Endlich Tauwetter? – Wo bleiben die Frauen?
Nach dem Gefangenenaustausch zwischen Russland und der Ukraine keimt Hoffnung auf ein Tauwetter auf – auch in der EU. Frankreichs Staatschef Macron setzt auf eine strategische Annäherung.
„Ich denke, das ist die erste Etappe“. Nun müsse man alle Schritte unternehmen, um den Krieg in der Ostukraine zu beenden, sagte Ukraines Präsident Selenskyj nach dem Austausch.
Selenskyj will möglichst schnell einen Gipfel im so bezeichneten Normandie-Format – mit Russland, Deutschland und Frankreich – organisieren, um den Friedensprozess wiederzubeleben.
Das wollen auch Berlin und Paris. Kanzlerin Merkel nannte den Austausch ein „hoffnungsvolles Zeichen“. Es lohne sich, weiter an der Umsetzung des Minsker Friedensplans zu arbeiten.
Frankreichs Staatschef Macron geht noch weiter. Er will nicht nur „Minsk“ vorantreiben (das bisher ein Flop war), sondern auch die Beziehungen zu Russland massiv ausbauen.
Bei einem Treffen mit dem russischen Präsidenten Putin vor dem G7-Gipfel in Biarritz sprach sich Macron für eine neue strategische Partnerschaft aus.
Russland sei eine „europäische Macht“, ohne die die EU keine strategische Souveränität erlangen könne, sagte Macron. Es gehe um ein Europa „von Lissabon bis Wladiwostok“.
Das erinnert an General de Gaulle, der sich ähnlich ausdrückte. Allerdings ist die neue-alte französische Doktrin schon in den 50er Jahren auf Widerstand gestoßen.
Neben den USA und der Nato sprach sich auch Deutschland gegen eine Einbindung Russlands aus – das Land war noch geteilt. Heute sind es vor allem Polen und Balten, die bremsen.
Dennoch: ein Tauwetter mit Moskau läge durchaus im Interesse der EU – denn die Nato trägt kaum noch, und das Verhältnis zu den USA ist kaum noch als Partnerschaft zu bezeichnen…
Siehe auch „Die transatlantische Illusion“
Watchlist
- Scheitert die Frauenquote? Am Montag will die künftige Kommissionschefin von der Leyen endlich die Namen der Kommissare bzw. Kommissarinnen bekanntgegeben. Dann wird man sehen, ob sie ihr Versprechen halten kann, eine Geschlechter-Parität zu erreichen. Zuletzt waren es 14 Männer und 12 Frauen – zaubert VdL noch ein oder zwei Damen aus dem Hut?
Siehe auch „Von der Leyen hat zu viel versprochen“
Was fehlt
- Die verfahrene Lage beim Brexit. Nachdem sich die innenpolitische Krise weiter zugespitzt hat, droht nun auch noch Frankreich mit einem Veto gegen einen neuen Aufschub für den EU-Austritt. Über Hintergründe und Folgen habe ich am Sonntag im ARD-Presseclub diskutiert – und vor einer Ausweitung der Krise auf die EU gewarnt. Das Video findet sich hier.
Peter Nemschak
9. September 2019 @ 09:58
Besser ein politisch und sachlich qualifizierter Mann als eine weniger geeignete Frau nur um der Quote willen. Über kurz oder lang werden sich tüchtige Frauen durchsetzen auch wenn sie es derzeit schwerer als die Männer haben. Was den BREXIT betrifft, sind die britischen Bürger, wie die Paneldiskussion gezeigt hat, in einer Zwickmühle zwischen den Radikalkonservativen und Labour, das das Land wirtschaftlich auf andere Art als die Konservativen, mit paläosozialistischen Vorstellungen wie die Wirtschaft organisiert sein muss, schädigen will. Für die EU bedeutet dies: UK so rasch wie möglich fort mit Schaden.
Kleopatra
9. September 2019 @ 10:59
„So rasch wie möglich fort mit Schaden“ kann man in einer Partnerschaft praktizieren, wo man die Option hat, einander zukünftig aus dem Weg zu gehen. Zwischen benachbarten Staaten ist das nicht möglich, Großbritannien wird nicht verschwinden, sondern künftig als Hindernis zwischen Kontinentaleuropa und Irland liegen und dadurch die Handelsbeziehungen zwischen dem Kontinent und Irland massiv erschweren. Von der Verpflichtung Irlands, alle über die nordirische Grenze eingeführten Waren aus Rücksicht auf den ansonsten gestörten EU-Binnenmarkt zu kontrollieren, einmal ganz abgesehen.
Peter Nemschak
9. September 2019 @ 12:22
Es wird auch in Zukunft gemeinsame Interessen geben, die erst nach dem emotional besetzten BREXIT sichtbar werden. Die EU kann derzeit nichts machen außer auf ihrer Position beharren. Würde sie den kleinen Finger reichen, wäre der Griff nach ihrer Hand der nächste Schritt. Das UK muss seine innenpolitischen Probleme alleine lösen, Sonst hieße es sofort Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines souveränen Staates. Das wäre kontraproduktiv. Die britischen Unternehmen hatten lange genug Zeit sich auf einen gegebenenfalls harten BREXIT vorzubereiten und haben auch Milliardenbeträge dafür investiert. Dass die breite Masse der BREXIT-Befürworter einen harten BREXIT stärker als ihre Eliten spüren wird, soll uns nicht weiter stören. Direkte Demokratie hat für die Wähler Risiken, die mitunter schlagend werden können.