Energieembargo: Der Krieg der Ökonomen
Soll Deutschland ein Embargo auf Öl und Gas aus Russland verhängen? Darüber ist ein “Krieg” der Ökonomen entbrannt. Ein Hardliner attackiert sogar Kanzler Scholz.
Scholz hatte sich am Sonntag bei “Anne Will” erneut gegen ein Energieembargo ausgesprochen. Dies würde eine schwere Wirtschaftskrise in Deutschland auslösen, sagte er.
Es sei “unverantwortlich, irgendwelche mathematischen Modelle zusammenzurechnen, die dann nicht funktionieren”, so Scholz. Russland könne mit seinen Deviseneinnahmen eh nichts anfangen – da die vom Westen gesperrt wurden.
Dem widersprach Rudi Bachmann. Der prominente Ökonom wirbt seit langem für ein Embargo, auch in Deutschland. Das würde zwar eine Rezession von 3 bis 4 Prozent auslösen, doch das sei zu managen. Dafür wurde er von anderen Experten heftig kritisiert.
Am Sonntag eskalierte der “Krieg” auf Twitter. Bachmann ging Scholz direkt an – und löste damit einen neuen Shitstorm aus. Die deutschen Ökonomen werfen sich nun gegenseitig vor, “unwissenschaftlich” zu argumentieren.
Dabei ist die entscheidende Frage nicht ökonomisch – und auch nicht durch noch so ausgeklügelte Berechnungen zu entscheiden.
Es geht vielmehr darum, ob der Schaden eines Embargos sozial und politisch tragbar ist – und ob ihm ein hinreichender Nutzen gegenüber steht.
Beide Fragen würde ich verneinen. Die sozialen und politischen Kosten eines Gasembargos in Deutschland wären verheerend – die Regierung Scholz würde sie womöglich nicht überleben.
Der Nutzen hingegen wäre gering. Schon bisher haben die westlichen Sanktionen den Krieg in der Ukraine nicht beendet.
Und nicht einmal US-Präsident Biden behauptet, dass ein Energieembargo daran etwas ändern würde. Die USA haben die Lieferungen aus Russland übrigens schon unterbrochen…
european
29. März 2022 @ 09:04
Russland hat eine eigene Zentralbank, die jederzeit einspringen kann, wenn es klemmt. Das kann zwar u.U. eine höhere Inflation zur Folge haben, aber auch das kann Russland eine Weile aushalten. Wir leben doch auch aktuell mit teilweise hohen Preissteigerungen, auch wenn diese nichts mit der Politik der Zentralbank zu tun haben.
Man sollte den m.E. blinden Aktionismus endlich unterlassen und sich mal ernsthaft Gedanken über ein Zukunftsszenario machen. Wie wollen wir Europäer anschließend mit Russland auf diesem Kontinent weiterleben? Was ist das Ziel und wie kommen wir dahin?
pitiplatsch
29. März 2022 @ 08:56
Hawking hat in seinem letzten Buch an die Jugend appelliert, Naturwissenschaften zu studieren um für die Zukunft gerüstet zu sein. Von der Natur losgelöste Eigenprodukte wie die Ökonomie erweisen sich immer wieder als anfällig von Ideologie und Politik und werden deren Diener. Naturwissenschaften unterliegen dem ständigen Natur-TÜV, wodurch sie auf Dauer auf Linie gehalten werden.
Bei Ökonomen also bitte den gleichen Zweifel walten lassen wie bei Politkern!
Armin Christ
29. März 2022 @ 08:50
Daß deutsche Ökonomen sich gegenseitig vorwerfen unwissenschaftlich zu sein ist ja erheiternd, denn wer deren Prognosen und Modelle die letzten Jahrzehnte verfolgt hat, dem ist klar daß sie meistens unwissenschaftlich arbeiten – im Dienst der Konzerne. Wer den Mainstream nicht bedient bekommt auch keine Forschungsaufträge finanziert.
Energieembargo ? Ist denn noch niemandem aufgefallen, daß trotz Krieg die Ukraine weiterhin mit Gas und Elektrizität aus Russland versorgt wird ?
Holly01
30. März 2022 @ 13:42
“meistens” ??
Ökonomie ist eine Sozialwissenschaft.
Die Evidenz besteht darin ein Modell (ich wünsche mir was) zu bauen und dann zu schauen, ob es “Bezüge zur Realität” gibt.
Der gesamte Inhalt “Geld” findet bei denen nicht statt.
Wer jetzt quietscht und Schnappatmung bekommt, möge mir eine der vier Schulen zeigen, wo das Geldwesen inklusive Zinsen und Zinseszinsen eingeflossen sind und man =>>> auch die spezielle Beziehung des Bankwesens zur Politik und der Wirtschaft nicht vergessen hat.
Einer? Nur ein Professor aus dem deutschsprachigen Raum? Von mir aus auch emeritiert (also jenseits jeder Verantwortung im C 5 Pensionshimmel)?
Keiner?
Na sehen Sie ……..
Dummsülzer ohne jede wissenschaftliche Basis oder ein Bemühen um eine solche.
Die Ordoliberalen (was der Lindner sich ins Haus geholt hat) sind die Könige, also die blindesten der Blinden. Die binden zwei widerstrebende Konzepte in ihre Mischung und interpretieren das weitläufig.
Großes Kino Jungs und Mädels, ganz großes Kino.
european
31. März 2022 @ 09:40
@Holly01
Doch. Flassbeck redet schon seit Urzeiten darüber und hat sich damit auch innerhalb seiner Kollegenschaft ins Aus katapultiert, was ihn nicht im mindesten interessiert “Leider” stellt sich am Ende auch noch sehr oft heraus, dass er mit seinen Einschätzungen wieder mal Recht hatte. 😉
Holly01
31. März 2022 @ 10:40
@ european:
Es gibt und gab Einzelstimmen, die das fehlen von Geld in der Lehre immer wieder bemängelt.
Die Volks- und Betriebswirtschaft hat auch richtig gute Ergebnisse hervorgebracht.
Aber dieses Modell mit den verschiedenen Schulen, die sich schwachsinnig an Dogmen klammern, um sich Inhalten nicht stellen zu müssen, das stellt auch Flassbeck (so weit ich weiß) nicht in Frage.
Da kommt (wie bei den anderen auch) im besten Fall so eine Einlassung wie:
” Wir haben das anders empfohlen.”
Flassbeck kämpft auch weniger um die Einbeziehung von Geld in die Lehre, sondern mehr um die Anerkennung von der Abhängigkeit von Stückkosten zu Inflation, statt der gängigen Lehre von Angebot zu Nachfrage blendet da aber (ich habe ihn eine Zeit lang nicht wirklich verfolgt) Spekulation und Kaufkraft nach Zins auch aus.
Der Punkt ist für mich einfach der Wechsel zur geldgetriebenen Wirtschaft.
Da entziehen sich Flassbeck und Hörmann (u.a.) auch dem Konflikt.
Das nenne ich dann unwissenschaftlich ….
european
31. März 2022 @ 13:54
Da muss ich Flassbeck in Schutz nehmen, denn das stimmt so nicht. Er weist sicherlich auf die Zusammenhänge von Löhnen und Inflation hin, ebenso wie er auch die Gründe der Eurokrise völlig richtig darlegt.
Er erinnert aber auch immer wieder an die makroökonomische Buchführung innerhalb der Welt als geschlossene Volkswirtschaft und da sind wir eben doch wieder beim Geld. Auch zur Aufgabe der Zentralbanken hat äußert er sich sehr präzise.
Ansonsten stimme ich Ihnen zu. Ökonomie hat bisweilen – je nachdem wem man zuhört – durchaus religiöse Züge mit Dogmen, Bibeln, Monstranzen etc.
😉