Handel gegen China, Europa ohne Energie – und alle Macht für die Zitrone?
Was bleibt von der Europapolitik der vergangenen Woche? – Die EU lässt sich von den USA in einen antichinesischen Handelspakt locken. Die europäische Energiekrise weitet sich aus. Und in Deutschland stellen Grüne und FDP die Demokratie auf den Kopf – die „Zitrone“ will an die Macht.
In Brüssel war nicht viel los diese Woche. Kommissionschefin von der Leyen war auf dem Balkan, wo sie einen schweren Konflikt zwischen Kosovo und Serbien schlichten mußte. Und ihre wichtigsten Kommissare waren in den USA, wo sie einen Handelspakt gegen China auf den Weg brachten.
Unter dem Label „TTC“ wollen Amerikaner und Europäer technologische Standards setzen und Claims abstecken, damit China nicht noch dominierender im IT-Bereich wird. Dass die USA immer noch Strafzölle auf Stahl und Aluminium made in EU erheben, spielt dabei offenbar keine Rolle.
Auch dass die Amerikaner offenbar Pläne ausgeheckt haben, um den Wikileaks-Gründer und Whistleblower J. Assange zu ermorden, konnte das Treffen in Pittsburgh nicht stören. Die EU hat das brisante Thema, so weit bekannt, nicht mal angesprochen. So viel zum Thema „gemeinsame Werte“…
Nachdenklich stimmt auch das Thema Energiepolitik. Während die USA schon vor einer Energiekrise in Europa warnen – es werde nicht genug Gas zum Heizen geben, warnt Amos Hochstein, der für Energiesicherheit zuständige Berater des US-Außenministeriums – stellt man sich in Brüssel taub.
Alles halb so wild, die Probleme seien nur vorübergehend, heißt es in der EU-Kommission, die nun einen „Werkzeugkasten“ zur Verfügung stellen will, damit besonders betroffene Staaten gegensteuern können. Frankreich hat schon den Gaspreis für den Winter gedeckelt, immerhin.
Und dann waren da noch die Sondierungsgespräche für eine neue Regierung in Berlin, die man auch in Brüssel aufmerksam verfolgt. Dass die EU es nicht einmal für nötig hielt, dem Wahlsieger Scholz zu gratulieren, sollte nicht darüber hinwegtäuschen, wie groß das Interesse ist!
Allerdings nahmen die Gespräche eine merkwürdige Wendung. Zwei kleine Parteien, Grüne und FDP, haben damit begonnen, den Kurs der nächsten Regieurng abzustecken und auch schon mal Ministerposten zu verteilen. Die „Zitrone“ will an die Macht – und sich sogar den Kanzler aussuchen!
Damit stellen Lindner, Baerbock & Co. die Demokratie auf den Kopf. Denn über den nächsten Kanzler entscheiden nicht die Parteien, schon gar nicht irgendwelche Sondierungsteams, sondern der neue Bundestag. Und da stellt immer noch die SPD die größte Fraktion.
Ich bin mal gespannt, wann die Genossen endlich aufwachen und die grüngelbe Anmaßung zurückweisen. Oder hat Kanzlerkandidat Scholz am Ende gar kein Interesse daran, den Sondierungen eine neue Richtung zu geben – weil ihm seine eigene Partei im Nacken sitzt?
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El Zorro
3. Oktober 2021 @ 11:02
Wo Gruen draufsteht, ist Gelb drin oder umgekehrt. Wenn der Scholz gescheit ist, lässt er sich von den Schwarzen zum Kanzler machen – und die Zitrone ist geschält.
Kleopatra
3. Oktober 2021 @ 10:37
Für die Wahl eines Kanzlers genügt die Mehrheit der Bundestagsabgeordneten, und das kann durchaus gegen die größte Fraktion geschehen (es gibt mehrere Präzedenzfälle).
Weil man aber realistischerweise als „Wahlsieger“ denjenigen ansieht, der nicht nur mit dem Anspruch des „Kanzlerkandidaten“ angetreten ist, sondern nachher auch Kanzler wird, weiß man heute noch nicht, wer in diesem Sinn die Wahl „gewonnen“ hat. Da der deutsche Bundestag das Recht hat, den Kanzler zu wählen, wäre es eine Anmaßung seitens der Kommission, wenn sie einem der Kandidaten als „Wahlsieger“ gratulieren wollte. Überhaupt ist es schwierig, in einer Verhältniswahl „Sieger“ und „Besiegte“ zu unterscheiden; oft kann man nur „teils – teils“ sagen.
ebo
3. Oktober 2021 @ 12:02
Sogar Merkel hat Scholz gratuliert – wo ist das Problem?