Harter Entzug beim Gas, schroffes Embargo beim Öl – und Strafen für Fake News

Die Watchlist EUropa vom 09. März 2022 –

Die EU will unabhängiger von fossilen Brennstoffen aus Russland werden und die Nachfrage nach russischem Gas drastisch reduzieren. Die europäische Energieversorgung solle günstiger, sicherer und nachhaltiger werden, versprach die Brüsseler Behörde. Spätestens 2030 soll die EU ganz ohne Energie aus Russland auskommen.

Bisher ist Russland noch der größte und wichtigste Versorger. So kommen EU-weit 45 Prozent der Gasimporte aus dem Land, das Krieg gegen die Ukraine führt. Einige Länder wie Ungarn, Bulgarien oder die Slowakei sind sogar fast vollständig auf Russland angewiesen. Auch Deutschland kann mit einer Quote von 55 Prozent schwerlich auf russisches Gas verzichten.

Doch nun droht ein harter Entzug. Die EU-Kommission begründet den Bruch mit Russland vor allem mit dem Krieg in der Ukraine. „Wir können nicht von einem Versorger abhängen, der uns bedroht“, sagte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. „Russlands Invasion in der Ukraine hat die Versorgungssicherheit verschlechtert“, meint Energiekommissarin Kadri Simson.

Gazprom liefert zuverlässig

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Allerdings wurden seit Kriegsbeginn keine Engpässe gemeldet, im Gegenteil: Der russische Anbieter Gazprom hat die Gaslieferungen nach Europa sogar ausgeweitet. Auch die extrem hohen Preise bei Öl und Gas sind nicht nur dem Krieg anzulasten. So stieg der Gaspreis am Montag um unglaubliche 60 Prozent, nachdem US-Außenminister Tony Blinken ein Ölembargo gegen Russland angedeutet hatte.

Auch die westlichen Sanktionen treiben offenbar die Preise; dagegen kann die EU-Kommission nicht viel tun. Unklar ist auch, wie die Brüsseler Behörde die Energielieferungen aus Russland ersetzen will. Sie nennt zwar ein Ziel – zwei Drittel weniger bis zum Jahresende. Zudem will sie die EU-Länder verpflichten, ihre Gasspeicher bis zum 1. Oktober zu mindestens 90 Prozent zu befüllen.

Wie das gehen soll, bleibt offen. Mehrere Förderländer, darunter Aserbaidschan und Katar, haben zwar zugesagt, ihre Öl- und Gaslieferungen nach Europa zu erhöhen. Die Lieferungen aus Russland können sie jedoch nicht vollständig ersetzen. Die größte Hoffnung ruht daher auf den USA, die mehr Flüssiggas liefern wollen. Dabei handelt es sich jedoch um klimaschädliches Frackinggas.

Green Deal in der Defensive

Von der Leyen sieht darin kein Problem. Gemeinsam mit Klimakommissar Frans Timmermans setzt sie auf Flüssiggas – und erneuerbare Energien. „Lass uns die Erneuerbaren mit Lichtgeschwindigkeit ausbauen“, fordert Timmermans. Er plant einen „Pakt für erneuerbare Energien“, um den Ausbau von Solarenergie, Wind- und Wasserkraft anzukurbeln. Auch Genehmigungsverfahren sollen verkürzt werden.

Dennoch droht der „European Green Deal“ ins Hintertreffen zu geraten. Er baut auf den Gaslieferungen aus Russland auf, die als „Brücke“ zu klimaneutralen Energien gedacht waren. Nun muß die EU ihre Strategie völlig neu ausrichten.

Eine erste Gelegenheit dazu bietet ein Sondergipfel am Donnerstag in Versailles, zu dem Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron geladen hat.

Streit über den Energiemarkt

Die 27 Mitgliedstaaten wollten die „Abhängigkeit von russischen Gas-, Öl- und Kohleimporten beenden”, heißt es in einem Entwurf für das Gipfeltreffen. Allerdings ist umstritten, ob dies schnell oder schrittweise geschehen soll. Zudem streiten die Staats- und Regierungschefs weiter über Maßnahmen gegen die hohen Energiepreise.

Frankreich und Spanien hatten schon im Oktober gefordert, den europäischen Energiemarkt neu zu regeln, um die Spekulation einzudämmen und extreme Ausschläge zu verhindern. Die EU-Kommission war bisher dagegen, nun lässt sie erstmals Bereitschaft für Markteingriffe erkennen.

Deutschland und andere EU-Länder stehen jedoch weiter auf der Bremse – in Versailles droht Streit.

Watchlist

Wie reagieren Russland und die Märkte auf das Öl-Embargo, das die USA im Alleingang verhängt haben? US-Präsident Biden sagte bei einem kurzfristig anberaumten Auftritt im Weißen Haus, das Importverbot sei mit dem Kongress und mit europäischen Verbündeten abgestimmt. Man wisse aber, “dass viele unserer europäischen Verbündeten und Partner möglicherweise nicht in der Lage sind, sich uns anzuschließen.” Man weiß auch, dass solche Entscheidungen die Energiepreise in die Höhe treiben…

Was fehlt

Nach dem umstrittenen Verbot von RT und Sputnik will die EU-Kommission noch weiter gehen – und die Urheber von “Fake News” und Desinformation bestrafen. “Ich werde einen neuen Mechanismus vorschlagen, der uns erlauben wird, diese bösartigen Desinformations-Akteure zu sanktionieren”, sagte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell  im EU-Parlament in Straßburg. Welche Strafen er plant, sagte Borrell nicht. Wie er die “Übeltäter” in Russland ausmachen und belangen will, ist auch völlig unklar…