“Hängt die Verräter”

Blumen für den Mann, der ein Fanal setzen wollte

“Krawalle in Athen nach Suizid eines Rentners”: Auf diese krawallige Zeile verkürzt Spiegel online die jüngste Eskalation in der griechischen Schuldenkrise. Wieder einmal ist von “Randalierern” die Rede, die den Selbstmord des 77-jährigen Apothekers für ihre Zwecke nutzten. Zwar verweist SPON auch auf die steigende Selbstmordrate in Griechenland. Doch den politischen Hintergrund blendet man aus.

Dabei lässt sich der Tod des Rentners nicht einfach auf Depression oder Verzweiflung zurückführen. Der Mann hinterließ nicht nur Schulden, die ihn offenbar zu Tode bedrückten, sondern auch einen Abschiedsbrief, der ziemlich explizit ist – und unangenehm für die deutschen Euro-“Retter”. Darin heißt es nach Angaben des Blogs KeeptalkingGreece”:

“The occupation government of Tsolakoglou* literally annihilated any possibility for my survival that was depended on a decent pension which only I personally paid for 35 years (without any state support).

Because my age does not give me the possibility for a dynamic reaction (without meaning that if a Greek would grab the kalashnikov, I wouldn’t be the second one [to grab one], I see no other solution than the decent end before I start searching in the garbage for food.

I believe that one day the youth without future will take the arms and hang upside down at Syntagma Square the national traitors as the Italians did with Mussolini  in 1945 Piazza Poreto in Milan)”

Zu gut deutsch: Der Rentner vergleicht das von Berlin und Brüssel verordnete Spardiktat mit dem deutschen Besatzerregime im 2. Weltkrieg (Tsolakoglou war der erste von Berlin eingesetzte Premierminister). Und er fordert die jungen Griechen ausdrücklich auf, sich zu erheben, zu den Waffen zu greifen und die “Verräter zu hängen”. Die jüngsten Proteste sind also ganz in seinem Sinne – und nicht etwa sinnlose “Krawalle”, wie dies SPON nahelegt.

Ich weiß nicht, ob der Mann im Widerstand gegen die Faschisten war oder ob er der radikalen Linken zuneigt. Ich weiß auch nicht, wie ernst seine politische Botschaft zu nehmen ist. Klar ist jedoch, dass sich dieser Selbstmord nicht einfach unter “unangenehme Krisenfolgen” abhaken lässt, wie dies SPON und andere Medien tun. Vielmehr wird er in Athen als politisches Fanal begriffen, wie zerohedge erläutert.

Auch der Arabische Frühling begann mit dem Selbstmord eines einfachen Mannes in Tunesien…

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