1,8 Milliarden Dosen Corona-Impfstoff von Biontech/Pfizer per SMS eingefädelt haben. Das Vertragsvolumen wird auf 35 Milliarden Euro geschätzt. Die EU-Kommission wollte jedoch weder die SMS offenlegen noch andere Details des umstrittenen Deals offenlegen.

Die “Erwartungen an die Transparenz- und Verwaltungsstandards der Kommission” seien nicht erfüllt worden, kritisierte Ombudsfrau Emily O’Reilly im Januar, nachdem sie auf eine Mauer des Schweigens gestoßen war.

Keine Lehren gezogen

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Daran habe sich bis heute nichts geändert, beklagt der Rechnungshof. Die EU müsse aus diesen Erfahrungen endlich Lehren ziehen, so die Mahnung der Rechnungsprüfer. Bisher sieht es allerdings nicht danach aus, dass sich etwas ändert.

So arbeitet die neue Gesundheitsbehörde HERA, die in der EU-Kommission angesiedelt ist, immer noch hinter verschlossenen Türen. Auch die Beschaffungsverträge sorgen weiter für Ärger.

Brüssel habe zu viel Impfstoff bestellt und müsse die Verträge revidieren, erklärten zehn osteuropäische Länder im Juni. Stattdessen bestellte die Kommission neue Vakzine – für die nun beginnenden Booster-Impfungen.

Bei der Bestellung waren die Präparate noch nicht einmal zugelassen…

Mehr zum SMS-Deal hier, zum Booster-Kauf hier

P.S. Am Montag empfahl die EU-Arzneibehörde Ema, einen Biontech-Impfstoff gegen die Corona-Varianten BA.4 und 5 auf den Markt zu bringen. Das dürfte neue lukrative Bestellungen nach sich ziehen…

Watchlist

Was folgt aus dem Rechtsruck in Schweden? Bei der Parlamentswahl hat das rechte Lager nach den bis Montag vorliegenden Ergebnissen einen hauchdünnen Vorsprung von einem Sitz im Parlament vor dem linken Wahlbündnis von Ministerpräsidentin Magdalena Andersson. Wegen des äußerst knappen Ausgangs rechnet die Wahlkommission allerdings erst für Mittwoch mit dem endgültigen Ergebnis. Großer Gewinner der Wahl sind aber schon jetzt die rechtsnationalen Schwedendemokraten…

Was fehlt

Die Schweigeminute für die Queen. “Die Welt trauert um Ihre Majestät, Königin Elisabeth II.”, sagte EU-Parlamentspräsidentin Roberta Metsola vor einer Schweigeminute für die Monarchin. Wenige hätten die Weltgeschichte so geprägt wie die Queen. Vom Brexit, den die Queen einfach so geschehen ließ, sagte Metsola nichts. Und dass es peinlich sein könnte, wenn gewählte Parlamentarier einer ungewählten Monarchin huldigen, kam ihr offenbar auch nicht in den Sinn…