EUropa interessiert nicht, Lukaschenko spurt nicht – und Orbans neue Provokation

Die Watchlist EUropa vom 21. Juni 2021 –

Die Grünen haben es vorgemacht. Bei ihrem Parteitag vor einer Woche stellten sie Sozialthemen heraus, die Europapolitik kam nur am Rande vor. Das Wahlprogramm der Grünen ist zwar europafreundlich – doch für den Wahlkampf scheint es nicht zu taugen.

EUropa interessiert nicht – dieser fatale Eindruck hat sich an diesem Wochenende verfestigt. Weder die Linke noch die Christdemokraten haben sich bei ihren Programmkonferenzen lange mit der EU abgegeben. Andere Themen waren wichtiger.

Die Linke stritt über Blauhelmeinsätze, CDU/CDU über die Mütterrente. Auch Hartz IV und die Klimapolitik wurden diskutiert. Deutschland soll bis spätestens 2035 klimaneutral sein, fordert die Linke. Die Christdemokraten haben es nicht so eilig, sie wollen sich bis 2045 Zeit lassen.

Alles wichtige Themen, gewiß. Doch mindestens genauso wichtig ist, wie es in der EU weitergeht. Schließlich war der Staatenbund im März 2020, zu Beginn der Coronakrise, ins Koma gefallen. Nur durch künstliche Beatmung in Gestalt von massiver Schuldenaufnahme konnte er wiederbelebt werden.

Merkel hinterlässt eine verschuldete EU

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Doch Kanzlerin Merkel hat die Solidarität auf Pump zeitlich befristet, spätestens nach fünf Jahren soll Schluß sein. Doch wie geht es danach weiter? Soll die EU nach dem Ende der Coronakrise wieder ihre alten Schulden- und Defizitregeln einführen und die Schulden aus dem Revovery-Plan mühsam abstottern?

Welche Lehren zieht man aus dem Impfdebakel, das Merkel und Kommissionschefin von der Leyen verantworten, wie geht es im Herbst mit den Corona-Maßnahmen weiter, wie lange noch darf Berlin seine Unternehmen subventionieren? All das sind Fragen, die im Bundestagswahlkampf nach Antwort rufen.

Doch niemand redet darüber. Selbst die Zukunftskonferenz zur Reform der EU, die am Wochenende ihre erste Plenarsitzung in Straßburg hatte, stößt nicht auf großes Interesse. Dabei werden diesmal sogar die Bürger beteilt. Leider halten auch sie sich vornehm zurück.

„Beteiligung ist noch ausbaufähig“

„Die bisher 17.300 TeilnehmerInnen auf der Online-Plattform der Konferenz sind noch ausbaufähig,“ sagte die EU-Parlamentarierin Katarina Barley (SPD) zu Beginn der Konferenz. Ausbaufähig ist auch das, was bei der Plenarsitzung herauskam – nämlich nichts.

Bei der mehr als fünfstündigen Eröffnung kamen zwar bereits rund 150 Redner zu Wort. Viele Bürger, die teils im Saal des Europaparlaments, teils online teilnahmen, nannten die für sie wichtigen Themen, darunter Klimaschutz, Migration, Arbeitsplätze, Wohlstand, freies Reisen oder Studienaustausch. 

Doch die EU-Politiker sind sich immer noch nicht einig, was aus den Bürgerwünschen werden soll. Eine Garantie, dass sie am Ende auch in die Tat umgesetzt werden, gibt es nicht. Kein Wunder, dass sich niemand für die(se) EU interessiert…

Watchlist

Wie soll die EU mit dem belorussischen Diktator Lukaschenko umgehen? Wieder einmal wollen sich die Außenminister mit dieser Frage befassen. Als Reaktion auf die erzwungene Landung eines Ryanair-Flugzeugs und die darauf erfolgte Festnahme eines Oppositionellen sind unter anderem Strafmaßnahmen in den Bereichen Öl- und Gas, Kali- und Phosphatherstellung, Tabak und Finanzen geplant. Bei den Finanz-Sanktionen hatte sich Österreich zunächst quer gestellt, nun scheint aber ein Kompromiß in Sicht. Allerdings dürften auch neue Sanktionen ihr Ziel verfehlen – Lukaschenko spurt nicht…

Was fehlt

Orbans Attacke auf das Europaparlament. Der ungarische Regierungschef fordert ein Vetorecht für nationale Parlamente gegen gesetzgeberische Prozesse im EU-Parlament, wenn nationale Kompetenzen verletzt sein könnten. „Demokraten mit einem nationalen Bewußtsein“ (wie er selbst) müssten sich gegen die Schaffung eines europäischen Imperiums erheben. Seine Rede steht hier, eine Reaktion des Europaparlaments hier. Die Provokation kommt nur eine Woche nach einem umstrittenen, homophoben Mediengesetz. Die EU hat sich darüber zwar empört, jedoch nichts unternommen, wie üblich…