Fast wie in der Eurokrise, Iran-Abkommen wackelt – und Millionen für Ukraine
Die Watchlist EUropa vom 06. September 2022
Kaum zurück aus der Sommerpause, ist die Europäische Union schon wieder im Krisenmodus. In Brüssel jagt eine Sondersitzung die nächste, Experten der EU-Kommission brüten über Notfallplänen, Ökonomen fühlen sich an die schlimmsten Zeiten der Eurokrise erinnert.
Der Grund? Die Märkte spielen verrückt, schon wieder. Am Montag sprang der Gaspreis binnen weniger Minuten um 35 Prozent in die Höhe. Kurz darauf erlitt der Euro einen Schwächeanfall. Die Gemeinschaftswährung fiel mit nur noch 0,9884 Dollar auf den niedrigsten Stand seit Dezember 2002.
Auch bei den Politikern liegen die Nerven blank. Am Freitag tagte ein Krisenkabinett in Paris, am Samstag und Sonntag beriet die Ampel-Koalition in Berlin. Und in Prag, am Sitz des aktuellen EU-Vorsitzes, kam es zur ersten Massendemonstration gegen die hohen Energiepreise.
Nun sind Lösungen gefragt. Doch die Mühlen in Brüssel mahlen langsam – zu langsam, wie EU-Ratspräsident Charles Michel meint. Die EU-Kommission sei zu zögerlich im Kampf gegen hohe Preise, klagte der Belgier am Wochenende, Behördenchefin Ursula von der Leyen müsse mehr Gas geben.
Die deutsche CDU-Politikerin wies den Vorwurf prompt zurück. Das ganze Wochenende über habe sie an Vorschlägen gearbeitet, beteuerte ihr Chefsprecher Eric Mamer. An der Krise sei nur einer Schuld: Kremlchef Wladimir Putin. Der habe die Gaslieferungen nach Europa manipuliert.
Die Wünsche gehen weit auseinander
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Tatsächlich geht der jüngste Preissprung beim Gas auf die Lieferunterbrechung bei der Ostsee-Pipeline Nord Stream 1 zurück. Allerdings hat die Energiekrise schon vor einem Jahr begonnen, als Putin noch nicht so brutal den Gashahn zudrehte. Und die EU hat wenig getan, um sie zu lösen.
Mehrere Krisengipfel unter Leitung von Michel endeten ohne greifbares Ergebnis. Doch das soll sich nun ändern – dank deutscher Hilfe. Nachdem die Bundesregierung monatelang auf der Bremse stand, setzt sie nun ausdrücklich auf EU-Beschlüsse gegen die Energiekrise.
Bisher liegen die Wünsche und Vorschläge noch sehr weit auseinander. Dies gilt vor allem für brisante Reizthemen wie den „Preisdeckel“ und die „Übergewinnsteuer“. Mehrere EU-Länder haben diese Maßnahmen schon eingeführt, Spanien und Italien sind vorgeprescht.
Nun sollen wir auch noch Strom sparen
Doch was von der Leyen vorschwebt, bleibt hinter den Maßnahmen in diesen Ländern zurück. Einen „echten“ Preisdeckel beim Gas soll es ebenso wenig geben wie eine EU-weite Übergewinnsteuer.
Der EU-Kommission schweben bescheidenere Sofortmaßnahmen vor, die Debatte über eine große Reform der Energiemärkte will sie auf 2023 verschieben. Ganz oben auf der Liste der Brüsseler Behörde stehen Maßnahmen zum Stromsparen; außerdem fordert sie mehr Solidarität der EU-Länder.
Beim Gas hat dies allerdings nicht recht funktioniert. Obwohl die EU bereits im Juli einen Gas-Notfallplan beschlossen hat, sind bisher erst sechs bilaterale Ab-kommen zur solidarischen Nachbarschaftshilfe geschlossen worden.
Zudem wird mehr Gas verstromt als vor der Krise. Und der Preis ist nicht gesunken, ganz im Gegenteil…
Siehe auch Energiepreisdeckel und Übergewinnsteuer: Was von der Leyen wirklich vorhat
Watchlist
Scheitert das Atomabkommen mit Iran? EU-Chefdiplomat Borrell nannte es “besorgniserregend”, dass es keine positiven Signale zwischen den USA und dem Iran gebe. “Wenn es in dem Prozess keine Annäherung gibt, ist der gesamte Prozess in Gefahr”, warnte der Spanier. Noch vor kurzem war Borrell viel optimistischer, denn die EU hatte einen Komüromiss ausgehandelt. Doch wieder einmal sind es die USA, die ihn mit ihrer harten Haltung infrage stellen…
Was fehlt
Noch mehr Geld für die Ukraine. Weitere 500 Mill. Euro sollen “Wohnraum und Bildung für Binnenvertriebene und Rückkehrer sichern und den ukrainischen Agrarsektor unterstützen”, wie Kommissionssprecher Eric Mamer sagte. Doch für Regierungschef Denys Schmyhal, der zu Besuch in Brüssel war, ist das nicht genug. Die EU müsse ein vollständiges Energieembargo gegen Russland verhängen, forderte er. Zudem dürfe es keine Visa mehr geben. – Mehr dazu hier
KK
6. September 2022 @ 14:24
“Nun sind Lösungen gefragt.”
Die liegen doch gut sichtbar auf dem Tisch: Sanktionen aufheben, NS2 öffnen und auf diplomatischem Wege ein Ende des Krieges angehen. Erdogan, so kritisch man ihn sehen muss, steht als vermittelnder Partner ja bereit.
Am Besten ganz ohne die USA, denn die profitieren ja nur von dieser – von ihnen selbst provozierten – Situation. Die EU wollte doch immer eine grössere Rolle in der Welt spielen: Hier ist die Gelegenheit, endlich den Freischwimmer zu machen.
ebo
6. September 2022 @ 15:32
Ja, aber: All das schließt die EU aus. Sie will nicht einmal darüber reden…
Armin Christ
6. September 2022 @ 08:22
Da beschließen diese Großmäuler mit einem Studienabschluss in Plagiat kein Gas, kein Öl und keine Kohle mehr aus Russland haben zu wollen, und wenn dann wirklich nichts mehr kommt, dann ist das auch wieder nicht richtig.
“Putin ist Schuld, Putin ist böse, der Russe, der Iwan ….. “was anderes als ihre braunen Vorgänger haben die doch garnicht drauf.