Humanitäre Fassade

Künftig sollen in Europa Menschenleben wieder “an erster Stelle” stehen. Das sagte Kanzlerin Merkel nach dem EU-Flüchtlingsgipfel in Brüssel. Die Beschlüsse sprechen eine andere Sprache.

Es ging mehr um Abwehr als um Aufnahme, mehr um Militäraktionen als ums Humanitäre. Unfreiwillig zynisch brachte es die Nachrichtenagentur AP auf den Punkt:

“Europa schickt Flüchtlingen Kriegsschiffe zur Hilfe”, überschrieben die Journalisten ihre Abendmeldung. Europa erkläre den Schleppern “den Krieg”, bestätigte EU-Migrationskommissar Avramopoulos – und war noch stolz darauf.

Dabei hat die EU-Kommission, ja die gesamte EU beim Flüchtlingsthema seit Jahren versagt. Avramopoulus wollte eigentlich überhaupt nichts unternehmen, bis nicht seine neue “Migrationsstrategie” fertig ist, die im Mai vorgestellt werden soll.

Sein Chef, Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, duckte sich noch am Wochenende weg, als klar wurde, dass binnen weniger Tage schätzungsweise 1000 Menschen im Meer abgesoffen waren.

Seither darf man die “politische Kommission”, die Juncker zu seinem Amtsbeginn angekündigt hatte, ins Reich der Legenden verweisen. Nicht viel besser steht es um Merkels humanitären Anspruch.

Merkels neue Pose

Als im Oktober 2013 zum ersten Mal mehrere Hundert Menschen vom Mittelmeer verschluckt wurden – damals vor Lampedusa – blockierte Merkel alle Versuche, die Flüchtlingspolitik zu reformieren und mehr europäische Solidarität zu organisieren.

Diesmal, eineinhalb Jahre später, warf sie sich in die Pose der selbstlosen EU-Präsidentin. Nach den “tragischen Ereignissen” im Mittelmeer” müsse nun eine “Gesamtstratgie” her.

Im Mittelpunkt soll dabei – folgt man ihren Worten – die Seenotrettung stehen. Die Mittel werden verdreifacht.

Keine sichere, legale Einreise

Allerdings bleibt es bei der umstrittenen Mission “Triton” der EU-Grenzschutz-Agentur Frontex. Eine Wiederauflage der erfolgreichen italienischen Rettungs-Aktion “Mare Nostrum”, die rund 100.000 Flüchtlinge vor dem Ertrinken gerettet hat, ist nicht geplant.

Genau das hatten aber viele Europaabgeordnete und Hilfsorganisationen gefordert. Eine legale und sichere Möglichkeit, nach Europa zu gelangen, wollen die EU-Chefs ebenfalls nicht schaffen.

Das Humanitäre bleibt also Fassade – im Vordergrund steht die Abschreckung.

Dies ist die Kurzfassung eines Artikels, den auf “telepolis” veröffentlicht habe. Das Original steht hier