EU-Reform jetzt!?

Was bringt das neue Jahr für die EU? Auf den ersten Blick ist 2022 voller Gefahren – Omikron, die Energiekrise und ein Krieg in der Ukraine sind nur einige davon. Doch es bietet sich auch eine einmalige Chance zur Reform.

Die Sterne stehen günstig wie selten, um die tief gespaltene und zunehmend übergriffige Union an Haupt und Gliedern zu reformieren. Dafür gibt es drei Gründe:

  1. Die neue Bundesregierung unter Kanzler Scholz ist pro-europäisch und hat sogar eigene, wenn auch umstrittene Visionen für die EU (etwa die Weiterentwicklung zu einer Föderation).
  2. Der französische EU-Vorsitz hat eine ehrgeizige Agenda. Präsident Macron will mit EUropa im Präsidentschafts-Wahlkampf punkten – dafür muß er bis April (dem Beginn der Wahl) erste Erfolge vorweisen.
  3. In den nächsten Monaten soll auch die Konferenz zur Zukunft der EU zu Potte kommen. Am 20. Januar treffen Bürger und EU-Abgeordnete erstmals zu einer Plenarsitzung zusammen.

Alles zusammen ergibt ein “Window of Opportunity”, wie wir es schon lange nicht mehr hatten. Endlich könnte die lähmende Politik des Status Quo, die Ex-Kanzlerin Merkel betrieb, beendet werden.

Denn im vergangenen Jahr ist klar geworden, dass weder Deutschland noch die EU weitermachen können wie bisher. Der Brexit-Schock hat nicht gereicht; die Coronakrise könnte nun aber den Wandel bringen.

Doch was für ein Wandel wird das sein?

Deutschland will vor allem den Rechtsstaat durchsetzen, was Ärger mit Ungarn und Polen bedeutet. Außerdem will die Ampel eine aktivere Außenpolitik, was Ärger mit Russland und China verheißt (wenn sich die grüne Außenministerin Baerbock durchsetzt).

Von der Leyen propagiert den “Great Reset”

Frankreich will die EU “souveräner” machen, was sich vor allem in der Verteidigungs- und in der Finanzpolitik niederschlägt. Mehr Rüstung, mehr Militär-Interventionen – aber auch mehr Schulden mit neuen Euro-Regeln stehen auf Macrons Wunschliste.

Derweil verfolgt die EU-Kommission unter Frau von der Leyen ihre Agenda des “Great Reset” weiter. Im Namen der “Resilienz” sieht sie vor allem mehr Macht für Brüssel vor – bei den Finanzen, beim Green Deal, aber auch in der Gesundheitspolitik.

Angesichts dieser geballten, aber auch widersprüchlichen Agenda der EU-Eliten dürfte es den Bürgern schwer fallen, sich Gehör zu verschaffen. Die Zukunftskonferenz läuft Gefahr, für die Pläne von Macron, Scholz und von der Leyen vereinnahmt zu werden.

Die Bürger haben eine Wahl – in Frankreich

Zudem steht Deutschland in einigen wichtigen Bereichen schon wieder auf der Bremse – etwa bei der überfälligen Reform des Euro-Stabilitätspaktes. Konkret soll es erst im 2. Halbjahr 2022 werden – also nach Ende des französischen Ratsvorsitzes.

Dennoch: Das nächste halbe Jahr wird spannend, vielleicht sogar entscheidend für die Zukunft der geschwächten EU. Unter französischen Vorsitz könnten wichtige Reformen angestoßen werden, im positiven wie im negativen Sinne.

Wohin die Reise geht, können die Bürger beeinflussen – nicht nur auf der Zukunftskonferenz, sondern auch bei der Wahl in Frankreich. A propos: Was passiert eigentlich, wenn Macron abgewählt wird? Gibt es für diesen Fall schon einen Plan B?