Ein Jahr Corona: Nein, die EU ist nicht der richtige Rahmen
Im Kampf gegen die Coronakrise setzen immer mehr EU-Länder auf Alleingänge ohne Brüssel. Österreich und Dänemark suchen jetzt sogar eine Allianz mit Israel. Schön ist das nicht, aber nachvollziehbar: Die EU ist nicht der richtige Rahmen, um diese Krise zu lösen.
Dies haben die letzten 12 Monate gezeigt. Die EU-Kommission – die kaum Kompetenzen in der Gesundheitspolitik hat – hat da, wo sie sich einmischte, entweder zu langsam oder falsch agiert.
Auch die für Seuchen und Medikamente zuständigen EU-Behörden ECDC und EMA sind hoffnungslos überfordert. Sie müssen reformiert werden, bevor man ihnen immer neue Aufgaben gibt.
Wenig hilfreich ist auch, dass Brüssel so tut, als könne es die Beschaffung von Impfstoffen koordinieren und die Impfung vorantreiben. In Wahrheit ziehen im Hintergrund die EU-Staaten die Fäden.
Wir haben es mit einem intergouvernementalen Vorgehen ohne rechtliche Grundlage zu tun, bei dem niemand die Führung und/oder die Verantwortung übernimmt. Das konnte eigentlich nicht gut gehen.
Zudem haben wir ein Europaparlament, das nicht einmal grundlegende Kontrollfunktionen wahrnimmt. Deshalb kann es die Fehler von Kommission und zugeordneten EU-Behörden auch nicht beheben.
Fazit: Die EU ist in der aktuellen Verfassung nicht der richtige Rahmen, um die Krise zu meistern. Sie wurde dafür nicht geschaffen und verfügt weder über die nötige Erfahrung noch über die Ressourcen.
Um in der Coronakrise voranzukommen und den Rückstand aufzuholen, braucht es jetzt eine Avantgarde von EU-Ländern ohne Bremser und bürokratische Hürden – also ohne Brüssel.
Deutschland, Frankreich und Italien sollten vorangehen; Brüssel könnte dann dafür sorgen, dass an alle gedacht ist und niemand übergangen wird.
Vor allem aber sollte sich die EU-Kommission endlich darauf konzentrieren, wofür sie eigentlich zuständig ist: den Binnenmarkt, die Freizügigkeit im Schengenraum und die Grundrechte der Bürger.
All dies ist in der Coronakrise unter die Räder gekommen. Von der Leyen muß endlich ihren Job machen und die vertraglich verbrieften Rechte durchsetzen – zur Not auch gegen Berlin, Paris oder Rom.
So sieht die klassische Arbeitsteilung in der EU aus – und nur so kann es funktionieren…
Siehe auch “Impfdebakel: Immer mehr EU-Staaten gehen fremd”.
P.S. Mit meiner Meinung stehe ich nicht allein. So schreibt der “Figaro” aus Paris:
“Die ehrgeizige Impfstrategie der EU sollte Zusammenhalt, Gerechtigkeit und Solidarität gewährleisten – zum bestmöglichen Preis. Das ist misslungen. Nach Budapest sind es jetzt Prag, Bratislava, Warschau und Wien, die Verhandlungen über andere Versorgungswege mit Russland oder China – manchmal mit beiden – aufgenommen haben. Österreich und Dänemark wenden sich an Israel, um die nächste Impfstoff-Generation vorzubereiten – ohne über Brüssel zu gehen.”
der-5-minuten-blog
7. März 2021 @ 09:20
DER RICHTIGE RAHMEN
L.I.E wies darauf hin, Gesundheitspolitik sei nicht der richtige Rahmen für die EU-Kommission.
Für was die EU-Kommission sich aber im richtigem Rahmen sieht, teilt sie auf ihrer offiziellen Website mit. (https://ec.europa.eu/info/strategy/priorities-2019-2024_de)
Sie setzt 6 Prioritäten.
Und der Mensch steht dabei nicht an erster Stelle…
Kleopatra
5. März 2021 @ 16:10
Deutschland, Frankreich, Italien und die Niederlande wollten bekanntlich mit der Option für die anderen, sich anzuschließen, vorangehen, sind dann aber auf halbem Weg von Merkel und von der Leyen eingebremst worden. Mitten in Verhandlungen das Verhandlungsteam zu wechseln, eine bisher nicht existierende Arbeitsgruppe und ein Abstimmungssystem zu installieren, war schon ein sicheres Mittel zu einer Verzögerung um Monate. Die hohe Komplexität dürfte die Entscheidungsfindung auf Käuferseite auch verlangsamt haben.
Offenbar ging es hier um politische Symbolik. Praktische und pragmatische Erwägungen scheinen kaum eine Rolle gespielt zu haben.
ebo
5. März 2021 @ 18:10
Ganz richtig. Es wäre besser gewesen, diese “Avantgarde” weitermachen zu lassen. Der deutsche EU-Vorsitz und/oder die EU-Kommission hätte darüber wachen können, dass die Ergebnisse der Verhandlungen im Anschluß allen 27 EU-Staaten zugute kommen. Aber auch jetzt noch könnte eine Gruppe von EU-Ländern vorangehen. Generell komme ich zunehmend zu dem Ergebnis, dass die EU-27 einen festen Kern braucht, der Richtung und Tempo vorgibt. Leider ist es wieder einmal Deutschland, dass sich diese Idee widersetzt. Merkel fürchtet wohl, sie könnte Ungarn oder Polen verschrecken…
Kleopatra
5. März 2021 @ 18:29
Grundsatzfragen kann man schon weniger von einer Avantgarde vorgeben lassen. Aber Impfstoffe sind eine zeitkritische Beschaffungsaufgabe, und da ist es weder sinnvoll, mitten im Fluss die Pferde zu wechseln, als eine praktische Frage nicht pragmatisch lösen zu wollen, sondern eine ideologische Grundsatzfrage daraus zu machen.