EUropa schützt, aber wie? – Streit um Orban eskaliert

In den letzten Tagen kamen viele gute Meldungen aus Brüssel. EUropa schützt, hieß es, nachdem sich die Brüsseler Institutionen auf mehrere Vorhaben geeinigt haben. Allerdings haben die Initiativen einen Schönheitsfehler.

Eine neue EU-Arbeitsbehörde, eine Reform beim Copyright im Internet, neue CO2-Grenzwerte für Lastwagen und neue Personalausweise mit Fingerabdruck – all das sollen gute Nachrichten sein, heißt es in Brüssel.

Auch Frankreichs Staatschef Macron lobte die Vorhaben der EU. Sie zeigten, dass das „Europe qui protège“ (Europa, das schützt), das er schon lange fordert, gute Fortschritte mache.

Allerdings haben die Kompromisse einen Schönheitsfehler: Sie sind im so genannten Trilog entstanden, einem umstrittenen Vermittlungsverfahren zwischen Kommission, Rat und Parlament.

Damit wird das normale demokratische Verfahren abgekürzt, bei dem das Parlament das letzte Wort hätte. Es spielt sich alles im Hinterzimmer ab, ohne Transparenz und demokratische Kontrolle.

Dabei kann es schon mal passieren, dass wichtige Details festgelegt werden, ohne dass die EU-Abgeordneten die Beschlussvorlage kennen – wie beim Copyright, wo Kritiker neue „Upload-Filter“ fürchten.

Oder es kann auch passieren, dass plötzlich alle EU-Bürger ihre Fingerabdrücke abliefern sollen – obwohl niemand das offen vertreten hat. Es kommt einfach so, über Nacht, im Trilog. Orwell lässt grüßen!

Selbst die Journalisten, die die EU professionell beobachten, werden immer wieder überrascht. Denn die Triloge werden kurzfristig angesetzt, unabhängige Beobachter sind nicht dabei, und wer was festgelegt hat, bleibt im Dunkeln.

Begründet wird dieses Eil-Verfahren, das sogar die EU-Bürgerbeauftragte rügt, mit der Europawahl. Die EU müsse schnell vorankommen, um die Bürger davon zu überzeugen, dass sie „liefert“.

Man kann es aber auch ganz anders sehen. Besonders umstrittene Dossiers, wie das Copyright und die Persos mit Fingerabdrücken, werden bewußt bis auf die letzte Minute verzögert, um sie dann mit aller Gewalt durchzudrücken…

WATCHLIST:

  • Wieder ‚mal kommt die britische Premierministerin May nach Brüssel, wieder ‚mal will die EU ihr keinen Millimeter entgegenkommen. Kommissionschef Juncker hat schon vorab mitgeteilt, dass er keine Ergebnisse erwarte. Ist das noch Fatalismus, oder schon Arroganz? Warum spricht man überhaupt noch miteinander, wenn man sich nicht bewegen will? Mit ein bißchen gutem Willen wäre durchaus noch ein Kompromiss möglich, meine ich – die Begründung steht hier 

WAS FEHLT:

  • Die Anti-Juncker-Kampagne aus Ungarn. Diesmal wirft Premier Orban den Kommissionschef mit dem Investor Soros in einen Topf, schüttelt kräftig durch und beschuldigt beide, eine Invasion von Migranten zu planen. Juncker hat das als „Desinformation“ gebrandmarkt und den Rauswurf Orbans aus der EVP gefordert. Wird die EVP nun endlich durchgreifen? Bisher ist EVP-Fraktionschef Weber, der auch deutscher Spitzenkandidat für die Europawahl ist, dem Streit ausgewichen…

Siehe auch „Weber muss einschreiten – oder gehen“