Oh my god – Truss folgt auf Johnson
Liz Truss wird neue Premierministerin in UK. Das gaben die konservativen und EU-feindlichen Tories nach dem Ende ihrer parteiinternen Stichwahl bekannt. Damit gerät die EU vom Regen in die Traufe.
Boris Johnson war schon schlimm. Doch mit Truss könnte alles noch schlimmer werden. Sie war zwar ursprünglich gegen den Brexit. Doch nach dem Sieg der EU-Gegner hat sie ihr Hemd gewendet und sich zur Hardlinerin gemausert.
Nun präsentiert sie sich als zweite Thatcher und unerbittliche Russland-Gegnerin. Offenbar will sie, was den Ukraine-Krieg betrifft, sogar noch Johnson übertrumpfen. Der hatte es geschafft, Kiew von Verhandlungen mit Moskau abzubringen.
Truss dürfte nun versuchen, ihr Land noch tiefer in den Krieg gegen Russland zu ziehen und die Hardliner in der EU – allen voran Polen – anzustacheln. Damit wird sie den wenigen verbliebenen Realisten das Leben noch schwerer machen.
Dies gilt vor allem für Frankreichs Macron. Auf die Frage, ob er “Freund oder Feind” sei, antwortete Truss, darüber sei das letzte Wort noch nicht gesprochen. Es war eine Beleidigung für den Nato-Partner und ein Affront für die EU.
Für Kommissionschefin von der Leyen ist das indes kein Problem. Sie beglückwünschte Truss zu ihrem Wahlerfolg und betonte die “gemeinsamen Herausforderungen”, zu denen natürlich auch der Krieg in der Ukraine zähle…
Siehe auch “So will Polen die EU in den Krieg ziehen”
Thomas Damrau
7. September 2022 @ 09:06
… und EVP-Weber hat sich schon mehrfach als Berlusconi-Fan geoutet.
ebo
7. September 2022 @ 09:10
Nicht nur das, Weber macht den Weg für ein Bündnis mit den Post-Faschisten in Italien frei und bricht damit ein Tabu!
Kleopatra
7. September 2022 @ 13:11
Nach meiner Erinnerung umfassten bereits die ersten Koalitionen unter Berlusconi in den 1990er Jahren die Postfaschisten (damals m.W. unter einem anderen Namen als heute). Die spanische “Volkspartei”, die oft und lange regiert hat, ist letztlich aus der franquistischen Falange hervorgegangen. Ich kann leider nicht sehen, dass erst jetzt ein Tabu gebrochen würde.
Thomas Damrau
7. September 2022 @ 17:48
@Kleopatra
Definitiv „nicht erst jetzt“.
Aber hier entwickelt sich ein Domino-Effekt 4.0: Es wird von Jahr zu Jahr in mehr Ländern möglich, dass die Konservativen
– entweder von national-autoritären Parteien überrannt werden
– oder selbst in völkischen Populismus/ins Autoritäre abrutschen
– oder sich mit Völkisch-Autoritär zusammentun (in Schweden denken die Konservativen über ein Bündnis mit den Schweden-Demokraten nach)
Jedes Land, in dem dies passiert, scheint die Dynamik dieses Prozesses zu verstärken.
Kleopatra
6. September 2022 @ 22:04
Inwiefern soll Johnson „Kiew von Verhandlungen mit Moskau (abgebracht)“ haben? Russland hat doch spätestens durch die Kriegsverbrechen seiner Armee in der Umgebung von Kyjiv der ukrainischen Regierung Verhandlungen praktisch unmöglich gemacht und stellt sich ohnehin selbst auf den Standpunkt, es befinde sich in einem Konflikt mit der NATO/den USA und Verhandlungen müssten mit denen stattfinden; Bereitschaft zu Verhandlungen mit der ukrainischen Regierung ist nicht zu erkennen, vielmehr sprechen die Russen ihr ständig die Legitimität ab.
Holly01
7. September 2022 @ 10:03
“ https://www.heise.de/tp/features/Ukraine-Hat-der-Westen-die-diplomatischen-Verhandlungen-gestoppt-7254763.html „
Kleopatra
7. September 2022 @ 13:41
Selbst in dem Artikel in der “Ukrainska pravda”, auf den sich Ihre Quelle beruft, werden als einer der beiden Gründe (und zwar als der ersten von beiden), die ein Treffen der beiden Präsidenten unmöglich machen, die Kriegsverbrechen der russischen Armee in Butscha genannt. Der zweite Grund sei die Auskunft des britischen Preiers, dass GB nicht bereit sei, in der avisierten Form als Garantiemacht des avisierten Abkommens zwischen der Ukraine und Russland zu fungieren. Wie dies zu bewerten ist, ist kompizierter, jedenfalls kann GB nicht einfach für jede beliebige (öglicherweise weitgehend von der russischen Seite diktierte) Abmachung als Garantiemacht auftreten. Ich erinnere übrigens,daran, dass GB eine der Mächte ist, die 1994 die territoriale Unversehrtheit der Ukraine garantiert haben, als Ausgleich dafür, dass letztere auf ihre Atomwaffen verzichtete. Sollte GB jetzt nicht zu den daals übernommenen Verpflichtungen stehen? Und ein Versprechen, dass die Ukraine (oder irgend ein anderer Staat) niemals in die NATO aufggenommen wird (wie “heise” suggeriert), können die USA aus prinzipiellen Gründen nicht geben, zudem läuft auch dieser Vorschlag darauf hinaus, dass Verhandlungen zwischen Kiv und Moskau nicht genügen, sondern dass die USA das entscheidende Gegenüber für Moskau seien.
ebo
8. September 2022 @ 10:39
This : https://responsiblestatecraft.org/2022/09/02/diplomacy-watch-why-did-the-west-stop-a-peace-deal-in-ukraine/
Kleopatra
9. September 2022 @ 12:37
Der von Ihnen zitierte Artikel aus “Responsible Statecraft” beruft sich seinerseits auszugsweise auf einen (kostenpflichtigen) Artikel aus “Foreign Affairs”, welcher mit der Feststellung beginnt: “Russia’s president invaded Ukraine not because he felt threatened by NATO expansion or by Western “provocations.” He ordered his “special military operation” because he believes that it is Russia’s divine right to rule Ukraine, to wipe out the country’s national identity, and to integrate its people into a Greater Russia.” Ich habe freilich den Rest des Artikels nicht zur Verfügung, aber ich frage mich doch, woher “RS” dann aus diesem Artikel die Annahme nimmt, dass Putin bereit gewesen sein soll, seine Armee auf die Ausgangsposition vom 23. Februar zurückzuziehen und Garantien einer Reihe von Staaten für die Ukraine zu akzeptieren.
Die Auszeichnung der kriegsverbrecherischen Einheit, die in Butscha gewütet hat, durch Putin läuft doch eher darauf hinaus, dass W.P. alle diplomatischen Brücken hinter sich abgebrochen hat.
Thomas Damrau
6. September 2022 @ 09:35
Erschreckend ist, dass sich in immer mehr Ländern (USA, Italien, Ungarn, Spanien, …) das konservative Parteienspektrum in einem hemmungslosen Populismus abgleitet. Die Parteiprogramme werden aus den Bestandteilen „Unsere Interessen an erster Stelle“, „Diese Leute sind nicht von hier“, „Die traditionelle Familie wird durch den LGBT-Scheiß gefährdet“, „Der Mittelstand wird durch Sozialschmarotzer ausgebeutet“, „Die Wirtschaft muss durch Steuersenkungen angekurbelt werden“, „Umweltschutz gefährdet Wohlstand“ zusammengerührt.
Die Rezeptur ist zwar immer leicht unterschiedlich – das Ergebnis schmeckt aber offensichtlich einer zunehmenden Anzahl von Wählern: „Endlich sagt es mal eine(r).“
Auch in UK bedeutet der Übergang von Johnson zu Truss den Schritt von Populismus zu Hard-Core-Populismus.
european
6. September 2022 @ 19:58
Es wäre zu kurz gegriffen, den Wählern dafür die Schuld zu geben. Nach der Finanzkrise hat man ganze Bevölkerungsgruppen in die Armut geknüppelt. Nicht nur in Deutschland. Die Jugendarbeitslosigkeit insbesondere in den Südländern ist immer noch sehr hoch. Die Investitionsquote aufgrund der Austeritätsauflagen viel zu niedrig. Man muss sich nur die Brüningsche Sparpolitik ansehen, die direkt zum Aufstieg der Nazis geführt hat.
Man wusste das und hat es trotzdem durchgepeitscht. Die Zockerbanker kamen davon, die Banken wurden rausgehauen, die Politiker in Aufsichtsgremien wurden nicht belangt, die Bevölkerung in die Armut geknüppelt. Soviel Nährboden auf einmal für all die LePens, Salvinis und wie sie alle heißen. Dass die Blaubraunen bundesweit so vor sich hindümpeln liegt einfach nur am “schlechten” Personal. Im Osten haben sie sich etabliert. Dort wo ca. 40% der Bevölkerung im Niedriglohnsektor arbeiten. Keine Zusammenhänge? 40plus Prozent der Deutschen sind nicht sparfähig. Kein Puffer. Nichts. Alles geht sofort auf die Haut.
2015 braucht man wohl nicht mehr zu erwähnen.
Noch tragischer als Liz Truss finde ich das Versagen von Labour? Wo sind die eigentlich? Ich hätte erwartet, dass sie zumindest lautstark eine snap election fordern. Aber nichts. Schweigen im Wald. Ansonsten ist egal, wer aus dem korrupten BOJO Dunstkreis gewählt wird. Es macht keinen Unterschied.
Dagegen arbeitet die SNP hier oben in Schottland wirklich vorbildlich. So kann gute Sozialpolitik aussehen. Die schottische Workforce gilt als die am besten ausgebildete Workforce in Europa. Sieh an. Und die Sozialwohnungen sehen so aus, dass es Spaß macht, dort zu wohnen. Noch nicht überall, aber man arbeitet daran. Es wird investiert. Und zwar zügig. Man sieht den Fortschritt.
Thomas Damrau
7. September 2022 @ 08:55
@European
Ich widerspreche Ihnen nicht: Es sind natürlich die realen Verhältnisse, die die Wähler für scheinbar einfache Lösungen empfänglich machen.
Die realen Verhältnisse in den USA haben dazu geführt, dass aus einer ehemals reaktionären Partei ein Trump-Wahlverein geworden ist, der im Zweifelsfall bereit ist, die demokratischen Institutionen in die Luft zu jagen. Und viele Wähler sind von der scheinbar klaren Kante begeistert.
In Italien haben die Wähler nur die Wahl zwischen leicht links und verschiedenen Geschmackrichtungen von rechtem Populismus.
In Polen heißt die Alternative wirtschaftsliberal und national-autoritär – linke Parteien finden nicht mehr statt. In Ungarn haben die Wähler das Wählen schon aufgegeben: national-autoritär ist gesetzt.
Die spanischen Konservativen driften immer weiter nach rechts.
Da passen die britischen Konservativen mit der Wahl von Truss perfekt ins Bild.
Und in Deutschland? In Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt liebäugelt die CDU schon lange mit AfD-Positionen. Die CSU lässt es eh gerne krachen. Und die Kommunikationsstrategie von Fritze Merz war schon immer “Ich erkläre den Wählern täglich, was die Regierung alles falsch macht. Und dann schlage ich scheinbar einfache Bierdeckel-kompatible Lösungen vor.”
Die gemäßigt Konservativen sterben aus. Die Linke kann die entstehende Lücke oft nicht nutzen.
Holly01
7. September 2022 @ 09:24
@ Thomas Damrau:
Das ist ganz ganz einfach.
Die USA fördern rechte aka nationale Bewegungen bei allen “Verbündeten”.
Diese Bewegungen schützen das nationale Vermögen.
Die nationalen Vermögen stecken in den US Anlagemärkten.
Also schützen die nationalen Bewegungen die US Anlagemärkte.
So werden die Verhältnisse zu heiligen Kühen, die niemand ansprechen geschweige denn kritisieren darf.
Merke: geht es den USA gut, dann geht es uns gut (bitte Augen schließen und jede Stunde 10 Mal wiederholen, bis es verinnerlicht ist, also Baerbocken).
Armin Christ
6. September 2022 @ 08:25
Seit Starmer Gang mit Verleumdungen Jeremy Corbyn beiseite geräumt hat ist die Labourperty, sowohl innen- wie auch außenpolitisch, keine Alternative mehr.
ebo
6. September 2022 @ 08:28
Das erinnert an Schröder/Scholz – Lafontaine…
european
6. September 2022 @ 20:00
War sie vorher auch nicht. Es hat viele traditionelle Labour-Wähler gegeben, die Corbyn einfach aufgrund seiner Vergangenheit nicht wählen konnten, trotz linkem Programm. Außerdem konnte Corbyn nicht über seinen Brexit-Schatten springen. Wenn Labour sich als Partei der Remainer hätte etablieren können, hätte m.E. das Bild anders ausgesehen. So aber waren ca. 50% der britischen Wähler politisch heimatlos.
european
5. September 2022 @ 20:50
Es ist völlig egal, wer die Nachfolge antritt. Es stammen alle aus dem Bojo Dunstkreis.
Der Satirejournalist Jonathan Pie hat es schon vor 4 Wochen auf den Punkt gebracht
https://youtu.be/lKrLBPmRsrM
Besser kann man es nicht sagen. 😉
Aber eine gute Nachricht gibt es doch. Priti Patel ist zurückgetreten. Es bleibt nur zu hoffen dass der Nachfolger nicht noch schlimmer wird.
KK
5. September 2022 @ 17:02
Eine machtgeile, kriegshetzende Opportunistin – wir werden uns wohl noch BoJo zurückwünschen. Oder gleich einen dicken Asteroiden auf Kollisionskurs mit der Erde: Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende…