EU-Beitritt der Ukraine: Geopolitik und Größenwahn
Die Vizepräsidentin der EU-Kommission, Jourova, ist zu Gesprächen in Kiew eingetroffen. Es geht um den geplanten Beitritt der Ukraine zur EU. Dabei ist niemand darauf vorbereitet.
An Warnungen hat es nicht gefehlt. Schon Altkanzler Helmut Schmidt rügte die EU-Kommission für den Versuch, „die Ukraine anzugliedern“. Dies sei „Größenwahn, wir haben dort nichts zu suchen“, erklärte Schmidt 2014. Die Brüsseler Behörde verstehe nichts von Geopolitik.
Auch der frühere EU-Kommissar Günter Verheugen mahnte zu Vorsicht. Eine „fundamentalistische Außenpolitik“ werde die Ukraine und die EU ins Verderben stürzen, sagte er. Und Jean-Claude Juncker, bis 2019 Chef der EU-Kommission, erklärte die Ukraine schlicht für „nicht beitrittsfähig“.
Doch Ursula von der Leyen, Junckers Amtsnachfolgerin, schlägt alle Warnungen in den Wind. Sie empfiehlt die Aufnahme von Beitrittsgesprächen mit der Ukraine und lässt keine Gelegenheit aus, Kiew die Aufnahme zu versprechen. Spätestens 2030 soll es so weit sein.
Damit führt die deutsche Politikerin die EU auf einen gefährlichen Weg. Weder die Ukraine noch die 27 EU-Staaten sind auf die Erweiterung vorbereitet. Die Empfehlung kommt außerdem zur Unzeit: Die ukrainische Gegenoffensive ist verpufft – nun droht ein jahrelanger, verlustreicher Abnutzungskrieg mit Russland.
.@EU_Commission recommended 🇺🇦 to work on 4 priorities by March 2024:
— Věra Jourová (@VeraJourova) November 27, 2023
👉anti-corruption
👉de-oligarchisation
👉regulating lobbying
👉minorities' rights
Quality & speed matter.
Honored to discuss #Ukraine's 🇪🇺 accession w/ @ua_parliament representatives from all political groups. pic.twitter.com/Wq2Rn27dta
Dabei war es vor eineinhalb Jahren noch Konsens, dass es im Krieg keine Beitrittsgespräche geben könne. Beim Sondergipfel in Versailles im März 2022, kurz nach Kriegsbeginn, war sogar die EU-Perspektive umstritten. Deutschland und Frankreich standen auf der Bremse.
Damals wusste man noch um die ungeschriebenen Regeln der Erweiterung: Nehme nie ein Land auf, das nicht auf eigenen Beinen steht. Lass die Finger von Staaten, die ungelöste Grenzkonflikte haben. Und vor allem: Keine Verhandlungen im Krieg – denn die EU will Frieden!
Auf dem Westbalkan wurden diese Regeln penibel eingehalten. 20 Jahre nach dem Ende der Balkankriege sitzen Serbien, Kosovo und Albanien immer noch im Wartesaal der EU. Denn sie haben die Kriterien nicht erfüllt – obwohl sie immerhin den Frieden gewonnen haben.
Doch ausgerechnet die Ukraine – das größte, korrupteste und (notgedrungen) auch kriegerischste Land im Osten Europas – bekommt grünes Licht. Warum eigentlich? Und wie soll das gehen?
Weiterlesen im “Makroskop”
Arthur Dent
29. November 2023 @ 09:44
@Kleopatra
Die rationale Entscheidung war, dass Chamberlain den Krieg verhindern wollte und dafür bereit war, die Tschechoslowakei zu opfern. Hat nicht geklappt, aber hinterher ist man bekanntlich immer schlauer.
Unbesiegbar ist sicherlich niemand, die Frage ist, wieviel ist man bereit dafür einzusetzen. Um Russland niederzuzwingen müsste die EU bereit sein, ein großen Bodenkrieg mit Millionen von Toten zu führen. Wäre die EU dazu fähig und bereit?
Kleopatra
29. November 2023 @ 14:27
Chamberlain war bereit, die sudetendeutschen Gebiete zu opfern, nicht die Tschechoslowakei als solche insgesamt. Auf den Einmarsch der deutschen Armee in die Tschechoslowakei (März 1939) reagierten GB und Frankreich mit einer Garantieerklärung für Polen. Wären sie bereit gewesen, “die Tschechoslowakei zu opfern”, hätten sie das nicht getan; abgesehen von der Frage, ob GB und Frkr ein Recht hatten, “die Tschechoslowakei zu opfern”. Die nachträgliche Rationalisierung läuft wirklich auf die Überlegung hinaus, dass dadurch Zeit für die britische Aufrüstung gewonnen wurde.
Problematisch war, dass mit den Randgebieten der Tschechoslowakei auch die Grenzbefestigungen weg waren, so dass die Tschechoslowakei sich nicht mehr hätte wehren können.
KK
28. November 2023 @ 16:16
“Doch Ursula von der Leyen, Junckers Amtsnachfolgerin, schlägt alle Warnungen in den Wind.”
Ich bedaure, nicht in hundert Jahren mal die Einordnung dieser Frau durch die künftigen Historiker lesen zu können.
vdL scheint keinerlei Gedanken an das Bild zu verschwenden, dass sie vor der Geschichte dereinst abgeben wird – sie lebt völlig im Hier und Jetzt und gefällt sich offenbar sogar noch in der Rolle als Saboteurin der EUropäischen (Friedens-)Idee und Bankrotteurin eines florierenden EUropas – wohl ganz im Dienste Washingtons.
ebo
28. November 2023 @ 17:54
Im Gegenteil: VDL sieht sich als Retterin der EU und Gründerin einer erweiterten Union, die als Bollwerk gegen Russland dient. Ein europäisches Imperium, mit der Ukraine als Waffenfabrik und Deutschland als Führungsnation, Seit’ an Seit’ mit den USA – haben wir uns das nicht immer schon gewünscht?
KK
28. November 2023 @ 19:59
Wie gesagt, künftige Historiker werden das dann schonungslos einordnen… Brüning und Hindenburg haben sich ihrerzeit wohl auch anders gesehen als wir sie heute sehen.
B.S.
28. November 2023 @ 15:28
Die „NSPD“ National Sozialdemokratische Partei Deutschlands – das „A“ für Arbeiter entfällt, da die Sozen nur auf dem Papier etwas für die Arbeiter getan haben – ist auf dem Weg Deutschland nachhaltig zu schaden.
„CUM – EX Olaf der Vergesseliche“ und seine an Unfähigkeit kaum zu überbietenden Moralapostel und Kriegsheischenden Wichtigtuern, diejenigen die das eigene Volk und Land in Armut und Arbeitslosigkeit stürzen, wollen nun die Ukraine in die EU aufnehmen.
Besonders die eitle und Angloamerikanische „EU-Puppe
Uschi von der Leyen“ will als “ Wunsch-Fee“ den Selenskji Faschisten den Weg nach Europa freischaufeln.
Dann wird Europa bald pleite und die Demokratie abgeschafft sein.
Aber wie Scholz sich dann wieder an nichts erinnern kann, so wird von der Leyen wieder einmal ungestraft davonkommen . . .
Das Ende naht . . . Und die das eigene Volk bescheissen werden immer noch unterstützt.
Andreas Mathys
28. November 2023 @ 14:56
Von der Leyen ist für mich völlig untragbar. Ich erinnere mich noch an sie als Familienministerin, als sie das harmlose, lustige, Büchlein von Michael Schmidt-Salomon und Helge Nyncke “Wo bitte geht’s zu Gott? fragte das kleine Ferkel” als jugendgefährdend verbieten wollte. Glücklicherweise scheiterte sie am entschlossenen Widerstand der beiden Autoren.
Arthur Dent
28. November 2023 @ 12:25
@Kleopatra
München 1938 ist auch schon ein paar Tage her und Chamberlain war ein durchaus rationaler Mann (siehe Sebastian Haffner, Zwischen den Kriegen). Mir schwant, der Nahost-Konflikt ist vielleicht nicht so überraschend wie allseits gedacht. Er schwächt die Unterstützung der USA für die Ukraine. Nur Zufall?
Kleopatra
29. November 2023 @ 09:19
München 1938 hat den großen Krieg maximal um ein knappes Jahr hinausgeschoben. Die manchmal angegebene rationale Begründung läuft darauf hinaus, dass Großbritannien dadurch Zeit zur Aufrüstung (Luftwaffe) gewonnen hätte. Entsprechend müsste der Westen die Zeit zur massiven Aufrüstung gegen Russland nutzen.
Arthur Dent
28. November 2023 @ 09:58
@Kleopatra
Nicht zu vergessen: es gibt auch noch das Cum-Ex- und Masken-Deal- Deutschland, das Katargate- und das undurchsichtige Impfdeal-Europa. Die Bezeichnung „Pro-Europäer“ klingt in meinen Ohren nicht als Auszeichnung, sondern als eine geheuchelte Selbstbeweihräucherung. Die EU ist jetzt schon zu groß und zu heterogen um noch demokratisch zu sein. Sie ist ein liberal-autoritäres Regime, nichts weiter.
Kleopatra
28. November 2023 @ 09:10
Schmidt hat viel gesagt, wenn der Tag lang war; berühmt ist auch seine Beschreibung der Sowjetunion als “Obervolta mit Atomraketen”, was auf Russland freilich immer noch passt. Und er hat sich notorisch für kleinere Staaten als Russland bzw. die SU nicht interessiert, daher zum Beispiel die distanzierte Haltung der SPD gegenüber der polnischen Solidarność, insofern ist er für mich keine Person mit Sachkunde.
Wo nehmen Sie die Gewissheit her, dass die Ukraine das korrupteste Land Europas ist (oder gehören bei Ihnen z.B. Serbien, Russland und Belarus nicht mehr zu Europa)?
Die – anfänglich m.E. durchaus vorhandene – Bereitschaft Westeuropas, auf Russland Rücksicht zu nehmen, hat letzteres durch seine zahlreichen Kriegsverbrechen (die auch noch vom russischen Staat belobigt wurden – Buča – bzw. mit offener staatlicher Unterstützung durchgeführt werden – Entführung ukrainischer Kinder) selbst zerstört. Seitdem ist klar, dass mit dieser russischen Führung eine friedliche Koexistenz nicht möglich ist. Und damit entfällt jede Basis für Argumente wie das, dass man eine Aufnahme, die als antirussische Geste empfunden werden könnte, vermeiden sollte. Dieses Argument ist ohnehin sehr schwach, denn es gestattet implizit fremden Mächten, aufgrund ihrer Machtinteressen, der EU vorzuschreiben, wen sie als Mitglied aufnehmen darf. Wäre Russland ein attraktiver Partner, hätte es den Versuch nicht nötig, die Ukrainer mit Waffengewalt von einem EU-Beitritt abzuhalten. Da es aber “Obervolta” ist (s.o.), versucht es, seinen Nachbarn Liebe zu Russland aufzuzwingen.
ebo
28. November 2023 @ 09:24
Obervolta war gestern, die Sowjetunion auch.
Heute schaffen es Deutschland und Frankreich nicht einmal, gemeinsam in Mali für Ordnung zu sorgen 🙂
Im übrigen geht es hier um einen Beitritt, und dafür gibt es klar definierte Bedingungen. Die Ukraine erfüllt sie allesamt nicht.
Kleopatra
28. November 2023 @ 12:51
Ja: Obervolta und die SU waren gestern, heute ist Drittes Russisches Reich. Und wie entschlossen (und ungeniert) Putin auf Eroberungszug geht, zeigt schon der Umstand, dass er ein Dreivierteljahr vor dem Überfall auf die Ukraine seine ideologische “Rechtfertigung” veröffentlichte. Alle Andeutungen hinsichtlich eines jetzt auszuhandelnden Friedens zwischen der Ukraine und Russland klingen für mich nur nach “München 1938”.
Andreas Mathys
28. November 2023 @ 15:25
Die Ukraine ist in der Tat hochkorrupt, wurde zeitweise sozusagen vom Biden-Clan regiert. Auch ist nach wie vor nicht faktenklar, was in Butscha wirklich passierte. Auch sollten Sie mal die Reden Putins lesen. An ihm fehlte es nicht, für ein friedliches Zusammenleben in Europa einzustehen. Verhindert haben es die Amerikaner.
KK
28. November 2023 @ 15:41
“…insofern ist er [Helmut Schmidt] für mich keine Person mit Sachkunde.”
Wer sind Sie denn, dass Sie einem wie Helmut Schmidt, immerhin ehemaliger Bundeskanzler und jahrzehntelanger gut vernetzter Beobachter und Kommentator der Geopolitik (u.a. auch als Herausgeber der ZEIT, als man die noch lesen konnte) die Expertise absprechen könnten?
Kleopatra
29. November 2023 @ 09:24
Ich spreche Schmidt nicht generell jede Sachkunde ab, sondern insofern er sich für die Länder zwischen Deutschland und Russland nicht interessiert hat, halte ich ihn in Bezug auf diese Gegend für einen Ignoranten. Solidarność war für ihn im Wesentlichen ein Störfaktor. Auch von der Ukraine hatte er keine Ahnung. Und in meinen Studienfächern halte ich mich für einigermaßen kompetent.
Robby
27. November 2023 @ 23:36
Das Problem ist nicht ob wir die Ukraine aufnehmen, das Problem ist wie werden wir die EU wieder los.
european
27. November 2023 @ 20:03
Ich hoffe darauf, dass es genügend Vetos gibt, um diesen Unfug zu verhindern.
Arthur Dent
27. November 2023 @ 18:27
Vera Jourova behauptete schon 2020, China betreibe Propaganda, Russland Desinformation. Beweise lieferte sie damals keine. Merke: Für dummes Geschwätz gibt’s immerhin 300.000 Euro im Jahr.
MarMo
27. November 2023 @ 17:43
Den Deutschen (zumindest Teilen der politischen Klasse) scheint der Größenwahn in den Genen zu liegen oder ist das Zufall, dass das alles unter der nicht wirklich legitimierten UvL geschieht ? Wahnhafte Politik ohne den Gedanken an die Konsequenzen, gespeist von einer glühenden Russophobie – warum kann niemand diese Verbrecherin stoppen?
Corona Hotspot
27. November 2023 @ 20:49
Ist aus meiner Sicht weniger Größenwahn als die schiere Idiotie ferngesteuerter Schwachköpfe.