Gegenwind für Maas, Verfahren gegen Berlin – und Streit um Flüchtlings-Bilder

Die Watchlist EUropa vom 09. Juni 2021 –

Außenminister Heiko Maas nahm kein Blatt vor den Mund.  „Wir können uns nicht länger in Geiselhaft nehmen lassen von denjenigen, die die europäische Außenpolitik durch ihre Vetos lähmen“, sagte der SPD-Politiker auf der Botschafterkonferenz in Berlin. „Wer das tut, spielt über kurz oder lang mit dem Zusammenhalt Europas. Ich sage deshalb ganz offen: Das Veto muss weg – auch wenn das bedeutet, dass dann auch wir überstimmt werden können“, fügte er hinzu.

Allerdings meint Maas nicht irgendein Veto – sondern das ungarische Veto gegen Entscheidungen zu China. Darüber war der Streit entbrannt, nachdem Regierungschef Viktor Orban mehrfach EU-Resolutionen zu Hongkong blockiert hatte.

Das ist natürlich ärgerlich, zumal Orban auf Schmusekurs mit Peking ist und sein Land immer abhängiger von China macht. Aber auch Deutschland ist abhängig – das Reich der Mitte ist der größte Handelspartner.

Und jahrelang hat Deutschland alle Versuche abgewehrt, die China-Politik neu auszurichten. Im Dezember hat Kanzlerin Angela Merkel sogar noch ein Investitionabkommen ausgehandelt – gegen den Widerstand vieler EU-Staaten.

Insofern hat es schon ein Geschmäckle, wenn nun ausgerechnet Deutschland und Ungarn über China streiten. Andererseits ist es auch nachvollziehbar – denn die USA fordern von der EU einen härteren Kurs.

Orban schimpft auf die SPD

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Deutschland ist da besonders gefordert. Das weiß auch Orban – der sich nun offen über Maas lustig macht. Die europäische Linke, geführt von der deutschen SPD, sei auf Anti-Ungarn-Kurs, schrieb er laut „Politico“.

Doch er werde sich davon nicht beeindrucken lassen – und auch in Zukunft EU-Resolutionen zu Hongkong blockieren. Es gelte, einen „Kalten Krieg“ gegen China zu verhindern, brüstet sich Orban, der auch gerne mit Russland paktiert.

Darüber könnte man noch hinweggehen – wenn es nicht noch andere, ernst zu nehmende Gegner gebe. So hat sich auch Ratspräsident Charles Michel gegen eine Abschaffung des Vetorechts in der Außenpolitik ausgesprochen.

Michel widerspricht Maas

Er habe die Erfahrung gemacht, dass man dann einen starken Einfluss in der Welt habe, wenn man geschlossen zusammenstehe und Entscheidungen treffe, die von den Mitgliedstaaten einstimmig unterstützt werden, so Michel.

Bevor man beschließe, das Einstimmigkeitsprinzip aufzugeben, sollte man genau nachdenken, so der Belgier. Kleine EU-Länder wie Belgien hängen besonders an „ihrem“ Vetorecht – sie fürchten, von den großen EU-Staaten übergangen zu werden.

Aber auch Frankreich ist gegen die Aufhebung des Vetorechts. Das würde den (ohnehin schwindenden) französischen Einfluß in der Weltpolitik schmälern und letztlich nur Deutschland helfen, fürchtet man in Paris.

Maas bläst der Wind ins Gesicht – von allen Seiten. Irgendwie kann es der deutsche Außenminister keinem Recht machen…

Siehe auch „Zypern, das Veto und QMV“

Watchlist

Leitet die EU-Kommission nun doch noch ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland ein? Die Vorbereitungen liefen auf Hochtouren, hieß es am Dienstag in Brüssel. Grund ist ein umstrittenes Karlsruher Verfassungsurteil zu milliardenschweren Anleihekäufen der Europäischen Zentralbank aus dem vergangenen Jahr. Damit habe das höchste deutsche Gericht versucht, sich über die EU-Rechtsprechung und den EuGH zu setzen, hieß es damals. Kommissionschefin von der Leyen hielt sich lange bedeckt – nun könnte sie doch noch ernst machen…

Was fehlt

Der Streit um Facebook-Posts von Bootsflüchtlingen. Die britische Innenministerin Priti Patel hat den Konzern und andere „soziale“ Medien aufgefordert, Beiträge zu entfernen, wenn diese Überfahrten von Geflüchteten „verherrlichen“. In einem Brief an verschiedene Firmen reagierte Patel auf ein Video, das auf TikTok gepostet wurde und viral ging. Es zeigte eine Gruppe, die in einem Schlauchboot den Ärmelkanal überquert. Die Überfahrt ist lebensgefährlich – dennoch nimmt die Zahl der Bootsflüchtlinge im Ärmelkanal in letzter Zeit deutlich zu…